TE Vwgh Beschluss 2019/11/12 Ra 2019/18/0376

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Veröffentlicht am 12.11.2019
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §45 Abs2
AVG §68 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des J A, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2019, I416 2164425-2/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Elfenbeinküste, stellte am 28. September 2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, den er unter anderem mit Verfolgung aufgrund seiner Teilnahme an einer oppositionellen Bewegung begründete. Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 25. September 2017 im Beschwerdeverfahren rechtskräftig abgewiesen, es wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Elfenbeinküste zulässig sei und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Juni 2018 zu Ra 2017/18/0431 zurück.

2 Am 13. September 2018 stellte der Revisionswerber den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete der Revisionswerber damit, dass eine Gruppe politischer Gegner Drohungen gegen den Revisionswerber ausgesprochen habe, falls er sich im Oktober 2018 für die Lokalwahlen als Kandidat aufstellen lasse. Dies habe der Revisionswerber im August 2018 durch einen Anruf seiner Halbschwester erfahren. Auch die Fluchtgründe, die der Revisionswerber im Erstverfahren angegeben habe, halte er aufrecht.

3 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 13. November 2018 wurde dieser Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowohl hinsichtlich Asyls als auch subsidiären Schutzes wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Es wurde dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Elfenbeinküste zulässig sei. Weiters hielt die Behörde fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 Das BVwG schloss sich der Beurteilung des BFA an, wonach sich kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt ergeben habe. Insbesondere stünden die vorgebrachten Drohbriefe - unabhängig von der Frage, ob diese echt seien oder gefälscht - in Verbindung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers im Erstantrag, wobei dieses Vorbringen im Erstverfahren als nicht glaubhaft erachtet worden sei, und seien daher nicht geeignet, einen neu entstandenen Sachverhalt zu begründen. Ungeachtet dessen weise der nunmehr vorgebrachte Fluchtgrund auch keinen glaubhaften Kern auf. Das BFA habe das neue Vorbringen aufgrund von Widersprüchen und mangelnder Nachvollziehbarkeit als unglaubhaft eingestuft und es als Steigerung des Fluchtvorbringens eingestuft. Der Revisionswerber sei dieser Einschätzung in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Auch habe sich keine Lageänderung oder Änderung der persönlichen Umstände des Revisionswerbers ergeben, die eine neue Beurteilung der Entscheidung über die Gewährung subsidiären Schutzes erforderlich machen würden. Der vorliegende Antrag auf internationalen Schutz sei wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Das BVwG nahm eine Interessenabwägung vor und kam zum Schluss, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden. Die Abschiebung in die Elfenbeinküste sei zulässig.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 12. Juni 2019, E 972/2019-7, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese mit Beschluss vom 29. Juli 2019, E 972/2019-9, über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, dass das angefochtene Erkenntnis sowohl betreffend die Annahme einer entschiedenen Sache nach § 68 Abs. 1 AVG als auch betreffend die Verhandlungspflicht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.

8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war lediglich die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages durch das BFA gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Das BVwG hatte dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 15.3.2019, Ra 2019/18/0064, mwN). 13 Dabei entspricht es im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen (vgl. VwGH 24.5.2018, Ra 2018/19/0187 bis 0189, mwN).

14 Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen "glaubhaften Kern" aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 6.6.2019, Ra 2018/20/0432, mwN). 15 Insofern sich der Revisionswerber gegen die Annahme einer entschiedenen Sache nach § 68 Abs. 1 AVG wendet und dazu vorbringt, bereits die von ihm dargelegten Drohungen würden einen neuen Sachverhalt, der eine inhaltliche Prüfung seines Antrages notwendig mache, begründen, übersieht er, dass sowohl das BFA als auch das BVwG seinem Vorbringen nachvollziehbar einen glaubhaften Kern absprachen. Denn den beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG zur Begründung der Einschätzung, dass dem Vorbringen des Revisionswerbers nicht geglaubt werde, hält die Revision nämlich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nichts Substantiiertes entgegen. Dem Revisionswerber gelingt es insofern nicht darzulegen, dass die Erwägungen des BVwG - vor dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes - unvertretbar wären.

16 Wenn die Revision schließlich eine Verletzung der Verhandlungspflicht entgegen der Bestimmungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt (vgl. VwGH 12.7.2017, Ra 2017/18/0220 bis 0224, mwN). Dass das BVwG von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, gelingt der Revision nicht aufzuzeigen (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180376.L00

Im RIS seit

03.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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