TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/3 W255 1421043-3

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Veröffentlicht am 03.10.2019
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Entscheidungsdatum

03.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
AVG §57 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs5

Spruch

W255 1421043-3/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. German BERTSCH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. 13-810844909/180191200, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde betreffend die Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VIII. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Dauer des gegen

XXXX erlassenen Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm. § 53 Abs. 3 Z 1 FPG auf acht Jahre erhöht wird.

III. Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat: "Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 06.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahme Stelle Ost, vom 12.08.2011, Zl. 11 08.449-EAST OST, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Der BF wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

1.3. Gegen den unter Punkt 1.2. genannten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

1.4. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.08.2012, Zl. C9 421043-1/2011/9E, wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). In Erledigung der Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen (Spruchpunkt II).

1.5. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 22.10.2012, Zl. 11 08.449-BAI, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt II.).

1.6. Gegen den unter Punkt 1.5. genannten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Der Beschwerde legte er eine ärztliche Bestätigung über seinen Gesundheitszustand bei, laut der der BF an chronischem Kopfschmerz in Kombination mit einem temporomandibulärem Syndrom bds. leide sowie ein rezidiv. gastritischer Reizzustand, eine mitgeteilte Stauballergie sowie der Verdacht auf Morbus Scheuermann, Depressio, bestehe.

1.7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.03.2015, GZ W172 1421043-1/8E, wurde der unter Punkt 1.6. genannten Beschwerde stattgegeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

1.8. Der BF beantragte am 23.02.2016 die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 08.03.2016, Zl. 810844909-1384486/BMI-BFA_TIROL_RD, stattgegeben und dem BF eine bis zum 19.03.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

1.9. Mit Schreiben des BFA vom 23.02.2018 wurde der BF darüber informiert, dass ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gegen ihn eingeleitet wurde.

1.10. Mit Schreiben des BFA vom 31.10.2018 wurde der BF aufgefordert, zur beabsichtigten Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten generell sowie konkret zu 17 an ihn gestellten Fragen Stellung zu nehmen.

1.11. Mit Schreiben vom 21.11.2018 führte der BF aus, dass er in Österreich nicht verheiratet sei und keine Beziehung führe. Er habe keine Kinder. Er habe keine Verwandten in Österreich. Er könne auf Deutsch schreiben und lesen. Er habe bei der Caritas den Deutschkurs 1-4 sowie einen Sprachkompetenzkurs besucht. Darüber habe er aber keine Bestätigungen mehr, da er diese zu dem Zeitpunkt als er nach England zurückgekehrt sei, verloren habe. Diese Kurse habe er vor ungefähr fünf Jahren gemacht. Er sei in Österreich bis vor zwei Wochen bei der Leasingfirma XXXX und XXXX beschäftigt gewesen. Er habe immer wieder auf verschiedenen Baustellen gearbeitet. Insgesamt sei er seit ca. 2,5 bis 3 Jahren über die Leasingfirma beschäftigt gewesen. Der BF besuche weder eine Schule noch eine Universität in Österreich. Er sei nicht Mitglied in einem Verein. Er habe viele Freunde in Österreich, mit denen er Zeit gemeinsam verbringen, etwas trinke und Musik höre. Der BF sei 2011 illegal in Österreich eingereist. Er sei dann zwei Jahre in Österreich gewesen und habe eine weiße Asylkarte bekommen. Im Jahr 2013 sei er nach England zurückgefahren. Im Jahr 2014 sei er wieder nach Österreich gekommen. Der BF sei in Österreich von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt worden. Er sei gerne in Österreich. In Afghanistan habe man kein Leben, sei auf sich allein gestellt und sterbe. Der BF habe keine Familie mehr in Afghanistan. Seine Tante habe ihm gesagt, dass sein Vater 2015 gestorben sei. Er habe sonst nur seine Tante gehabt, wisse aber nicht, wo diese derzeit wohne. Der Kontakt habe 2015 aufgehört. Der BF könne ohne Unterstützung bzw. Familie in Afghanistan nicht leben. Er glaube, dass seine Stiefmutter und ihr Bruder am Tod seines Vaters schuld wären. Der Bruder seiner Stiefmutter sei sehr gefährlich. Der BF schätze es, in Österreich leben zu dürfen. Er wolle sich hier ein Leben aufbauen und keinesfalls von Sozialleistungen leben, sondern sein Leben durch seine eigene Arbeitstätigkeit finanzieren. Er habe zwar bereits einige Verurteilungen im Strafregister aufzuweisen, jedoch handle es sich bei diesen laut BF "ausschließlich lediglich um Vergehen. [...] vorwiegend bloß um leichte Körperverletzungen und kleinere Vermögensdelikte. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller [BF] eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt." Der BF könne bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht alleine überleben.

