TE Vwgh Beschluss 2019/12/17 Ra 2019/18/0436

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
FlKonv Art1 AbschnA Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des R K, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das am 5. Juli 2019 mündlich verkündete und am 10. September 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W244 2158549-1/20E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 1. August 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er unter anderem damit begründete, dass ihm aufgrund seiner Konversion zum Christentum im Herkunftsland asylrelevante Verfolgung drohe.

2 Mit Bescheid vom 21. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.), gab der Beschwerde im Übrigen statt und erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt A.II.). Unter einem erteilte das BVwG ihm gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt A.III.). Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B.). 4 Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber besuche zwar seit 2014 regelmäßig den Gottesdienst einer näher genannten Kirche und sei im Februar 2016 getauft worden, jedoch sei der christliche Glaube aus näher dargestellten Gründen kein wesentlicher Bestandteil der Identität des Revisionswerbers geworden und würde der Revisionswerber seinem Interesse für das Christentum im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht weiter nachkommen.

5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in ihrer Zulässigkeitsbegründung die Beweiswürdigung des BVwG betreffend das Nichtvorliegen einer inneren Überzeugung des Glaubenswechsels beanstandet. 6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dann - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 1.3.2019, Ra 2018/18/0446, mwN). 11 Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung der eine Konversion behauptenden Person an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Wesentlich ist dabei, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. etwa VwGH 29.5.2019, Ra 2019/20/0230, mwN).

12 Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltensbzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0441). 13 Fallbezogen setzte sich das BVwG mit dem vom Revisionswerber erstatteten Vorbringen zur Konversion - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - eingehend auseinander, würdigte dieses und kam zum Ergebnis, dass der christliche Glauben kein wesentlicher Bestandteil der Identität des Revisionswerbers geworden sei, obwohl dieser seit 2014 regelmäßig den Gottesdienst der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten besuche und am 17. Februar 2016 getauft worden sei. Dabei stützte sich das BVwG in seiner Beweiswürdigung insbesondere auf folgende Erwägungen: In der mündlichen Verhandlung habe der Revisionswerber eine auffällige Kreuzkette getragen und bejaht, diese "immer so zur Schau" zu tragen, auf allen zum Nachweis seiner Integration vorgelegten Fotos trage er die Kette jedoch nicht. Dies beeinträchtige seine persönliche Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus habe er in der mündlichen Verhandlung nicht ausführen können, ob und welchen Religionsunterricht sein Sohn in der Schule besuche. Dass der Revisionswerber sich nicht mit dem Religionsbekenntnis sowie dem Religionsunterricht seines Sohnes befasse und es ihm auch nicht wichtig sei, sein Kind mit der christlichen Religion vertraut zu machen, sei für das BVwG fallbezogen nicht nachvollziehbar. Ebensowenig sei für das BVwG nachvollziehbar, dass der Revisionswerber mit seiner Ehegattin angeblich nur oberflächlich über seine Religion spreche, obwohl seine Frau dem christlichen Glauben grundsätzlich offen gegenüber stehe. Zudem habe der Revisionswerber nur vage Angaben über die Taufvorbereitung machen können und verfüge lediglich über rudimentäres Wissen zu den Unterschieden zwischen den einzelnen Richtungen des Christentums. Trotz mehrfacher Nachfragen habe der Revisionswerber nicht substantiiert beschreiben können, welche Bedeutung das Kreuz für ihn habe, was ihm am Islam missfallen habe und wie sich diese Religion vom Christentum unterscheide. Überdies habe er nicht substantiiert beschreiben können, welche Auswirkungen die Taufe und sein Glaube auf sein alltägliches Leben hätten. Vor diesem Hintergrund sei nach Ansicht des BVwG nicht anzunehmen, dass der Revisionswerber bei Rückkehr in den Iran seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben weiter nachkommen und es nach außen zur Schau tragen würde. Die afghanischen Behörden würden von seinem früheren christlichen Engagement bei Rückkehr keine Kenntnis erlangen. Soziale und familiäre Anknüpfungspunkt bestünden in Afghanistan nicht, sodass auch von seinem persönlichen Umfeld diesbezüglich keine Gefahr drohe.

14 Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende gravierende Mangelhaftigkeit dieser - auf den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck des Revisionswerbers und die dabei hervorgekommenen Unplausibilitäten in seinen Aussagen gestützten - Beweiswürdigung des BVwG vermochte die Revision nicht aufzuzeigen.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180436.L00

Im RIS seit

31.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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