TE Vwgh Erkenntnis 2019/12/17 Ra 2019/09/0045

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

GSpG 1989 §52 Abs1
GSpG 1989 §54 Abs1
VStG
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die außerordentliche Revision der U G s.r.o. in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 27. Dezember 2018, Zl. LVwG 41.23-1451/2017-9, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld vom 10. April 2017 wurde gegenüber der revisionswebenden Partei als Eigentümerin die Einziehung von acht näher bezeichnete Glücksspielgeräten und eines sonstigen Eingriffsgegenstandes (Abschreibeschlüssel) gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Glücksspielgesetz (GS pG) verfügt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 27. Dezember 2018 wurde die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichthof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 In der Begründung dieser Entscheidung ging das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Sachverhaltsfeststellungen unter anderem davon aus, dass im "durchgeführten Beschlagnahmeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark ... durch Durchführung von Testspielen nachgewiesen" habe werden können, dass "es sich bei den aufgestellten Geräten um Glückspielgeräte" handle. Der Geschäftsführer der J GmbH, die Inhaberin des Lokals gewesen sei, sei mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6. April 2017 bezüglich der im Lokal vorgefundenen Glückspielgeräte wegen neun Übertretungen des GSpG schuldig erkannt worden. Dieses Straferkenntnis sei mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 5. Juli 2017 bestätigt worden. Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde weiters ausgeführt, es werde festgestellt, dass "sowohl im Beschlagnahmeverfahren als auch im Strafverfahren der Beweis erzielt" habe werden können, dass "es sich um verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG handelt und dass es sich bei den vorgefundenen und beschlagnahmten Geräten um Gegenstände handelt, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen" worden sei. 4 In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Ansicht, dass "dem Verwaltungsgericht kein Raum mehr" bleibe, "im Einziehungsverfahren hinsichtlich des Vorliegens eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 GSpG eine andere Beurteilung zu treffen", wenn "bereits durch einen rechtskräftigen Bescheid die Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG" feststehe. 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 7 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

8 Die revisionswerbende Partei macht in ihrer Begründung unter anderem geltend, das Verwaltungsgericht habe in Verkennung der Rechtslage - insbesondere in Verkennung der Bindungswirkung eines Strafurteils - nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen, die eine Einziehung gemäß § 54 GSpG tragen könnten. Das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt, nur hinsichtlich jener Personen entfalte, denen gegenüber das Strafurteil ergangen sei, nicht aber gegenüber Dritten (Verweis auf VwGH 11.7.2018, Ra 2017/17/0052). 9 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet:

10 § 54 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 70/2013, lautet auszugsweise:

"§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.

..."

11 Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist die Einziehung nach § 54 GSpG unabhängig von einer Bestrafung eines Beschuldigten und hängt gemäß § 54 Abs. 1 GSpG von der Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG ab (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/17/0157; 12.4.2018, Ra 2018/17/0050; 15.11.2017, Ra 2017/17/0763). Das Verwaltungsgericht trifft daher im Einziehungsverfahren nach dem GSpG die Verpflichtung, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens nähere Feststellungen zum Vorliegen der Verwirklichung des objektiven Tatbildes zu treffen (vgl. VwGH 10.5.2019, Ra 2019/17/0019; 27.11.2018, Ra 2018/17/0157).

12 Im vorliegenden Fall nimmt das Verwaltungsgericht allerdings den Standpunkt ein, ihm bleibe "kein Raum mehr", im Einziehungsverfahren hinsichtlich des Vorliegens eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 GSpG eine andere Beurteilung zu treffen, da bereits durch einen rechtskräftigen Bescheid die Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG feststehe. Damit geht es offenbar davon aus, dass dem rechtskräftigen Straferkenntnis gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Lokalinhaberin - einer von der revisionswerbenden Partei verschiedenen Gesellschaft - im vorliegenden Verfahren Bindungswirkung zukommt.

13 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Diese Bindung besteht allerdings nur hinsichtlich jener Personen, denen gegenüber das Strafurteil ergangen ist, nicht aber gegenüber Dritten. Auch im Verwaltungsstrafverfahren ist von der Beschränkung der Bindungswirkung von Straferkenntnissen auf Parteien, denen gegenüber sie ergangen sind, auszugehen (vgl. VwGH 11.7.2018, Ra 2017/17/0052, mwN; siehe auch VwGH 27.2.2019, Ra 2018/15/0089). 14 Da das Verwaltungsgericht demnach in Verkennung der Rechtslage von einer Bindungswirkung der gegenüber einem Dritten erlassenen, rechtskräftigen Entscheidung ausgegangen ist, war das angefochtene Erkenntnis schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

15 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. Dezember 2019

Schlagworte

AllgemeinBesondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090045.L01

Im RIS seit

21.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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