1.12. Am 17.01.2019 wurde der BF vor dem BFA, Regionaldirektion Tirol, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er derzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehe. Er sei gesund und es gehe ihm gut. Er nehme keine Medikamente ein. Im Jahr 2015 sei sein Vater verstorben. Seither habe er keinen Kontakt mehr und wisse nicht, wie die Situation in Afghanistan sei. Der BF habe damals mit seiner Tante gesprochen, diese habe aber den Kontakt mit ihm abgebrochen.

Der BF sei in Pakistan bei der Familie seiner Tante väterlicherseits aufgewachsen, habe dort sechs Jahre die Grundschule besucht und beim Ehemann seiner Tante in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet.

Der BF spreche Englisch, Urdu, Hindi, Farsi, Dari und Deutsch. In Afghanistan habe er niemanden mehr. Es gebe dort keine Sicherheit. In Österreich habe er am meisten mit Österreichern, Türken und einer afghanischen Familie Kontakt. Es sei richtig, dass der BF in Österreich "kleine, kleine Fehler gemacht [habe]. Die Polizei sagte, dass ich ein guter Mann bin, das hat auch der Richter gesagt." Auf nochmaligen Vorhalt seiner Verurteilungen sagte der BF, dass seine Fehler alles kleine Fehler gewesen seien und er nicht wisse, wann er zuletzt angezeigt worden sei.

1.13. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Tirol, vom 04.02.2019, Zl. 13-810844909/180191200, wurde der dem BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.03.2015, GZ W172 1421043-1/8E, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und dem BF die mit Bescheid des BFA vom 08.03.2016, Zl. 810844909-1384486, erteilte befristete Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II). Dem BF wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise des BF wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG 2005 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII). Der Antrag des BF vom 19.02.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde abgewiesen (Spruchpunkt VIII).

1.14. Gegen den unter Punkt 1.13. genannten Bescheid des BFA richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde vom 07.03.2019.

1.15. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 11.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.16. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Tirol, vom 06.05.2019, Zl. 13-810844909/180191200, wurde die mit Bescheid des BFA vom 04.02.2019, Zl. 13-810844909/180191200, eingeräumte Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen gemäß § 55 Abs. 5 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG widerrufen. Dieser Bescheid wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des BF am 07.05.2019 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

1.17. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2019 wurden der BF und das BFA aufgefordert, im Rahmen des Parteiengehörs,

* zu den bereits im Parteiengehör unterzogenen Beweisergebnissen,

* zu den gegen den BF ergangenen Verurteilungen des BG XXXX 10 U 41/2015h,10 U 52/2016b, 10 U 13/2016t, 10 U 172018f, 10 U 84/2018m, des BG XXXX 6 U 99/2017 (bestätigt durch LG XXXX zu 25 BI 68/17i), sowie des LG XXXX 52 Hv 54/2014h, 17 Hv 71/2018g und 26 Hv 8/2019k,

* zu den UNHCR Richtlinien zu Afghanistan vom 30.08.2018,

* zu näher genannten EASO Berichten sowie den EASO Country Guidance Notes zu Afghanistan,

* zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA (Gesamtaktualisierung 29.06.2018, zuletzt aktualisiert durch Kurzinformation vom 04.06.2019),

* zum Afghanistan Expertengespräch mit Thomas Ruttig und Michael Daxner vom Juni 2019 und

* zur ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017

binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

1.18. Mit Schreiben vom 18.06.2019 nahm das BFA umfassend zu den vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Dokumenten Stellung und beantragte die Abweisung der Beschwerde sowie die Erhöhung des seitens des BFA erlassenen Einreisverbotes um zwei weitere Jahre auf die Dauer von insgesamt achten Jahren.

Seitens des BF erfolgte keine Reaktion auf das ihm gewährte Parteiengehör.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz des BF vom 06.08.2011, dem gegenständlich erhobenen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, der Erstbefragung und der Einvernahmen des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des (vormaligen) Bundesasylamtes und des (nunmehr zuständigen) BFA, insbesondere der Einvernahme des BF vom 17.01.2019, seiner schriftlichen Stellungnahme vom 21.11.2018, der Bescheide des Bundesasylamtes und des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Länderberichte zu Afghanistan sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister, die näher genannten Urteile des BG XXXX , des BG XXXX und des Landesgerichts XXXX sowie das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er wurde im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX , Afghanistan, geboren.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Paschto. Der BF spricht neben Paschto auch Dari, Urdu, Hindi und Englisch.

