TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/18 98/19/0127

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Veröffentlicht am 18.09.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §1 Abs3 Z6;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1997 §4 Z4;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1963 geborenen R M in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Dezember 1997, Zl. 308.648/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Dezember 1997 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch vom Inland aus gestellt werden. Fest stehe, daß die Beschwerdeführerin noch nie im Besitz einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gewesen sei. Darüberhinaus sei ihr Antrag auf Asyl mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1997 negativ entschieden worden. Aus diesem Grund sei der gegenständliche Antrag als Erstantrag zu werten, den sie vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus hätte stellen müssen. Die Beschwerdeführerin habe auf ihrem Antragsformular als Aufenthaltsort eine Adresse in Österreich angegeben und ihren Antrag direkt bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten eingebracht. Somit habe sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und dadurch das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten Interessen der Beschwerdeführerin, im Rahmen des Art. 8 MRK, sei aufgrund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, (die Zustellung erfolgte nach dem Beschwerdevorbringen im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof am 12. Dezember 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage in der Fassung der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

Die §§ 1 Abs. 3 Z. 6 und 6 Abs. 2 AufG lauteten:

"§ 1

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

...

6. auf Grund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

§ 6

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

§ 4 Z. 4 der am 13. Dezember 1996 ausgegebenen Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, lautete:

"§ 4 Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Übereinstimmend gehen sowohl die belangte Behörde als auch die Beschwerde davon aus, daß der von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf Asylgewährung mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1997 rechtskräftig abgewiesen worden ist. Unbestritten bleibt von der Beschwerdeführerin auch die Feststellung der belangten Behörde, daß es sich bei dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Antrag vom 1. Mai 1997 um einen Erstantrag handle. Die Beschwerdeführerin bringt jedoch vor, während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (aufgrund der von ihr behaupteten Einreise am 17. Mai 1992) nach dem Asylgesetz 1968 verfügt zu haben.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß auch die vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen, welche bereits unter Geltung des Asylgesetzes 1968 erworben wurden, nach dem 1. Juni 1992 als solche anzusehen sind, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum (weiteren) Aufenthalt in Österreich berechtigten. Damit ist § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG anwendbar, weshalb die Beschwerdeführerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens keine Aufenthaltsbewilligung benötigte. Nach dessen negativem Abschluß kann sie sich jedoch nicht auf § 13 Abs. 1 AufG berufen, sondern es kommt § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zur Anwendung, wonach der abgewiesene Asylwerber seinen Antrag betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vor einer weiteren Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. August 1995, Zl. 95/19/0135).

Die Beschwerdeführerin tritt der maßgeblichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, sie habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten, nicht entgegen. Sie bringt vielmehr in ihrer Beschwerde ausdrücklich vor, sich seit sechs Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufzuhalten.

Werden die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht erfüllt, so führt dies nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwingend zur Abweisung eines Antrages auf Aufenthaltsbewilligung, falls nicht ausnahmsweise eine Antragstellung vom Inland aus zulässig ist.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei in ihrem Fall gemäß § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, eine ausnahmsweise Inlandsantragstellung zulässig, weil sie über eine Arbeitserlaubnis verfüge und vor ihrer gegenständlichen Antragstellung nach dem Asylgesetz vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Darüber hinaus seien sowohl ihr Ehemann als auch ihre beiden Kinder nach wie vor nach dem Asylgesetz vorläufig aufenthaltsberechtigt.

Dem ist zu entgegnen, daß sich die Beschwerdeführerin auf die genannte Ausnahmebestimmung nicht berufen kann, weil sie über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte. Aus den im (zur gleichlautenden Bestimmung des § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, ergangenen) hg. Erkenntnis vom 28. November 1997, Zlen. 96/19/2291, 2790, dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ist auch § 4 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 707/1996 dahin auszulegen, daß nur solche Inhaber ausländerbeschäftigungsrechtlicher Bewilligungen zur Antragstellung im Inland berechtigt sind, welche eine Aufenthaltsbewilligung hatten.

Mit "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne dieser Bestimmung ist die in § 1 Abs. 1 AufG vorgeschriebene besondere Bewilligung gemeint. Diese - im AufG "Bewilligung" genannte - Berechtigung ist Gegenstand des Antrages nach § 6 Abs. 2 AufG. § 4 der genannten Verordnung bezeichnet diesen als "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung". Die Verordnung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" in § 4 erster. Satz etwas anderes bedeuten soll als jener in Z. 4 leg. cit. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung während der Dauer eines Asylverfahrens zählt nicht dazu (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. November 1997).

Insoweit die Beschwerdeführerin behauptet, es mache keinen Unterschied, über welche Art von Aufenthaltsberechtigung jemand verfüge und daher sei auch im Falle des Vorliegens einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz eine Inlandsantragstellung als zulässig anzusehen, ist auf die ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 eine Antragstellung im Inland nur in den dort taxativ aufgezählten Fällen ausnahmsweise zuläßt. Da § 6 Abs. 2 AufG nach seinem klaren Wortlaut keine Ausnahmebestimmung für Fremde enthält, die nach § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufgrund des Asylgesetzes 1991 während der Anhängigkeit ihres Asylverfahrens zum Aufenthalt in Österreich berechtigt waren, sind im Inland gestellte Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch in denjenigen Fällen abzuweisen, in denen eine Berechtigung zum vorläufigen Aufenthalt im Sinne des § 7 des Asylgesetzes 1991 vorgelegen ist. Da § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG (allein) den "Verlust des Asyls" ausdrücklich als Ausnahmetatbestand anführt, fehlt ein Indiz für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes hinsichtlich der nach § 7 Asylgesetz 1991 vorläufig aufenthaltsberechtigten Personen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1997, 96/19/2678).

Insoweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, der Inhalt des angefochtenen Bescheides verletze sie in ihrem durch Art. 8 MRK geschützten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, ist ihr zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Aufenthaltsgesetznovelle 1995 mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von rechtskräftig abgewiesenen Asylwerbern bereits auf die durch die in Rede stehende Bestimmung der MRK geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen hat. Denn im § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG ist im Fall des Verlustes des Asyls die ausnahmsweise zulässige Antragstellung im Inland normiert, wodurch - auch im Hinblick auf den aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (525 BlgNr. 18. GP, Seite 7 und 10) erkennbaren Zweck der Norm - der Gesetzgeber unmißverständlich zu erkennen gibt, daß die öffentlichen Interessen im Falle abgewiesener Asylwerber für die Anwendung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG jedenfalls überwiegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738).

Wenn sich die Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14148, beruft, ist ihr folgendes zu entgegnen:

Nach dem diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zugrundeliegenden Verständnis der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG aF ist diese Bestimmung auf Fremde, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes im Inland aufhielten, nicht unmittelbar anwendbar. Dabei erachtete der Verfassungsgerichtshof in Ansehung von Personen, die sich seit vielen Jahren bzw. seit ihrer Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und die die Frist zur Verlängerung ihrer Bewilligung relativ kurzfristig versäumt hatten, eine Schließung der von ihm angenommenen Regelungslücke in Analogie zu § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG aF für geboten.

Jedenfalls hat auch der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) die Auffassung vertreten, daß die - seines Erachtens der Sache nach analoge -Anwendung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG (aF) auf abgewiesene Asylwerber durch den Verwaltungsgerichtshof nicht dem Art. 8 Abs. 1 MRK widerspreche.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 18. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998190127.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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