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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 3. September 2018, Zl. LVwG-AV-500/001-2018, betreffend Feststellung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen und Untersagung der Ausübung des Gewerbes "Kosmetik (Schönheitspflege) eingeschränkt auf Tätowieren" (mitbeteiligte Partei: A G in K, vertreten durch Mag. Dr. Gerhard Podovsovnik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 61; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Bezirkshauptmannschaft Korneuburg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Der Mitbeteiligte brachte am 12. März 2018 bei der belangten Behörde eine Gewerbeanmeldung für "Kosmetik (Schönheitspflege) eingeschränkt auf Tätowieren" an einem bestimmt bezeichneten Standort ein.
2 2. Mit Bescheid vom 11. April 2018 stellte die belangte Behörde fest, dass hinsichtlich des Mitbeteiligten die Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes nicht vorlägen und untersagte die Ausübung dieses Gewerbes. 3 Begründend stützte sich die belangte Behörde auf § 13 Abs. 6 GewO 1994 und die Feststellung, dass dem Mitbeteiligten erst vor kurzer Zeit - im Juni 2017 - die Berechtigung zur Ausübung des verfahrensgegenständlichen Gewerbes durch die Bezirkshauptmannschaft Freistadt entzogen worden sei. Diese habe auf die Unterlassung der Vorlage des Unbedenklichkeitsnachweises gemäß § 4 der Verordnung über Ausübungsregeln für Fußpflege, Kosmetik und Massage gegründet. Die Zuverlässigkeit des Mitbeteiligten könne daher nicht mehr angenommen werden.
4 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) diesen Bescheid auf und verwies nach § 28 Abs. 3 VwGVG die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
5 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass der Mitbeteiligte am 29. September 2015 an einem bestimmten Standort das Gewerbe Kosmetik eingeschränkt auf Tätowieren angemeldet und dort bis November 2016 ausgeübt habe. Für diesen Zeitraum habe der Mitbeteiligte den erforderlichen Unbedenklichkeitsnachweis betreffend Hygiene erbracht. Im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Anmeldungsverfahrens hätte die belangte Behörde für die Annahme des Gewerbeausschlussgrundes gemäß § 13 Abs. 6 GewO 1994 zu prüfen gehabt, ob der Zweck der Verwirklichung der Entziehung durch die neuerliche Ausübung vereitelt werden könne. Fallbezogen sei trotz der Bindung der belangten Behörde an den rechtskräftigen Entziehungsbescheid aufgrund der festgestellten Nichtausübung des Gewerbes und der Tatsache, dass der Mitbeteiligte sich im Zuge seiner früheren Tätigkeit besonders genau mit den Hygienevorschriften befasst habe, nicht ersichtlich, dass eine neuerliche Anmeldung des gegenständlichen Gewerbes primär die Zuverlässigkeit des Mitbeteiligten ausschließe.
6 Da die belangte Behörde die Ausübung des angemeldeten Gewerbes bereits gemäß § 13 Abs. 6 iVm § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 untersagt habe, sei die im Rahmen des Gewerbeanmeldungsverfahrens notwendige Auseinandersetzung betreffend die übrigen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes unterblieben. So habe die belangte Behörde im Zuge der Erlassung des bekämpften Bescheides kein Ermittlungsverfahren betreffend das allfällige Vorliegen einer individuellen Befähigung durchgeführt und auch keine Feststellungen getroffen, die es dem Verwaltungsgericht ermöglichen würden, das Vorliegen einer individuellen Befähigung zu beurteilen. Das Erfordernis der kompletten Neufeststellung nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen und Neuüberprüfung des verfahrensrelevanten Sachverhalts erfordere es, die gegenständliche Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an die belangte Behörde zurückzuverweisen. 7 4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich.
8 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 5.1. Die Revision begründet ihre Zulässigkeit damit, dass das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass ein gravierender Verfahrensmangel vorliege, der zur Zurückverweisung berechtige, wenn trotz erfolgter Feststellung der mangelnden Zuverlässigkeit die Fragen der fachlichen Befähigung nicht behandelt würden. Die vom Verwaltungsgericht vermissten Ermittlungen hätten jedoch Sachverhaltselemente betroffen, deren Relevanz im gegenständlichen Verfahren nicht vorgelegen sei.
12 5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, zum Ausdruck gebracht, dass die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht komme, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststehe. Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt worden sei, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergebe. Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, verlange, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen ließen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen würden.
13 Die einzelfallbezogene Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG berührt unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Auslegung dieser Bestimmung jedoch dann keine grundsätzliche Rechtsfrage, wenn sich das vom Verwaltungsgericht solcherart erzielte Ergebnis als vertretbar erweist (vgl. zu alldem VwGH 8.8.2019, Ra 2018/04/0115, mwN). 14 5.3. Vor diesem Hintergrund übersieht die Revision, dass das Verwaltungsgericht in einem ersten Begründungsschritt hinsichtlich der Frage des Nichtvorliegens der Zuverlässigkeit § 13 Abs. 6 iVm § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 der Beschwerdeargumentation folgte und die darauf gestützte Untersagung der Gewerbeausübung aufgehoben hat. Gegen diese rechtliche Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts wendet sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht im Sinne der insofern klaren Bestimmung des § 13 Abs. 6 GewO 1994 zu Recht geprüft hat, ob der Zweck der vorangegangenen Entziehung durch die Ausübung des neu angemeldeten Gewerbes vereitelt werden würde, und hat dies auf der Grundlage ausführlicher Feststellungen (nachvollziehbar) verneint. Dass jedoch das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes zu prüfen ist, wenn - wie hier - der von der belangten Behörde herangezogene Untersagungsgrund für die Gewerbeausübung wegfällt, liegt auf der Hand und bedarf daher keiner weiteren Erörterung. Eine solche Prüfung wurde von der belangten Behörde gänzlich unterlassen. Die Revision tritt auch der Ansicht des Verwaltungsgerichts, es lägen in Folge der unrichtigen Beurteilung durch die belangte Behörde keinerlei Ermittlungsergebnisse hinsichtlich der im Zuge des Gewerbeanmeldungsverfahrens zu klärenden Voraussetzungen vor, nicht entgegen, sodass eine Abweichung von der Rechtsprechung zu § 28 Abs. 3 VwGVG in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgezeigt wird.
15 5.4. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. November 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018040178.L00Im RIS seit
21.01.2020Zuletzt aktualisiert am
21.01.2020