2.1.3. Der BF verbrachte seine ersten acht bis zehn Lebensjahre in seinem Heimatdorf in Afghanistan. Im Jahr 2000 verstarb seine Mutter eines natürlichen Todes. Nach dem Tod seiner Mutter übersiedelte der BF zu seiner Tante nach XXXX , XXXX , Pakistan und wuchs dort im Kreis der Familie der Tante väterlicherseits (Tante, deren Ehegatte, deren zwei Söhne und deren zwei Töchter) auf. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Tante.

2.1.4. Der BF besuchte sechs Jahre die Schule in Pakistan und arbeitete über viele Jahre im Lebensmittelgeschäft des Ehegatten seiner Tante väterlicherseits in Pakistan.

2.1.5. Der Vater des BF heiratete ein zweites Mal, blieb vorübergehend mit der Stiefmutter des BF in Afghanistan und übersiedelte ca. Anfang 2011 gemeinsam mit der Stiefmutter und drei Stiefschwestern des BF nach Pakistan. Der BF hatte seit Anfang 2011 keinen Kontakt mehr mit seinem Vater. Es kann nicht festgestellt werden, ob und gegebenenfalls wo der Vater des BF lebt.

2.1.6. Die Familie der Tante väterlicherseits des BF geht einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach und wäre in der Lage, den BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen. Die Familie der Tante väterlicherseits des BF hat diesen bereits zwischen 2000 und 2011 bei sich wohnen lassen und während dieser Zeit für den Lebensunterhalt des BF gesorgt.

2.1.7. Der BF ist ledig, gesund, arbeitsfähig und im erwerbsfähigen Alter.

2.1.8. Der BF verließ Pakistan im Jahr 2011 und reiste nach Österreich, wo er am 06.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2.1.9. Im November 2013 verließ der BF während seines anhängigen Asylverfahrens Österreich und hielt sich ca. ein halbes Jahr in Großbritannien auf, ehe er im Juli 2014 nach Österreich zurückkehrte. In Großbritannien arbeitete der BF auf Baustellen.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF hat in Österreich Deutschkurse auf A1-Niveau besucht. Der BF hat in Österreich noch nie einen Deutschkurs auf einem höheren Niveau besucht. Er hat in Österreich noch nie eine Deutschprüfung bestanden.

2.2.2. Der BF war seit seiner Einreise in Österreich am 06.08.2011 zu folgenden Zeiten erwerbstätig:

* 13.07.2015 - 21.09.2015 als Arbeiter für die XXXX

* 09.12.2015 - 23.12.2015 als Arbeiter für die XXXX

* 03.05.2016 - 04.05.2016 als Arbeiter für die XXXX

* 09.05.2016 - 09.05.2016 als Arbeiter für die XXXX

* 04.07.2016 - 19.08.2016 als Arbeiter für die XXXX

* 18.09.2017 - 18.09.2017 als Arbeiter für die XXXX

* 25.04.2017 - 31.07.2017 als Arbeiter für die XXXX

* 18.06.2018 - 06.07.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 12.09.2018 - 21.09.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 29.10.2018 - 05.11.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 31.07.2018 - 06.09.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 26.09.2018 - 28.09.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 05.10.2018 - 10.10.2018 als Arbeiter für die XXXX

* 01.03.2019 - 06.03.2019 als Arbeiter für die XXXX

Der BF wurde bei diesen Tätigkeiten, die sich zusammengezählt über elf Monate erstreckt haben, insbesondere im Baugewerbe eingesetzt.

2.2.3. Von 06.02.2018 - 19.02.2018, 21.02.2018 - 22.02.2018, 24.02.2018 - 26.02.2018 und 02.03.2018 - 04.03.2018 bezog der BF Arbeitslosengeld.

2.2.4. Der BF verfügt über keine Verwandten in Österreich. Er verfügt über keinen engen Freundeskreis. Er ist nicht Mitglied in einem Verein. Er hat sich seit seiner Ankunft in Österreich noch nie ehrenamtlich engagiert. Er verfügt nicht über den eigenen Lebensbedarf deckende finanzielle Mittel. Er hat keine nennenswerten sozialen Bindungen in Österreich.

