Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. G*****, 2. J*****, 3. H*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Christian Adam, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Antragsgegner I*****, vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 8 Abs 2 und 3 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 5 MRG, infolge des „außerordentlichen Revisionsrekures“ des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 4. September 2019, GZ 22 R 230/19f, 231/19b-23 , den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gab dem Antrag der Antragsteller statt, den Antragsgegner zu verpflichten, das Betreten seines Mietgegenstands durch die Vermieter oder die von diesen beauftragten Personen zur Durchführung von Arbeiten zur Sanierung der Wasser- und Abwasserleitungen im Bereich des im Zimmer 2 befindlichen Waschbeckens sowie der in diesem Bereich befindlichen Mauer und des in diesem Bereich befindlichen Bodens zu dulden.
Nachdem das Erstgericht den innerhalb der Rekursfrist eingebrachten Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang abgewiesen hatte (Beschluss vom 31. 5. 2019, ON 15), trug es ihm mit Beschluss vom 8. 7. 2019 (ON 17) die Verbesserung seines schriftlich eingebrachten Rekurses auf.
Den vom Antragsgegner fristgerecht verbesserten Rekurs (ON 18) wies das Rekursgericht mit Entscheidung vom 4. 9. 2019, GZ 22 R 230/19f, 231/19b-23, in Bezug auf die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als verspätet zurück. Dem Rekurs gegen den Sachbeschluss des Erstgerichts gab es nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Rekursentscheidung wurde dem Antragsgegner am 16. 9. 2019 zugestellt.
Am 25. 9. 2019 (ON 25) überreichte der Antragsgegner einen von ihm selbst verfassten Schriftsatz beim Erstgericht. Er beantragte dort Verfahrenshilfe im vollen Umfang, weil er kein Anwalt sei. Er habe den Beweis vom gerichtlichen Sachverständigen gefordert, dass im (als Ersatzobjekt vorgesehenen) Zimmer 4 im 1. Stock das elektrische System in Ordnung sei, diesen Beweis habe er nicht bekommen, weshalb große Gefahr in Verzug bestehe. Den Rest möge der Anwalt schreiben. Außerdem legte er ein vollständig ausgefülltes Vermögensbekenntnis vor.
Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 26. 9. 2019 (ON 26) den neuerlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang ab und trug dem Antragsgegner gleichzeitig auf, seinen Revisionsrekurs binnen 14 Tagen durch Beibringung einer Unterschrift eines Rechtsanwalts, Notars oder Interessenvertreters zu verbessern, widrigenfalls er als unzulässig zurückgewiesen werde. Die weitere Rechtsverteidigung sei offenkundig aussichtslos. Die Entscheidung enthält den Hinweis, dass es dem Antragsgegner frei stehe, den Beschluss mit einem frei gewählten Rechtsanwalt zu bekämpfen. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner am 2. 10. 2019 zugestellt.
Am 15. 10. 2019 (ON 28) brachte der nur für diese Eingabe bevollmächtigte Rechtsfreund des Antragsgegners einerseits Rekurs gegen die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags des Antragsgegners ein und erklärte andererseits entsprechend dem Gerichtsauftrag die handschriftliche Eingabe des Antragsgegners vom 25. 9. 2019, die als Rekurs bzw Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zu interpretieren sei, durch Beibringung der anwaltlichen Fertigung zu verbessern, wobei er ausdrücklich anmerkte, dass diese Unterfertigung und Vorlage ausschließlich zur Erfüllung des gerichtlichen Auftrags erfolge.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners gegen die Abweisung seines Verfahrenshilfeantrags mit Beschluss vom 6. 11. 2019, GZ 23 R 306/19g-32, nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Da der Antragsgegner den von ihm beabsichtigten außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den Sachbeschluss nur mit – nach dem festgestellten, vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Sachverhalt tatsächlich nicht gegebenen – sicherheitstechnischen Bedenken wegen der Gefährlichkeit der Elektroinstallationen im Ersatzobjekt begründe, erweise sich die beabsichtigte Rechtsverteidigung als offenbar aussichtslos. Eine Zustellung dieser Rekursentscheidung an die Parteien erfolgte nach der Aktenlage nicht, vielmehr verfügte der Erstrichter die Vorlage der Eingabe vom 15. 10. 2019 als außerordentlicher Revisionsrekurs direkt an den Obersten Gerichtshof.
