TE OGH 2019/12/11 13Os95/19y

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Veröffentlicht am 11.12.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hauer in der Strafsache gegen Yiqiu L***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Liniu H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 13. August 2019, GZ 602 Hv 9/19k-127, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Liniu H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Liniu H***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er als Mitglied einer kriminiellen Vereinigung andere dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB) und zu bestimmen versucht (US 5 ff), zwischen Ende November 2018 und Jänner 2019 in M***** und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge, nämlich rund 70.000 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 560 Gramm Delta-9-THC und 8.071 Gramm THCA [US 7]) in Form von zehn Paketsendungen aus den USA aus- und über Österreich nach Großbritannien einzuführen, wobei zwei der Pakete in Österreich und ein Paket in den USA sichergestellt wurden, indem er Qiong W***** mit dem Aufbau eines mehrere – im Urteil namentlich genannte – Personen umfassenden Netzwerks in W***** zur Durchführung des Suchtgifttransports beauftragte, die Zustelladressen in Großbritannien bekannt gab sowie die Absendung der Pakete aus den USA und deren Ankunft in Großbritannien überwachte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Liniu H*****.

Die Besetzungsrüge (Z 1) zieht die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Vorsitzenden des Schöffengerichts mit dem Hinweis auf dessen die Aussage des Beschwerdeführers betreffende Bemerkungen „Sie können gerne weiter versuchen die Fragen nicht zu beantworten, aber da ist es vielleicht leichter, Sie sagen einfach gar nichts?“ (ON 126 S 10), sowie „Dann machen Sie es uns bitte nicht zu leicht zu unterscheiden, ob ihre Aussage der Wahrheit entspricht oder eine Lüge ist“ (ON 126 S 10), in Zweifel.

Ausgeschlossenheit im Sinn des hier angesprochenen § 43 Abs 1 Z 3 StPO liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn aufgrund des äußeren Anscheins der objektiv gerechtfertigte Eindruck entsteht, dass unsachliche Motive eine unparteiische Entscheidungsfindung hemmen (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 9 f mwN). Zwar haben Richter den Verkehr mit Parteien und deren Vertretern streng sachlich zu führen, insbesondere Werturteile und spöttische Bemerkungen zu unterlassen (§ 52 Abs 2 Geo.), doch vermögen die vom Beschwerdeführer kritisierten Äußerungen des Vorsitzenden – nach dem anzulegenden Maßstab eines verständig würdigenden objektiven Beurteilers (RIS-Justiz RS0097086 [T5] – keine Zweifel im dargestellten Sinn zu wecken (vgl RIS-Justiz RS0096970).

Gestützt auf Z 3 des § 281 Abs 1 StPO behauptet der Beschwerdeführer, weder der im Ermittlungsverfahren noch der im Hauptverfahren beigezogene Dolmetscher habe über ausreichende Sachkunde verfügt.

Soweit sich dieses Vorbringen auf den von der Polizei im Ermittlungsverfahren eingesetzten Dolmetsch bezieht (vgl ON 28, insbesondere S 13), verkennt er, dass die Z 3 des § 281 Abs 1 StPO ausschließlich auf Vorgänge in der Hauptverhandlung abstellt. Unter dem Aspekt einer in die Hauptverhandlung importierten Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 2 StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 169) versagt die Rüge schon zufolge der nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung erteilten Zustimmung des Beschwerdeführers zur Verlesung des in Rede stehenden Protokolls über seine Vernehmung durch das Stadtpolizeikommando S***** vom 29. Jänner 2019 (ON 126 S 32; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 191).

Zu Zweiterem ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass § 126 Abs 4 zweiter Satz StPO das Gericht zwar verpflichtet, Dolmetscher – soweit diese befangen sind oder ihre Sachkunde in Zweifel steht – von Amts wegen oder aufgrund von Einwänden nach § 126 Abs 5 StPO zu entheben, das Gesetz jedoch bloß die auf spezielle Befangenheitsgründe (§ 47 Abs 1 Z 1 und 2 StPO) bezogene Anordnung mit Nichtigkeit bewehrt. Dem Angeklagten (oder seinem Verteidiger) wäre es im Übrigen freigestanden, bei Zweifeln an der Erfüllung der Dolmetscherpflichten (§ 127 Abs 4 StPO) entsprechende Anträge in der Hauptverhandlung zu stellen (vgl Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 81), womit ihm zur Geltendmachung einer zu Unrecht erfolgten Abweisung derartiger Begehren die Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO zur Verfügung gestanden wäre.

Weil die Besetzungsrüge in Bezug auf richterliche Ausgeschlossenheit den weitergehenden Rechtsschutz als die Verfahrensrüge (Z 4) bietet, ist auf die Kritik an der Abweisung des im Sinn der Besetzungsrüge argumentierenden Ablehnungsantrags (ON 126 S 18) nicht einzugehen (RIS-Justiz RS0124803; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 132, 386).

Die Mängelrüge (Z 5) kritisiert, das Erstgericht habe „allfällige Entlastungsbeweise“ der Aussage der Drittangeklagten nicht gewürdigt und zudem unberücksichtigt gelassen, dass weder ein „WeChat“ des Beschwerdeführers vorgelegen habe noch eine Entgeltzahlung an diesen objektiviert worden sei. Damit bezeichnet sie weder Ergebnisse des Beweisverfahrens, die das Erstgericht nach Ansicht des Beschwerdeführers übergangen hat (Z 5 zweiter Fall) deutlich und bestimmt (RIS-Justiz RS0118316 [T5]), noch nimmt sie konkret auf jene Feststellungen Bezug, auf die sich der behauptete Begründungsmangel beziehen soll (RIS-Justiz RS0130729).

Die Sanktionsrüge (Z 11) beschränkt sich darauf, mit eigenen Beweiswerterwägungen die von den Tatrichtern attestierte Glaubwürdigkeit der Drittangeklagten anzugreifen und erneut darauf zu verweisen, dass weder eine „WeChat“- Beteiligung des Beschwerdeführers noch Zahlungsflüsse an diesen bewiesen worden seien. Damit wird Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) nicht behauptet (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 662).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E126902

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00095.19Y.1211.000

Im RIS seit

02.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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