TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/18 98/19/0037

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Veröffentlicht am 18.09.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs1 idF 1995/351;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1971 geborenen S P in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Dezember 1997, Zl. 304.806/4-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage über einen gewöhnlichen Sichtvermerk vom 11. Juni 1993 bis 11. September 1993 sowie anschließend über Aufenthaltsbewilligungen vom 11. September 1993 bis 15. Oktober 1995. Mit ihrem am 14. September 1995 gestellten Antrag begehrte die Beschwerdeführerin die Verlängerung ihrer zuletzt erteilten Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG). Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Jänner 1996 gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin stellte sodann am 1. Oktober 1996 durch ihren Rechtsvertreter bei der Erstbehörde einen "Erstantrag" auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG. Als Aufenthaltszweck gab die Beschwerdeführerin unselbständige Erwerbstätigkeit an und legte dem Antrag eine Lohnbestätigung bei, wonach sie seit 4. September 1996 bei einem Wiener Unternehmen als Reinigungskraft beschäftigt sei. Aus der diesem Antrag angeschlossenen Kopie des Reisepasses der Antragstellerin ist ein von der österreichischen Botschaft in Belgrad ausgestellter Touristensichtvermerk mit Gültigkeit vom 31. August 1996 bis 15. September 1996 ersichtlich. Dem Antrag ist weiters ein Begleitschreiben des Rechtsvertreters angeschlossen, in welchem ausgeführt wird, daß die Antragstellung vom Inland aus "gemäß § 3 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung vom 27. Juni 1995, BGBl. Nr. 408/1995," erfolge.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Mai 1997 gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Die belangte Behörde wies die dagegen eingebrachte Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk eingereist und habe ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Unbeschadet ihres Vorbringens sei bei der Beurteilung ihres Antrages allein maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Im Hinblick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes erübrige sich ein Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen, da das Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5 (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautete:

"§ 10 (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen,

wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

§ 4 Z. 4 der am 13. Dezember 1996 ausgegebenen Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Im Hinblick auf den Ablauf der Geltungsdauer der Beschwerdeführerin zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung am 15. Oktober 1995 und den Umstand, daß dem (rechtzeitig gestellten Verlängerungs)Antrag vom 14. September 1995 kein Erfolg beschieden war, handelt es sich beim vorliegenden Antrag vom 1. Oktober 1996 um einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, weshalb die §§ 113 Abs. 6 und 7 FrG 1997 nicht zur Anwendung gelangen. Die Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Antragstellung im Inland gemäß § 4 Z. 4 der - im Hinblick auf die am 19. Dezember 1997 erfolgte Zustellung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen - Verordnung BGBl. Nr. 707/1996 steht der Anwendung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG im vorliegenden Fall jedenfalls nicht entgegen (vgl. das zur insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 3 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, ergangene hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/1910, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG bereits dann verwirklicht, wenn sich ein Fremder in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluß an eine mit einem Touristensichtvermerk erfolgte Einreise (weiterhin) im Bundesgebiet aufhält. Ein nahtloser Anschluß an das Ende der Gültigkeitsdauer des Touristensichtvermerkes ist zur Verwirklichung des Versagungstatbestandes hingegen nicht erforderlich. Ebensowenig kommt es für die Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG darauf an, ob der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor oder nach der mit einem Touristensichtvermerk erfolgten Einreise gestellt wurde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0500).

Die Beschwerdeführerin bestreitet weder die Feststellung der belangten Behörde, sie sei mit einem Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist, noch, sich im Anschluß daran weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Sie räumt vielmehr sowohl im Verwaltungsverfahren (vgl. die Stellungnahme des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin zum diesbezüglichen Vorhalt der belangten Behörde vom 16. Oktober 1997) als auch in ihrer Beschwerde ausdrücklich ein, mit einem Touristensichtvermerk eingereist zu sein und sodann in Österreich die Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG beantragt zu haben. Darüber hinaus stellt sie in keiner Weise in Abrede, auch im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde im Bundesgebiet aufhältig gewesen zu sein. In der obzitierten Stellungnahme zum Vorhalt der belangten Behörde bringt sie ausdrücklich vor, in Österreich Arbeit aufgenommen zu haben. Auch in ihrer Beschwerde wiederholt sie dieses schon im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen.

Angesichts der von der Beschwerdeführerin gemachten Angaben hatte die belangte Behörde hinreichende Anhaltspunkte für ihre Annahme, diese halte sich im Zeitpunkt ihrer Entscheidung weiterhin im Bundesgebiet auf. Hat die Beschwerdeführerin aber das Bundesgebiet im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht wieder verlassen, so kann die Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Unter dem Aspekt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe ihre abweisende Entscheidung aus anderen Gründen als jene der erstinstanzlichen Behörde getroffen, wodurch eine Verkürzung des Instanzenzuges eingetreten sei.

Dem ist vorerst zu entgegnen, daß die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden hat. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch in der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern (vgl. dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1998, S 1238 ff).

Da die im § 6 Abs. 1 AufG verankerte Pflicht des Antragstellers, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund vorliegt, nicht soweit reicht, auch das Nichtvorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes im Sinne des § 10 Abs. 1 FrG darzutun, durfte die belangte Behörde § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nur nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens heranziehen, in dessen Rahmen sie von Amts wegen zu prüfen hatte, ob sich die Beschwerdeführerin nach der mit einem Touristensichtvermerk erfolgten Einreise weiterhin in Österreich aufhielt. Die Partei traf dabei die Pflicht, an den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zlen. 95/19/1311, 1312). Die belangte Behörde hatte der Partei zu ihren Sachverhaltsannahmen auch Parteiengehör einzuräumen. Hingegen brauchte die belangte Behörde die Partei zu jenen Sachverhaltselementen, die diese selbst geliefert hat, nicht zu hören (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219). Derartige Ermittlungen hat die belangte Behörde aber, wie ihr bereits erwähnter Vorhalt vom 16. Oktober 1997 zeigt, gepflogen. Da die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit Vorhalt vom 16. Oktober 1997 aufforderte, auch zum Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG Stellung zu nehmen, kam sie in Ansehung der Auswechslung des Versagungsgrundes ihrer diesbezüglichen Verpflichtung nach, weshalb auch der Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin kein Erfolg beschieden ist.

Insoweit die Beschwerdeführerin in ihren Beschwerdeausführungen auf das Fremdengesetz 1997 Bezug nimmt, ist ihr zu entgegnen, daß im Hinblick auf die Erlassung des Bescheides durch seine Zustellung am 19. Dezember 1997 von der belangten Behörde das AufG anzuwenden war.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998190037.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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