Rechtliche Beurteilung
Die Aktenvorlage erfolgte verfrüht.
1. Gemäß § 7 Abs 1 AußStrG sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Verfahrenshilfe sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 7 Abs 2 AußStrG beginnt für die Partei, die innerhalb einer verfahrensrechtlichen Notfrist oder einer für eine solche eingeräumten Verbesserungsfrist die Beigebung eines Rechtsanwalts im Weg der Verfahrenshilfe beantragt, die Frist mit der Zustellung des Bescheids über die Bestellung des Rechtsanwalts und wenn ein Schriftstück fristauslösend war, mit Zustellung auch dieses an den bestellten Rechtsanwalt neu zu laufen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts abgewiesen, so beginnt die Frist mit dem Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses. Aufgrund der angeordneten sinngemäßen Anwendbarkeit der Bestimmungen der ZPO über die Verfahrenshilfe kann auch auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden (1 Ob 92/09z). Diese legt § 464 Abs 3 zweiter Satz ZPO iVm § 505 Abs 2 ZPO im Streitverfahren dahin aus, dass die vierwöchige Revisionsfrist am Tag nach Eintritt der Rechtskraft des den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Beigebung eines Rechtsanwalts abweisenden Beschlusses neuerlich zu laufen beginnt; die Frist endet mit dem Tag, der seiner Bezeichnung nach dem Tag des fristauslösenden Ereignisses entspricht (RIS-Justiz RS0117835). Allerdings unterbricht nur ein inhaltlich zu erledigender Verfahrenshilfeantrag, nicht ein prozessual unzulässiger Antrag den Fristenlauf. Ein Verfahrenshilfeantrag, der nach Abweisung eines früheren derartigen Antrags gestellt wird, ist dann nicht zulässig, wenn der Antragsteller lediglich eine von der Vorentscheidung abweichende Neubeurteilung eines unveränderten Sachverhalts anstrebt (RS0041632 [T6]). Als fristauslösend wird die Zustellung des Bestellungsbeschlusses bzw des Beschlusses über die Abweisung der Verfahrenshilfe gewertet (vgl RS0041632 [T2]; RS0117835 [T7, T8]). Durch die Schutzbestimmungen des § 464 Abs 3 ZPO soll die Partei vor denjenigen Nachteilen bewahrt werden, die sich für sie im Anwaltsprozess dadurch ergeben können, dass im Berufungsverfahren die Vertretung durch Rechtsanwälte geboten ist. Diese Nachteile drohen aber der Partei nicht nur dann, wenn sie bisher noch nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, sondern – selbst im Anwaltsprozess – auch dann, wenn das Vertretungsverhältnis mit ihrem bisherigen Rechtsvertreter durch Kündigung oder Widerruf vor der Urteilszustellung erloschen ist; das Gleiche muss auch dann gelten, wenn der frei gewählte Rechtsanwalt die Vollmacht erst während des Laufs der Rechtsmittelfrist gekündigt hat (RS0041652).
2. Nach dem Gesetzeswortlaut setzt die Unterbrechung der Rechtsmittelfrist daher die rechtzeitige Antragstellung auf Beigebung eines Verfahrenshelfers sowie die meritorische Erledigung des Verfahrenshilfeantrags voraus (1 Ob 92/09z). Selbst wenn die Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung verweigert werden sollte, tritt die Unterbrechungswirkung ein, ohne dass diese etwa unter Hinweis auf den Missbrauch des Instituts der Verfahrenshilfe verweigert werden könnte (M. Bydlinski in Fasching/Konecny II/13 § 73 ZPO Rz 5). Demgemäß wird judiziert, dass die Unterbrechungswirkung des § 7 Abs 2 AußStrG auch dann eintritt, wenn die Partei zwar ursprünglich innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist die Beigebung eines Verfahrenshilfeanwalts beantragt, in der Folge aber ein nicht der Anwaltspflicht unterliegendes Rechtsmittel selbst verfasst und einbringt (1 Ob 92/09z). Auch die Einbringung einer Berufung durch einen frei gewählten Vertreter beseitigt eine bereits eingetretene Unterbrechungswirkung nicht (1 Ob 92/09z unter Hinweis auf RZ 1996/13). Diesen Grundsätzen ist auch für das Außerstreitverfahren zu folgen.
