TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/18 98/19/0007

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Veröffentlicht am 18.09.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs3 idF 1995/351;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z4;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1967 geborenen M J in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. August 1996, Zl. 113.150/8-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der über Wiedereinreisesichtvermerke und zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung vom 4. November 1993 bis 13. Juni 1994 verfügte, beantragte am 16. Mai 1994 die Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juni 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.

Mit Antrag vom 27. März 1996 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Ort der Unterfertigung des Antrages, der durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bei der Behörde erster Instanz eingebracht wurde, scheint Wien auf. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 8. Mai 1996 diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er eine Adresse in Wien angab und darauf hinwies, daß er bereits seit 1986 in Österreich lebe und sein gesamtes Lebensinteresse im Bundesgebiet liege. Die Behörde erster Instanz habe weiters nicht berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer über eine Arbeitserlaubnis bis 21. Dezember 1997 verfüge.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. August 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, daß der Antrag des Beschwerdeführers als Erstantrag zu werten sei, da sein Verlängerungsantrag betreffend seine zuletzt gültige Aufenthaltsbewilligung abgewiesen worden sei. Gemäß § 6 Abs. 2 sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch vom Inland aus gestellt werden. Fest stehe, daß der Beschwerdeführer den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG nicht vor seiner Einreise in das Bundesgebiet eingebracht habe. Dieser Sachverhalt werde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Nicht jeder im Inland gestellte Antrag sei jedoch unzulässig, da es einerseits Fälle gebe, bei denen eine Erstantragstellung im Inland - durch Gesetz vorgesehen - möglich sei, andererseits gebe es Fälle, bei denen die Antragstellung im Inland in Ausnahmefällen durch Judikatur ermöglicht werde. Beides treffe im vorliegenden Fall nicht zu, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers vom Ausland aus zu stellen gewesen sei. Aufgrund der Tatsachen, daß der Beschwerdeführer in Wien seinen Wohnsitz habe und daß er seit 14. Dezember 1994 einer Beschäftigung nachgehe, ohne daß eine nach dem AufG dafür erforderliche Bewilligung vorliege, sei für die Behörde ersichtlich, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich an fremdenrechtliche Vorschriften zu halten. Der § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG finde durch den § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung. Sein seit 14. Juni 1994 rechtswidriger Aufenthalt in Österreich laufe den öffentlichen Interessen an der Steuerung der Zuwanderung zuwider. Die zu diesem Zweck erlassenen gesetzlichen Regelungen hätten zum Ziel, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Da sich der Beschwerdeführer entgegen diesen Vorschriften in Österreich aufhalte und sein gesetzwidriges Verhalten beispielgebend für andere zuwanderungswillige Fremde sei, gefährde er diese öffentliche Ordnung und erfülle damit den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG. Die Bedachtnahme auf seine privaten und familiären Interessen im Sinne des Art. 8 MRK habe ergeben, daß aufgrund seines bereits lang andauernden illegalen Aufenthaltes im vorliegenden Fall jedenfalls die öffentlichen Interessen überwiegen würden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 6 Abs. 2 AufG lautete:

"§ 6 ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

§ 4 Z. 4 der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung stehenden Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:

"§ 4 Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann

ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Da ein (rechtzeitig gestellter) Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner bis zum 13. Juni 1994 gültigen Aufenthaltsbewilligung bereits rechtskräftig abgewiesen worden war, wertete die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers zu Recht als Erstantrag, für dessen Beurteilung § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich ist. Der angefochtene Bescheid ist daher auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise ins Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703). Das im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895).

Der Beschwerdeführer bestreitet seinen Aufenthalt im Inland im Zeitpunkt der Antragstellung, während des Verwaltungsverfahrens und im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht. Er führt so etwa in seiner Berufung eine Anschrift in Wien an. Weiters brachte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vor, als Geschäftsführer in Wien beschäftigt zu sein und über eine gültige Arbeitserlaubnis zu verfügen (vgl. die vom Beschwerdeführer vorgelegte Gehaltsbestätigung vom 13. März 1996, AS 22, sowie das Vorbringen in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, AS 27 ff). Damit aber hat er dem im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierten Erfordernis nicht entsprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zlen. 96/19/2094-2097).

Vom Erfordernis der Antragstellung (und des Abwartens der Erledigung desselben) vom Ausland aus wäre nur dann abzusehen, wenn der Beschwerdeführer zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt ist.

Diesbezüglich bringt der Beschwerdeführer vor, er sei aufgrund der Tatsache, daß er über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte und zudem eine Arbeitserlaubnis vorweisen könne, zur ausnahmsweisen Antragstellung vom Inland aus berechtigt. Dazu ist darauf hinzuweisen, daß dem Beschwerdeführer auch die Bestimmung des § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, keine Antragstellung vom Inland aus ermöglicht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist diese Ausnahmebestimmung nur dann anwendbar, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt des Beginnes seiner arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung oder danach innerhalb deren Gültigkeitsdauer im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung war und diese während der Gültigkeit der arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung ablief. Keine Anwendung findet § 4 der Verordnung daher auf Antragsteller, die (irgendwann) vor Beginn der Gültigkeit der arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung waren (vgl. das zur insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 95/19/0805). Da die dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Aufenthaltsbewilligung am 13. Juni 1994 endete, seine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen jedoch erst nach diesem Zeitpunkt zu laufen begannen (seine Beschäftigungsbewilligung am 14. Dezember 1994 und seine Arbeitserlaubnis am 22. Dezember 1995), schied eine Antragstellung nach § 4 Z. 4 leg. cit. aus.

Der Beschwerdeführer konnte somit keine der - entgegen dem Beschwerdevorbringen - taxativ genannten Fälle einer ausnahmsweisen Antragstellung vom Inland aus für sich in Anspruch nehmen, weshalb die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen hatte.

Insoweit der Beschwerdeführer in seinem - in Ausführung des Mängelbehebungsauftrages des Verwaltungsgerichtshofes - ergänzenden Schriftsatz darauf hinweist, daß gemäß § 114 Abs. 3 FrG 1997 Aufenthaltsverbote auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben seien, wenn sie nach den Bestimmungen des FrG 1997 nicht erlassen hätten werden können, ist ihm zu entgegnen, daß der Beschwerdeführer durch den hier angefochtenen Bescheid diesbezüglich nicht in Rechten verletzt sein konnte, weil mit diesem Bescheid nicht über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes abgesprochen wurde.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung des Verwaltungsgerichtshofes sei das FrG 1997 in Geltung, weshalb eine Niederlassungsbewilligung nach dieser Rechtsgrundlage zu erteilen sei.

Diesbezüglich ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof einen mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Verwaltungsakt auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Rechtsaktes bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1992, Zl. 88/17/0110). Da der angefochtene Bescheid mit seiner Zustellung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 19. August 1996 erlassen war, hatte die belangte Behörde die bis 31. Dezember 1997 geltenden Bestimmungen des AufG anzuwenden.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen darauf, ob die belangte Behörde zu Recht den Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG herangezogen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. September 1998

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998190007.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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