2.2.5. Der BF wurde mit Urteil des BG XXXX , vom 24.06.2015, Zl. 10 U 41/2015h, rechtskräftig wegen §§ 83 und 127 StGB, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einer Woche verurteilt. Dem Urteil lag zugrunde, dass der BF einem anderen Asylwerber mehrere Schläge in das Gesicht verpasste und am rechten Augen verletzte sowie aus einem PKW einer Pizzeria ca. 7 Stück Kaugummi stahl.

2.2.6. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX , vom 14.12.2015, Zl. 52 Hv 54/2014h, rechtskräftig wegen §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB, zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je EUR 5,-, im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Dem Urteil lag zugrunde, dass der BF in XXXX Steine auf vier geparkte PKWs warf und einen Schaden von insgesamt EUR 6.208,-

herbeiführte.

2.2.7. Der BF wurde mit Urteil des BG XXXX , vom 22.06.2016, Zl. 10 U 52/2016b, rechtskräftig wegen § 218 Abs. 1 Z 2 StGB, zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je EUR 4,-, im Nichteinbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Diesem Urteil lag zugrunde, dass der eine Mitarbeiterin einer Bäckerei in XXXX dadurch belästigte, dass er vor dem Fenster der Bäckerei onanierte.

2.2.8. Der BF wurde mit Urteil des BG XXXX , vom 28.07.2016, Zl. 10 U 13/2016t, rechtskräftig wegen §§ 83 Abs. 1 und 125 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Dem Urteil lag zugrunde, dass der BF in XXXX in einem Lokal zwei ihm unbekannten Frauen nacheinander mit seinen beiden Händen richtig fest an das Gesäß griff und einer der beiden Frauen, nachdem diese ihm eine Ohrfeige verpasst hatte, zwei kraftvolle Ohrfeigen mit der Handinnenfläche und eine mit der Handaußenfläche verpasste. Durch diese Schläge stürzte die Frau und wurde verletzt. Der BF wurde aus dem Lokal verwiesen. Vor dem Lokal versuchte der BF, auf den Begleiter einer der beiden betroffenen Frauen einzuschlagen und wurde von der Polizei in ein Dienstfahrzeug verbracht. Auf der Rückbank des Dienstfahrzeuges trat der BF mit den Füßen gegen die innere Beifahrertüre, schlug mit dem Kopf gegen die hintere Fahrertüre und spuckte in das Fahrzeuginnere. Dadurch beschädigte er das Dienstfahrzeug, dessen hintere Türe sich nicht mehr ordnungsgemäß schließen ließ. Der BF blieb der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht XXXX fern, weshalb ein Abwesenheitsurteil erging.

2.2.9. Der BF wurde mit Urteil des BG XXXX , vom 19.05.2017, Zl. 6 U 99/2017v, rechtskräftig wegen § 125 StGB, zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je EUR 18,-, im Nichteinbringungsfall 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Dieses Urteil wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 15.11.2017, Zl. 25 Bl 68/17i, bestätigt. Diesem Urteil lag zugrunde, dass der BF in einer Flüchtlingsunterkunft gegen die versperrte Zimmertüre des Zimmers eines anderen Bewohners schlug und drückte, wodurch diese Tür beschädigt wurde.

2.2.10. Der BF wurde mit Urteil des BG XXXX , vom 16.02.2018, Zl. 10 U 1/2018f, rechtskräftig wegen §§ 83 Abs. 1 und 125 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Diesem Urteil lag zugrunde, dass der BF einem behinderten Mann mehrere Faustschläge gegen die Schulter und das Gesicht versetzte, wodurch er den Mann verletzte sowie weiters die Brille und das Handy des Mannes beschädigte.

2.2.11. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX , vom 16.10.2018, Zl. 17 Hv 71/2018g, rechtskräftig wegen § 83 Abs. 3 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Dem Urteil lag zugrunde, dass der BF einem ÖBB Security Mitarbeiter während oder wegen der Ausübung seiner Tätigkeit, zweimal mit der Faust ins Gesicht schlug, wodurch dieser eine Prellung der linken Augenhöhe und eine Schwellung unter dem linken Auge erlitt.

