TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/18 98/19/0120

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Veröffentlicht am 18.09.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/02 Zivilprozessordnung;

Norm

VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §61;
ZPO §67;
ZPO §68;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1970 geborenen D D in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. November 1997, Zl. 122.963/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. November 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, im Falle des Beschwerdeführers handle es sich um einen Erstantrag, den er vor seiner Einreise nach Österreich vom Ausland aus hätte stellen müssen. Der Beschwerdeführer habe sich jedoch zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten. Diese Tatsache werde vom Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvertreter in keiner Weise bestritten. Aus der auf den Angaben des Beschwerdeführers beruhenden Aktenlage sei ersichtlich, daß er seit 30. Dezember 1994 aufrecht in L polizeilich gemeldet sei. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer aufgrund der von ihm vorgelegten Bestätigung als selbständiger Werkvertragspartner beschäftigt. Aus den angeführten Gründen ergebe sich, daß die Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG anzuwenden und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen sei. Weiters stehe fest, daß der Beschwerdeführer mit einem vom 17. Dezember 1994 bis 16. Jänner 1995 gültigen Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist sei und sich seither im Bundesgebiet aufhalte. Damit liege ein Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Aufgrund der Aktenlage stehe auch fest, daß die Ehefrau des Beschwerdeführers sowie seine Kinder im Bundesgebiet aufhältig seien. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt, daß der § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne. Dabei habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen stattzufinden. Diese Abwägung habe im Fall des Beschwerdeführers ergeben, daß den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen sei. Zudem liege der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor, weshalb eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entbehrlich sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 AufG lautete:

"§ 6 ...

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe bei der Beurteilung des Sachverhaltes das FrG 1997 nicht beachtet, sondern die größtenteils außer Kraft gesetzten Normen des AufG herangezogen. Insbesondere hätte der angefochtene Bescheid gemäß § 112 ff FrG 1997 weitergeleitet werden müssen, sodaß im vorliegenden Fall eine unzuständige Behörde entschieden habe.

Diesen Beschwerdeausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß auf der der Beschwerde beigelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ersichtlich ist, daß dieser dem Vertreter des Beschwerdeführers am 28. November 1997 zugestellt, somit an diesem Tag gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen wurde (auch im Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde dieser Tag angeführt). Da der Zeitpunkt der Erlassung eines Bescheides für die Sach- und Rechtslage bestimmend ist, hat die belangte Behörde zu Recht die Bestimmungen des AufG für die Beurteilung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung herangezogen, da gemäß § 111 Abs. 3 FrG 1997 das AufG erst mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft trat. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kam eine Anwendung des § 112 FrG 1997 nicht in Betracht, da das Verfahren des Beschwerdeführers am 1. Jänner 1998 - dem gemäß § 111 Abs. 1 FrG 1997 maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens des FrG 1997 - nicht mehr anhängig war. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang noch, daß das vom Beschwerdeführer angegebene Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides - der 3. März 1998 - sich nur auf die Zustellung des Bescheides über die Bestellung seines Vertreters zum Verfahrenshilfeanwalt bezieht. Der angefochtene Bescheid erlangte jedoch schon durch seine Zustellung am 28. November 1997 rechtliche Existenz und war daher an der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Rechtslage zu messen. Durch den im § 26 Abs. 3 VwGG vorgesehenen Beginn der Beschwerdefrist im Falle einer Bewilligung der Verfahrenshilfe, soll dem Verfahrenshilfeanwalt zur Abfassung der Beschwerde - unabhängig von der Dauer des Bestellungsverfahrens - die volle Frist des § 26 Abs. 1 VwGG gesichert werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, Zl. 91/18/0010), dies ändert aber nichts daran, daß der Bescheid schon vor diesem Zeitpunkt dem Rechtsbestand angehörte.

Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde weder die Annahme der belangten Behörde, daß es sich um einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung handle, noch die Feststellung, daß er sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Beschwerdeführer räumt vielmehr ausdrücklich ein, seit über drei Jahren in Österreich aufhältig und in das soziale Umfeld integriert zu sein.

Da der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde seinen Antrag zu Recht als Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für dessen Beurteilung § 6 Abs. 2 erster Satz AufG heranzuziehen war. Aus diesem Grund kommt im Beschwerdefall auch eine Anwendung des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997 nicht in Betracht.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen.

Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703).

Da das im § 6 Abs. 2 1. Satz AufG normierte Erfordernis, einen Antrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, nicht als bloße Formvorschrift zu werten ist, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), erwiese sich die Abweisung des entgegen § 6 Abs. 2

erster Satz AufG gestellten Antrages durch die belangte Behörde nur dann als rechtswidrig, wenn der Beschwerdeführer zu demjenigen Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigt ist. Aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer zu diesem Personenkreis zählte. Die Abweisung seines Antrages durch die belangte Behörde kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.

An diesem Ergebnis vermögen auch die aufgrund des Aufenthalts der Ehefrau und der beiden Kinder des Beschwerdeführers bestehenden familiären und privaten Beziehungen in Österreich nichts zu ändern. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG, BGBl. Nr. 351/1995, hat mit § 2 Abs. 3 Z. 4 und § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von Angehörigen in Österreich lebender Fremder bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK gestützten familiären Interessen Bedacht genommen. Verfassungsrechtliche Bedenken, daß die durch die genannten Bestimmungen vorgenommene Umschreibung des begünstigten Personenkreises zu eng wäre und ihrerseits Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden.

Insoweit der Beschwerdeführer auf eine etwaige Rechtswidrigkeit eines (allfälligen) Aufenthaltsverbotes und einer (allfälligen) Ausweisung hinweist, ist ihm zu entgegnen, daß diese aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht Gegenstand eines Verfahrens über einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz waren.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen darauf, ob die belangte Behörde zu Recht auch das Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG angenommen hat und auf das in diesem Zusammenhang erstattete Beschwerdevorbringen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998190120.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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