Entscheidungsdatum
07.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G311 2223607-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch RA Dr. Peter PHILIPP, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2019, Zahl XXXX:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I). In den übrigen Spruchpunkten II. bis VI. wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG über den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist und einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters wurde über ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und 7 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.
In der Bescheidbegründung wurden folgende Sachverhaltsfeststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer sei nicht österreichischer Staatsangehöriger und somit Fremder. Er sei serbischer Staatsbürger und somit Drittstaatsangehöriger, er sei Staatsangehöriger von Bosnien und somit Drittstaatsangehöriger. Die Identität des Beschwerdeführers stehe fest, er sei im Besitz eines gültigen Reisepasses. Er habe angegeben, als Tourist für 10 Tage nach Österreich gekommen zu sein, ein Freund habe um seine Hilfe gebeten, dem sei er nachgekommen. Er sei am 17.08.2019 von Beamten der LPD XXXX festgenommen worden, nachdem seine illegale Arbeitsaufnahme festgestellt werden habe können. Die Finanzpolizei habe seine illegale Arbeitsaufnahme belegen können, er befinde sich somit illegal im Bundesgebiet. Er sei nicht aufrecht im Bundesgebiet gemeldet und sei offensichtlich nicht in Besitz von ausreichenden Barmitteln. Der Beschwerdeführer habe massiv gegen die Einwanderungsbestimmungen verstoßen. Es würden die Voraussetzungen eines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG vorliegen. Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wurde ausgeführt, dass die LPD XXXX eine illegale Arbeitsaufnahme festgestellt habe, er nicht behördlich gemeldet sei und über keine ausreichenden Barmittel verfüge. Die Verhängung des Einreiseverbotes wurde mit der illegalen Arbeitsaufnahme und den fehlenden finanziellen Mitteln begründet.
Im vorgelegten Verwaltungsakt liegt ein Anhalteprotokoll der Landespolizeidirektion XXXX vom 17.08.2019 ein, wonach der Beschwerdeführer auf frischer Tat bei einer Erwerbstätigkeit durch Beamte betreten worden sei.
Weiters liegt dem Verwaltungsakt eine Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX vom 17.08.2019 ein. Darin wurde unter der Rubrik "Tatbeschreibung" Folgendes festgehalten:
Beamten seien in XXXX auf ein Fahrzeug aufmerksam geworden, welches ein aufgestelltes Gebotszeichen Vorgeschriebene Fahrtrichtung:
geradeaus missachtet habe. Es sei eine Lenker- und Fahrzeugkontrolle durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer sei mit einem auf eine andere Person zugelassenen Pritschenwagen samt Werkzeug unterwegs gewesen. Der Beschwerdeführer habe auf der Kleidung eindeutig Baurückstände aufgewiesen und dann angegeben, er habe die Baumaschine zu seinem Vater nach Serbien transportieren wollen. Im Zuge einer Durchsuchung hätten Tankrechnungen, Baumarktrechnungen sowie ein Notizzettel mit Zeiten und Datum gefunden werden können. Am Mobiltelefon sei ein Chatverlauf zu sehen gewesen, indem von Arbeistaufträgen die Rede gewesen sei und Lichtbilder seiner Arbeit zu sehen gewesen seien.
Der Beschwerdeführer wurde am 18.08.2019 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, er sei von der Polizei angehalten worden, da er nicht angeschnallt gewesen sei. Er habe nur einem Freund beim Umzug geholfen und sei dafür nicht bezahlt worden. Angesprochen auf seine Kleidung gab der Beschwerdeführer an, er sei so angezogen wie bei seiner Festnahme. Dazu merkte die belangte Behörde an, dass die Kleidung nicht auffällig verschmutzt sei und er Flip-Flop-Schuhe trage. Zum Baumaterial und Werkzeug gab er an, dass er eine Maschine gekauft habe und eine Maschine einem Freund gehöre. Der Notizzettel mit den Arbeitsterminen gehöre seinem Cousin, er habe von seinem Handy keine Fotos von Arbeitsaufträgen verschickt. Er habe nicht schwarz gearbeitet.
Gegen den im Spruch angeführten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seitens der LPD XXXX nicht bei einer Erwerbstätigkeit betreten worden sei. Der Beschwerdeführer habe vor den Beamten der LPD XXXX und vor der belangten Behörde angegeben, dass es sich nicht um sein Fahrzeug handle, sondern er die Maschine zu seinem Vater nach Serbien habe transportieren wollen, die Maschine sei orginalverpackt gewesen und sei mit dieser Maschine noch nie eine Arbeitstätigkeit verrichtet worden. Die belangte Behörde habe kein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, sie habe es verabsäumt, den Fahrzeugbesitzer als Zeugen einzuvernehmen.
II. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
"13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015,
Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).
14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass nach den vorliegenden Umständen gegenständlich eine bewilliglose Beschäftigung vorliegen könnte. So spricht die meldungslegende Landespolizeidirektion Wien in ihrer Anzeige auch davon, dass ein naheliegender Verdacht einer Erwerbstätigkeit "trotz Touristenvisum" vorliege.
Der Beschwerdeführer bestritt jedoch, bei seiner Anhaltung durch die Landespolizeidirektion Wien am 17.08.2019 und auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 18.08.2019, einer Beschäftigung nachgegagen zu sein. Die Behörde hätte daher weitere Erhebungen zur Frage, ob tatsächlich eine Beschäftigung vorlag, vornehmen müssen, und dafür - bei Fehlen sonstiger Beweismittel - den Zulassungsbesitzer des vom Beschwerdeführer verwendeten Fahrzeuges und die Person hinsichtlich der ein Chatverkehr vorliegt ausforschen und einvernehmen müssen. Im Rahmen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung hätte die Behörde dann ausgehend von all diesen Beweismitteln darlegen müssen, warum sie der Verantwortung des Beschwerdeführers folgt oder nicht.
Es liegen somit gravierende Ermittlungslücken der belangten Behörde vor.
Die belangte Behörde wird daher zunächst alle zur Ergänzung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und allenfalls - je nach Ausgang des Ermittlungsverfahrens - einen neuen Bescheid zu erlassen haben.
Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.
Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G311.2223607.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.01.2020