Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schrott als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael H***** wegen des Vergehens der Entwendung nach §§ 15, 141 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 2. April 2019, GZ 3 U 19/19x-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur Generalanwältin Mag. Gföller, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 2. April 2019, GZ 3 U 19/19x-8, verletzt
1./ in seinem Strafausspruch § 141 Abs 1 StGB;
2./ durch die Verweisung der „Privatbeteiligten“ B***** Be***** GmbH auf den Zivilrechtsweg § 366 Abs 2 StPO iVm § 67 Abs 4 Z 1 StPO.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Kufstein verwiesen.
Text
Gründe:
Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, gekürzt ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 2. April 2019, GZ 3 U 19/19x-8, wurde Michael H***** des Vergehens der Entwendung nach §§ 15, 141 StGB schuldig erkannt und hiefür „nach § 141 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen (im Uneinbringlichkeitsfall 35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe)“ verurteilt.
Danach hat er am 1. Dezember 2018 in W*****, „indem er sich, weil er großen Hunger verspürte, jedoch über keine finanziellen Mittel verfügte, um sich etwas zu essen zu kaufen, beim Geschäft I***** Feinkostartikel im Wert von 5,11 Euro zubereiten ließ und mit diesen das Geschäft ohne Bezahlung verlassen wollte, aus Not eine Sache geringen Wertes Verfügungsberechtigten der Fa. I***** zu entziehen und sich zuzueignen versucht“.
Unter einem wurde die „Privatbeteiligte“ B***** Be***** GmbH mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht das erwähnte Urteil in zweifacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
1./ Das Vergehen der Entwendung nach § 141 Abs 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Monat oder mit Geldstrafe bis zu 60 Tagessätzen bedroht.
Indem das Bezirksgericht Kufstein über Michael H***** eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen verhängte, ging es über die gesetzliche Obergrenze des Strafrahmens hinaus.
2./ § 69 Abs 1 StPO regelt zwar, welche Arten von (aus der Tat abgeleiteten) zivilrechtlichen Ansprüchen ein Privatbeteiligter im Strafverfahren geltend machen kann; Voraussetzung für die Privatbeteiligung selbst bleibt aber stets, dass die betreffende Person durch „eine“ (vgl § 65 Z 1 lit c StPO), nämlich „die“ (§ 67 Abs 1 erster Satz StPO) den Gegenstand des Verfahrens bildende Straftat einen Schaden oder eine Beeinträchtigung in ihren strafrechtlich geschützten Rechtsgütern erlitten haben könnte, dessen Ersatz oder für die Entschädigung begehrt wird. Privatbeteiligter kann somit nur sein, wer Opfer der Straftat im Sinne des § 65 Z 1 StPO ist, nicht aber dessen aus einem zivilrechtlichen Rechtsgeschäft berechtigter Zessionar (vgl RIS-Justiz RS0130256, RS0096887; Spenling, WK-StPO Vor §§ 366–379 Rz 25, 31 mwN).
Gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO ist die Erklärung, sich als Privatbeteiligter dem Strafverfahren anzuschließen (§ 67 Abs 2 StPO), unter anderem dann zurückzuweisen, wenn sie offensichtlich unberechtigt ist, also in Fällen, in denen evident ist, dass die Privatbeteiligung selbst bei Zutreffen des zugrunde liegenden Tatvorwurfs zu keinem Zuspruch im Adhäsionsverfahren führen könnte (vgl 11 Os 2/15a mwN). Aus § 67 Abs 5 StPO kann eine – im Interesse der Prozessökonomie und der Vermeidung unnötiger Kosten bestehende – Verpflichtung zu möglichst frühzeitiger Zurückweisung unzulässiger Privatbeteiligtenanschlüsse abgeleitet werden (vgl 14 Os 97/14t).
Aus den (angesichts der Ausfertigung in gekürzter Form durch das Erkenntnis [§§ 260 Abs 1 Z 1, 270 Abs 4 Z 2 StPO] ersetzten) Entscheidungsgründen des Urteils des Bezirksgerichts Kufstein geht aber – entgegen der in der Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht – gerade nicht hervor, dass der B***** Be***** GmbH Schäden durch diese Tat entstanden sein könnten. Vielmehr ist sie nach der – anhand der Aktenlage eindeutig auszumachenden (vgl Ratz, WK-StPO § 292 Rz 6) – Entscheidungsbasis bloß rechtsgeschäftliche Zessionarin der Geschädigten I***** Gesellschaft mbH (ON 2 S 19, ON 4). Der dennoch erfolgte Ausspruch über die von der „Privatbeteiligten“ B***** Be***** GmbH im Strafverfahren geltend gemachten privatrechtlichen Ansprüche (anstatt deren Zurückweisung spätestens im Urteil; vgl 15 Os 91/13s [15 Os 92/13p, 15 Os 93/13k]) widersprach daher § 366 Abs 2 StPO iVm § 67 Abs 4 Z 1 StPO.
Da sich die zu 1./ aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten Michael H***** auswirkt, war deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
Textnummer
E127057European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00123.19F.1204.000Im RIS seit
17.01.2020Zuletzt aktualisiert am
17.01.2020