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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1997/II/215 §1 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerden 1. der M B, und
2. des N B, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Gertraud Fuchs, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 2, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien je vom 9. März 1998, Zlen. SD 1240/97 (Erstbeschwerdeführerin) und SD 1239/97 (Zweitbeschwerdeführer), jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) je vom 9. März 1998 wurden die Beschwerdeführer, ein Ehepaar mit der Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina, jeweils gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Nach den im wesentlichen gleichlautenden Begründungen der beiden angefochtenen Bescheide seien die Beschwerdeführer im November 1993 aus ihrer Heimat in die Türkei geflüchtet, wo sie sich von Dezember 1993 bis September 1994 in einem "Camp" aufgehalten hätten. Im Oktober 1994 seien sie per Bus in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Die polizeiliche Meldung sei erst am 4. März 1997 erfolgt.
Ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht aufgrund der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina komme den Beschwerdeführern nicht zu. Die Beschwerdeführer hätten bereits vor ihrer Einreise nach Österreich in der Türkei Schutz gefunden. Überdies hätten sie sich bei ihrer Einreise nach Österreich nicht der Grenzkontrolle als Kriegsflüchtlinge gestellt; ihr Aufenthalt sei auch nicht der Meldebehörde, der Fremdenpolizeibehörde oder der Behörde nach dem Aufenthaltsgesetz ohne unnötigen Aufschub bekannt geworden. Die Ausweisung der Beschwerdeführer sei daher im Grund des § 33 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmung des § 37 Abs. 1 leg. cit. - gerechtfertigt.
Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, daß die Beschwerdeführer keine familiären Bindungen im Bundesgebiet hätten und solche auch nicht behaupteten. Selbst wenn man aufgrund des nunmehr dreijährigen inländischen Aufenthaltes von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführer ausginge, wäre für diese nichts gewonnen den diesfalls wäre die Ausweisung im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, weil die Beschwerdeführer zu keiner Zeit über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt hätten. In einem solchen Fall sei die Ausweisung schon im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Jedenfalls müßten die privaten Interessen der Beschwerdeführer gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten.
2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden - im wesentlichen gleichlautenden - Beschwerden jeweils mit dem Antrag, den jeweils angefochtenen Bescheid "zur Gänze" aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und erwogen:
1. Die Beschwerdeführer berufen sich jeweils darauf, daß ihnen nach der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, BGBl. II Nr. 215/1997, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukomme. Mit dieser Verordnung wurde das gemäß der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 299/1996 bestehende Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina für gewisse Gruppen von Kriegsflüchtlingen bis zum 31. Juli 1998 verlängert. Nach § 1 Abs. 1 Z. 2 und 3 der letztgenannten Verordnung hatten Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten und anderweitig keinen Schutz fanden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, wenn sie
nach dem 1. Juli1993, aber vor dem 15. Dezember 1995 eingereist sind und sich aus allgemein begreiflichen Gründen nicht der Grenzkontrolle gestellt haben, sofern ihre Einreise danach ohne unnötigen Aufschub der Meldebehörde, der Fremdenpolizeibehörde oder der Behörde nach dem Aufenthaltsgesetz bekannt geworden ist (Z. 2),
oder in der Zeit zwischen dem 1. Juli1993 und dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingereist sind, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde (Z. 3).
Dem Erfordernis, sich der Grenzkontrolle zu stellen, wird nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das zur Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 389/1995 ergangene, auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 96/18/0582) nur durch ein Tun des Fremden entsprochen. Er hat von sich aus (initiativ) an der Grenzkontrollstelle an ein Grenzkontrollorgan zwecks Durchführung der Grenzkontrolle heranzutreten. Die Beschwerdeführer bringen zwar jeweils vor, daß ihnen die Einreise nicht verweigert worden sei, gestehen jedoch zu, dem Erfordernis des initiativen Herantretens an das Grenzkontrollorgan nicht entsprochen zu haben. Ein Aufenthaltsrecht nach § 1 Abs. 1 Z. 3 der zitierten Verordnung kommt daher schon mangels Erfüllung des ersten der beiden kumulativ zu erfüllenden Tatbestandselemente nicht in Betracht. Für das Bestehen eines Aufenthaltsrechtes nach der Z. 2 der genannten Bestimmung wäre jedenfalls erforderlich, daß es die Beschwerdeführer aus "allgemein begreiflichen Gründen" unterlassen hätten, sich im Sinn der angeführten Judikatur der Grenzkontrolle zu stellen. Zu diesem Tatbestandselement enthalten die beiden Beschwerden jeweils kein konkretes Vorbringen, sondern nur den Hinweis, daß die Beschwerdeführer vor dem 15. Dezember 1995 eingereist seien und sich "daher" aus begreiflichen Gründen der Grenzkontrolle nicht initiativ gestellt hätten. Den Beschwerdeführern ist es daher schon aus diesen Gründen nicht gelungen, die behördliche Ansicht, daß ihnen jeweils kein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach der erwähnten Verordnung zukomme, als unrichtig darzutun. Da den Beschwerdeführern auf Grundlage des insoweit jeweils unbestrittenen Sachverhaltes auch keine anderweitige Aufenthaltsberechtigung zukommt, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde jeweils durchgeführten Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 FrG begegnet keinen Bedenken. Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer sind jeweils aufgrund des von Anfang an unrechtmäßigen Aufenthaltes und der Tatsache, daß auch der jeweilige Ehepartner (zu Recht) ausgewiesen wurde, nicht stark ausgeprägt. Durch das Vorbringen in den Beschwerden, der jeweilige Beschwerdeführer habe "meinen Lebensmittelpunkt, meine Beziehungen und Freunde hier", gelingt es schon deshalb nicht, ein größeres Gewicht der privaten und familiären Interessen darzutun, weil es jede Konkretisierung vermissen läßt.
Demgegenüber haben die Beschwerdeführer durch ihren jeweils zur Gänze illegalen Aufenthalt das öffentliche Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 19 des Fremdengesetzes aus 1992, welche auf die Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 übertragbar ist, etwa das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 96/18/0582), gravierend beeinträchtigt. Entgegen der in den beiden Beschwerden vertretenen Ansicht kann die durch den rechtswidrigen Aufenthalt - welcher Voraussetzung für die Erlassung der Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG ist - bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung auch bei der Abwägung gemäß § 37 Abs. 1 FrG zu Lasten des Fremden berücksichtigt werden. Die Ansicht der belangten Behörde, daß die Ausweisung jeweils im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Nach dem Gesagten läßt bereits der Inhalt der jeweiligen Beschwerde erkennen, daß die jeweils behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG jeweils ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen waren.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den jeweiligen Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 17. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998180248.X00Im RIS seit
20.11.2000