2.2.12. Der BF wurde mit Urteil des BG XXXX , vom 18.01.2019, Zl. 10 U 84/2018m, rechtskräftig wegen §§ 83 Abs. 1 und 125 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Diesem Urteil lag zugrunde, dass der BF einem Mann, der dem BF erlaubt hatte, kostenlos bei ihm in der Wohnung zu schlafen, einen Faustschlag verpasste und unter dem linken Auge verletzte. Nach der Auseinandersetzung nahm der BF einen auf der Straße liegenden Ziegelstein und warf ihn gegen die Windschutzscheibe des Autos jenes Mannes, den er zuvor geschlagen hatte.

2.2.13. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX , vom 24.04.2019, Zl. 26 Hv 8/2019k, rechtskräftig wegen §§ 15, 105 Abs. 1 StGB und § 83 Abs. 1 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Diesem Urteil lag zugrunde, dass der BF

1.) einen Mann aufforderte, ihm EUR 50,- zu geben und die Forderung durch einen Fußtritt und zwei Faustschläge gegen diese Person unterstich und dadurch den Mann am Oberschenkel und im Bereich des linken Ohrs verletzte.

2.) einem anderen Mann drohte, diesen noch einmal zu schlagen, sollte dieser seine Anzeige gegen den BF nicht gegen Zahlung eines Geldbetrages zurückziehen.

2.2.14. Zum Entscheidungszeitpunkt befindet sich der BF in Strafhaft in der Justizanstalt XXXX .

2.2.15. Zum Entscheidungszeitpunkt führt die Staatsanwaltschaft XXXX zur Zl. 83 BAZ 937/19v ein Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen des Verdachts, Ende Juli 2019 - während seiner Inhaftierung in der Justizanstalt XXXX - unbekannte Mengen Cannabis erworben, besessen und konsumiert zu haben.

2.3. Zum Verfahrensgang:

2.3.1. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise im österreichischen Bundesgebiet am 06.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.3.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahme Stelle Ost, vom 12.08.2011, Zl. 11 08.449-EAST OST, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Der BF wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

2.3.3. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.08.2012, Zl. C9 421043-1/2011/9E, wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). In Erledigung der Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen (Spruchpunkt II).

2.3.4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 22.10.2012, Zl. 11 08.449-BAI, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt II.). Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

2.3.5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.03.2015, GZ W172 1421043-1/8E, wurde der Beschwerde stattgegeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

Das Bundesverwaltungsgericht traf keine Feststellungen zur Person des BF, sondern verwies ausschließlich auf das Vorbringen des BF aus dessen Erstbefragung und dessen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt bzw. BFA, welches der Entscheidung zugrunde gelegt werde. Folgt man diesem Vorbringen des BF, so sei er BF am XXXX im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX geboren und habe seine ersten acht bis neun Lebensjahre dort verbracht, ehe er zu seiner Tante nach XXXX , XXXX , Pakistan, übersiedelt sei. Der BF habe demnach drei Jahre die Grundschule in Pakistan besucht und sei bis zu seiner Reise nach Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Seine Mutter sei ca. 2000 eines natürlichen Todes verstorben. Sein Vater habe neuerlich geheiratet und die Stiefmutter habe sich gegen den BF gewandt. Ca. Anfang 2011 seien auch der Vater, die Stiefmutter und die Stiefschwestern des BF nach XXXX , XXXX , Pakistan, übersiedelt. Der BF sei in XXXX , XXXX , Pakistan, mit seiner Tante, deren Ehemann, deren zwei Söhnen und zwei Töchtern aufgewachsen. Der BF habe seit ca. Mitte 2012 keinen Kontakt mehr zu seiner Tante und deren Familie, da der Ehegatte der Tante den Kontakt mit dem BF abgelehnt habe.

Weiters berief sich der BF darauf, krank zu sein und legte eine ärztliche Bestätigung vor, laut der der BF an chronischem Kopfschmerz in Kombination mit einem temporomandibulärem Syndrom bds. leide sowie ein rezidiv. gastritischer Reizzustand, eine mitgeteilte Stauballergie sowie der Verdacht auf Morbus Scheuermann, Depressio, bestehe. Laut den Länderfeststellungen, die das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, sei die Behandlung von psychischen Erkrankungen in Afghanistan nicht in ausreichendem Maß gegeben. Für die ländliche Bevölkerung habe sich der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen verschlechtert. Für Personen, welche in Gebieten unter Kontrolle regierungsfeindlicher Gruppierungen leben würden, seien medizinische Einrichtungen schwer zu erreichen.

Schließlich begründete das Bundesverwaltungsgerichts die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zusammengefasst mit der persönlichen Situation des BF, seinem fehlenden bzw. mangelhaften sozialen-familiären Netzwerk und der Sicherheitslage in Afghanistan.