3. Hier hat der Antragsgegner fristgerecht nach Zustellung der rekursgerichtlichen Sachentscheidung einen Verfahrenshilfeantrag im vollen Umfang gestellt, um diese mit außerordentlichem Revisionsrekurs zu bekämpfen. Er hat in dem von ihm selbst verfassten Schreiben zwar laienhaft dargetan, aus welchen Gründen er das Rechtsmittel erheben will, die nähere Ausführung möge aber der zu bestellende Verfahrenshelfer vornehmen. Nach dem Inhalt dieses Schreibens ist nicht daran zu zweifeln, dass der Antragsgegner damit noch nicht das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof ausführen wollte (vgl 3 Ob 125/03h). Damit unterbrach dieser Antrag auf Verfahrenshilfe nach § 7 Abs 2 AußStrG die Frist für die Einbringung des außerordentlichen Revisionsrekurses. Der Umstand alleine, dass der Antragsgegner bereits zuvor einen Verfahrenshilfeantrag gestellt hatte, der abgewiesen wurde, ändert nichts an der Unterbrechungswirkung, zumal bei der Beurteilung der Aussichtslosigkeit der weiteren Rechtsverteidigung die Entscheidung des Rekursgerichts zu beurteilen war. Sowohl das Erst- als auch das Rekursgericht behandelten den zuletzt gestellten Verfahrenshilfeantrag des Antragsgegners folgerichtig inhaltlich und erachteten ihn als unberechtigt (und nicht etwa unzulässig). Die Rechtskraft des Abweisungsbeschlusses setzt aber dessen Zustellung an die Parteien voraus, die bislang nicht erfolgte und vom Erstgericht nachzuholen sein wird. Erst mit dieser Zustellung wird die unterbrochene vierwöchige Revisionsrekursfrist zu laufen beginnen.
4. Zu prüfen bleibt die Auswirkung der anwaltlichen Unterfertigung des vom Antragsgegner persönlich verfassten Verfahrenshilfeantrags zur Erhebung des außerordentlichen Revisionsrekurses durch seinen nur für diese Eingabe bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter. Dass damit bereits vor Entscheidung über die begehrte Verfahrenshilfe ein weder Form- noch Inhaltserfordernissen eines außerordentlichen Revisionsrekurses entsprechendes Rechtsmittel eingebracht werden hätte sollen, ist aus der Anbringung einer Anwaltsstampiglie auf dem vom Antragsgegner selbst verfassten Schreiben nicht abzuleiten; auch dass der Antragsgegnervertreter im Verbesserungsschriftsatz auf die Wertung dieses Schreibens als Revisionsrekurs Bezug nahm, reicht noch nicht aus, um von einer Konsumation des Rechtsmittelrechts durch diesen Verbesserungsschriftsatz ausgehen zu können, zumal er darin ausdrücklich darauf hinwies, dass die anwaltliche Fertigung nur der Erfüllung des – die Unterbrechungswirkung des Verfahrenshilfeantrags offenbar nicht bedenkenden – Verbesserungsauftrags des Erstgerichts dienen sollte.
5. Damit war der Akt an das Erstgericht zurückzustellen, das zunächst die Zustellung der Rekursentscheidung vom 6. 11. 2019, ON 32, an die Parteien zu veranlassen haben wird. Da weder das Schreiben des Antragsgegners persönlich vom 25. 9. 2019 noch das gleichlautende, mit dem Stempel seines Rechtsfreundes versehene Schreiben vom 15. 10. 2019 als außerordentlicher Revisionsrekurs angesehen werden können, wird eine (neuerliche) Vorlage an den Obersten Gerichtshof nur dann zu erfolgen haben, wenn der Antragsgegner nach Eintritt der Rechtskraft des die Verfahrenshilfe abweisenden Beschlusses einen durch einen selbstgewählten Anwalt, Notar oder Interessensvertreter verfassten außerordentlichen Revisionsrekurs einbringt.
Textnummer
E127033European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00200.19A.1127.000Im RIS seit
16.01.2020Zuletzt aktualisiert am
16.01.2020