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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des NH in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Oktober 1997, Zl. SD 1161/97, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. Oktober 1997 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei.
Nach Wiedergabe einschlägiger Bestimmungen des Fremdengesetzes und unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 54 iVm § 37 Abs. 1 und 2 FrG führte die belangte Behörde aus, daß gegen den Beschwerdeführer auf Grund dessen Verurteilung wegen Einbruchsdiebstahles ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei und er seinen im Rahmen dieses Verfahrens gestellten Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien damit begründet habe, daß er auf Schutz angewiesen sei, der in seiner Heimat nicht gewährleistet sei. Am 7. Juni 1996 habe sich der Beschwerdeführer von seiner Wiener Adresse nach Bosnien abgemeldet, und er sei nunmehr wieder an dieser Adresse gemeldet. In der Berufung habe er geltend gemacht, daß er als moslemischer Staatsbürger in die serbisch kontrollierte Teilrepublik Srpska zurückkehren müßte, was faktisch nicht möglich sei. Damit übersehe der Beschwerdeführer, daß eine Gefährdungssituation im Sinn des § 37 FrG nur dann anzunehmen sei, wenn sie sich auf das gesamte Gebiet des Heimatstaates des Fremden erstrecke. Das Refoulement-Verbot schütze nur davor, in einen Staat bzw. ein Gebiet abgeschoben zu werden, wo der Fremde bedroht sei, bedeute also etwa nicht den Schutz vor Abschiebung in einen anderen Staat als den Heimatstaat. Aus diesem Grund sei auch eine Abschiebung in den Heimatstaat zulässig, wenn der Fremde dort, wohin er abgeschoben werde, im Sinn der obigen Ausführungen nicht bedroht sei. Selbst bei völliger staatlicher Loslösung der Republik Srpska wäre eine Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina zulässig. Problematisch wäre es nur, wenn der Beschwerdeführer durch die Abschiebung unmittelbar in das Gebiet der Republik Srpska gelangte. Es erübrige sich daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer dort gefährdet wäre.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorweg ist festzuhalten, daß in der Beschwerde zwar begehrt wird (§ 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG), den Bescheid zur Gänze, damit hinsichtlich aller drei im Spruch genannten Staaten aufzuheben, die von der Beschwerde angeführten Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG) sich jedoch ausschließlich auf den Staat Bosnien-Herzegowina beziehen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nur gehalten, sich mit dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich dieses Staates auseinanderzusetzen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 97/18/0144).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffenden, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0146, mwH). Ebenso ist nach der ständigen hg. Rechtsprechung für die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung erforderlich, daß sich die Gefährdung und/oder Bedrohung auf das gesamte Gebiet des vom Antrag umfaßten Staates bezieht (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0023, und vom 13. November 1997, Zl. 96/18/0581, mwH).
3.1. Der Beschwerdeführer rügt, daß die Verwaltungsbehörden sein Vorbringen, daß er in Bosnien-Herzegowina gefährdet wäre, weder gewürdigt noch beurteilt und sie auch keine Feststellungen getroffen hätten, warum eine Abschiebung dorthin zulässig sei. Auch sei der Hinweis der belangten Behörde, daß eine Abschiebung in das gesamte restliche Gebiet von Bosnien-Herzegowina möglich sei, falsch, weil moslemische Staatsbürger nicht nur in das Gebiet der Teilrepublik Srpska, sondern auch in die kroatisch kontrollierten Gebiete nicht einreisen dürften. Mangels einer diesbezüglichen Feststellung werde dies als Verfahrensmangel und als Verstoß gegen Art. 3 MRK gerügt.
3.2. Dem Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine konkreten Umstände vorgebracht hat, aus denen sich die Befürchtung rechtfertigen ließe, daß er im gesamten Staatsgebiet von Bosnien-Herzegowina im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG gefährdet oder bedroht sei. Vielmehr hat er nur eine Gefährdung und Bedrohung in der Teilrepublik Srpska (serbischen Republik) bzw. in dem der serbischen Republik angehörenden Teil von Brcko, nicht jedoch auch eine solche im Restgebiet von Bosnien-Herzegowina behauptet. Sein erstmals in der Beschwerde erstattetes Vorbringen, daß er auch nicht in die kroatisch kontrollierten Gebiete zurückkehren könnte, stellt daher eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Abgesehen davon wird auch in der Beschwerde nicht behauptet, daß der Beschwerdeführer nicht in die von muslimischen Bosniern dominierten Teile des Staates Bosnien-Herzegowina zurückkehren könnte.
Der Ansicht der belangten Behörde, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdungssituation im gesamten Gebiet von Bosnien-Herzegowina bestünden, kann daher nicht entgegengetreten werden. Im Hinblick auf die oben dargelegte Rechtsprechung, wonach sich die Gefährdung/Bedrohung auf das gesamte Gebiet des vom Antrag umfaßten Staates beziehen muß, ist somit der genannten Feststellungsrüge der Boden entzogen und kann ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK nicht erkannt werden.
4. Ebensowenig ist das weitere Beschwerdevorbringen, daß sich die Teilrepublik Srpska bereits de facto vom Restgebiet von Bosnien-Herzegowina abgetrennt habe, zielführend, weil die Republik Bosnien-Herzegowina - wenn auch deren Teilgebieten, nämlich der serbischen Republik und der bosniakisch-kroatischen Föderation eine gewisse Autonomie zukommt - diese Gebiete staats- und völkerrechtlich zu einem Staat vereint (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 96/18/0581, und der Fischer Weltalmanach 1998, 116 ff).
5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997180593.X00Im RIS seit
20.11.2000