2.3.6. Der BF beantragte am 23.02.2016 die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 08.03.2016, Zl. 810844909-1384486/BMI-BFA_TIROL_RD, stattgegeben und dem BF eine bis zum 19.03.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

2.3.7. Mit Schreiben des BFA vom 23.02.2018 wurde der BF darüber informiert, dass ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gegen ihn eingeleitet wurde.

2.3.8. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Tirol, vom 04.02.2019, Zl. 13-810844909/180191200, wurde der dem BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.03.2015, GZ W172 1421043-1/8E, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und dem BF die mit Bescheid des BFA vom 08.03.2016, Zl. 810844909-1384486, erteilte befristete Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II). Dem BF wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise des BF wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG 2005 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII). Der Antrag des BF vom 19.02.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde abgewiesen (Spruchpunkt VIII).

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA damit, dass die Gründe für die Zuerkennung nicht mehr vorliegen würden. Der BF sei volljährig, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und bekenne sich zum sunnitischen Islam. Der BF sei bereits mehrere Jahre in Pakistan aufhältig gewesen und habe dort eine insgesamt sechsjährige Schulausbildung absolviert. Der BF habe mehrjährige Berufserfahrung als Mitarbeiter in einem Lebensmittelgeschäft seines Onkels in Pakistan und als Mitarbeiter diverser Firmen in Österreich gesammelt. Der BF sei arbeitsfähig und leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Er spreche die Sprache Paschto auf Muttersprachenniveau und verfüge zudem über Kenntnisse der Sprachen Englisch, Urdu, Hindi, Farsi, Dari und Deutsch. Er sei ledig und kinderlos und sei in Österreich gegenüber niemanden unterhaltspflichtig. Dem BF drohe zwar bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX eventuell nach wie vor ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit, nicht aber bei einer Ansiedlung in den Städten Herat und Mazar-e Sharif. Es wäre dem BF zusammengefasst zumutbar, sich in den Städten Herat und Mazar-e Sharif anzusiedeln und zu leben.

Der Entscheidung wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 31.01.2019 zugrunde gelegt.

2.4. Zur Situation des BF in Afghanistan:

2.4.1. Dem BF droht im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

2.4.2. Der BF wäre im Falle der Rückkehr nach Afghanistan und Neuansiedlung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt.

2.4.3. Der BF ist gesund, volljährig, anpassungsfähig, mobil, arbeitsfähig und hat keine Kinder. Er verfügt über sechsjährige Schulbildung und mehrjährige Berufserfahrung (viele Jahre Berufserfahrung in einem Lebensmittelgeschäft in Pakistan, ca. sechsmonatige Berufserfahrung in Großbritannien auf Baustellen und elfmonatige Berufserfahrung in Österreich). Er wurde in der Provinz XXXX in einer afghanischen Familie geboren und wurde durch eine afghanische Familie in einem afghanischen Umfeld erzogen. Der BF wuchs sohin in einem afghanischen Familienverband auf und ist mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und mit einer in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut. Der BF hat ca. neun Jahre in Afghanistan und anschließend bis 2011 in einem afghanischen Familienverband in Pakistan gewohnt. Er spricht Paschto, Dari, Urdu, Hindi und Englisch. Angesichts seiner Sprachkenntnisse, seiner Arbeitsfähigkeit, Schulbildung und Berufserfahrung könnte er sich in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist in der Lage, in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Im Ergebnis ist von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des BF in Afghanistan auszugehen. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF steht mit seiner in Pakistan lebenden Tante väterlicherseits in Kontakt. Die Familie dieser Tante hat den BF bereits zwischen 2000 und 2011 bei sich aufgenommen und seinen Lebensunterhalt finanziert. Der BF könnte im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auch durch seine Tante väterlicherseits unterstützt werden. In einer Gesamtbetrachtung sind Herat und Mazar-e Sharif für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über die jeweiligen Flughäfen gut erreichbare Städte. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif somit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit und er läuft auch nicht Gefahr, im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.4.4. Im Falle der Rückkehr nach Herat oder Mazar-e Sharif läuft der BF auch nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.4.5. Im Falle des BF ist es in einer Gesamtschau zu einer nachhaltigen, maßgeblichen Verbesserung der subjektiven bzw. persönlichen Situation des BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan gekommen.

2.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 04.06.2019:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019). Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019). Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b). Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019). Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019).

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen, welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

2.1. Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afg

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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