Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des M R in S, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 2019, W168 2198396-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 8. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Mit Bescheid vom 15. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine 14- tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Sofern sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0463, mwN). Dass die Erwägungen des BVwG unvertretbar wären, zeigt die Revision nicht auf.
8 Entgegen dem Vorbringen in der Zulassungsbegründung stützte das BVwG seine das Fluchtvorbringen betreffende Beweiswürdigung nicht allein darauf, dass die Vermutung des Revisionswerbers, von den Taliban verfolgt zu werden, spekulativ sei, sondern gelangte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgrund einer Gesamtschau auf die im Verfahren getätigten Aussagen des Revisionswerbers sowie den in der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck zum - näher begründeten - Ergebnis, der Revisionswerber habe eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Angesichts dessen vermag auch das weitere Vorbringen, wonach die Taliban den Länderberichten zufolge eine Zielperson in jeder Region Afghanistans finden könnten, keine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung aufzuzeigen.
9 Weiters wird zur Begründung der Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative die mangelnde Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten, den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 sowie den Risikoprofilen der von EASO herausgegebenen "Country Guidance" geltend gemacht. 10 Entgegen dem Vorbringen hat das BVwG die Eigenschaft des Revisionswerbers als schiitischer Hazara und auch die zitierten Richtlinien des UNHCR und von EASO berücksichtigt. Diese schließen - entgegen der Zulässigkeitsbegründung - eine Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative für schiitische Hazara nicht generell aus. Das auf gegenteiligen Prämissen aufbauende Vorbringen kann daher nicht aufzeigen, dass die Revision von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
11 Dass sich das BVwG mit seiner Einschätzung, dem Revisionswerber sei die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul zumutbar, von den Leitlinien der Judikatur entfernt habe, vermag die Revision nicht darzulegen (vgl. etwa VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0428, mwN). Die Revision zeigt fallbezogen weder auf, dass in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif eine Situation vorläge, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers darstellt, noch, dass dem Revisionswerber eine Ansiedelung in diesen Städten nicht zumutbar wäre (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/20/0438, mwN).
12 Fallbezogen begegnet die Einschätzung des BVwG, wonach dem jungen, männlichen, gesunden und arbeitsfähigen, mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertrauten Revisionswerber, dessen Familie in Afghanistan lebt und dessen Frau in Kabul einer Erwerbstätigkeit nachgeht, in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zumutbar sei, nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001; 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mwN; zur Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative für einen schiitischen Hazara zB VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 17. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200485.L00Im RIS seit
11.03.2020Zuletzt aktualisiert am
12.03.2020