TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/18 98/19/0071

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Veröffentlicht am 18.09.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1979 geborenen N T in Wien, vertreten durch Mag. O, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1997, Zl. 307.968/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe durch das Amt für Jugend und Familie als seinen gesetzlichen Vertreter am 4. November 1996 bei der Erstbehörde, somit im Inland, einen Erstantrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt. Dieser Tatsache sei im Berufungsvorbringen nicht widersprochen worden. Der Beschwerdeführer sei am 20. Jänner 1995 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am 27. Jänner 1995 beim Bundesasylamt einen Antrag auf Asylgewährung gestellt, welcher mit Bescheid vom 8. Februar 1995 abgewiesen worden sei. Dieser Bescheid sei am 23. Februar 1995 in Rechtskraft erwachsen. Da der Beschwerdeführer bis dato das Bundesgebiet nicht verlassen habe, halte er sich illegal in Österreich auf und dieser illegale Zustand solle mit dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nachträglich legalisiert werden. Weiters stehe fest, daß der Beschwerdeführer nicht unter eine der im § 4 der Verordnung, BGBl. Nr. 707/1996, zitierten Personengruppen falle, welche zur Inlandsantragstellung berechtigt seien. Somit widerspreche die Vorgangsweise des Beschwerdeführers dem im § 6 Abs. 2 AufG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, daß der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen sei, und der Fremde die Entscheidung über seinen Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten habe. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei zu sagen, daß durch seine Lehrstelle zwar Bindungen zur Republik Österreich bestünden, diese aber gegenüber den öffentlichen Interessen an der Versagung der Aufenthaltsbewilligung, auch nach einer erfolgten Abwägung gemäß Art. 8 MRK, hintanzustellen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 6 Abs. 2 AufG lautete:

"§ 6 ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

Nach den in der Beschwerde unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde verblieb der Beschwerdeführer nach der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages im Februar 1995 weiterhin im Bundesgebiet und hielt sich im Zeitpunkt der Antragstellung, während des Verfahrens und im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Bundesgebiet auf.

Sollte der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 verfügt haben - dies wird von ihm jedoch in der Beschwerde nicht behauptet - so hätte er damit zu jenem Personenkreis gezählt, der gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war, weshalb er bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens keine Aufenthaltsbewilligung benötigt hätte. Nach dessen negativem Abschluß kommt § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zur Anwendung, wonach der abgewiesene Asylwerber seinen Antrag betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vor einer weiteren Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen hätte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 31. August 1995, Zl. 95/19/0135).

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist - unbeschadet der Möglichkeit, den Antrag durch einen Vertreter, im vorliegenden Fall durch das Amt für Jugend und Familie, einzubringen - die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168). Maßgebend ist daher nicht - wie der Beschwerdeführer offenbar zu meinen scheint - wo sich der Vertreter, sondern vielmehr wo sich der vertretene Fremde aufhält.

Nach dem unter anderem aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag im Ausland abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 95/19/0843). Das dort normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung dort abzuwarten, ist nicht als bloße Formvorschrift, sondern als Erfolgsvoraussetzung zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010).

Eine Antragstellung aus dem Inland wäre für den Beschwerdeführer demnach nur dann zulässig gewesen, wenn er zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt ist. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergeben sich jedoch dafür keine Hinweise, weshalb die Heranziehung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden kann.

Dieses Ergebnis erweist sich auch im Hinblick auf Art. 8 MRK als rechtmäßig. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG, BGBl. 351/1995 hat mit § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von rechtskräftig abgewiesenen Asylwerbern bereits auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen und sich dafür entschieden, die Antragstellung vom Inland aus nur im Falle des Verlustes des Asyls zu erlauben. Eine weitere Bedachtnahme auf Art. 8 MRK durch die Behörde kommt daher nicht in Betracht.

Verfassungsmäßige Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber die Antragstellung vom Inland aus auf Fälle des Verlustes von Asyl beschränkt hat, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht entstanden. Die aus den Erläuterungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) erkennbare Zielvorstellung des Gesetzgebers, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch die Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutz der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, abgewiesene Asylwerber in Ansehung ihrer privaten und familiären Interessen im Inland besser zu stellen als Fremde, die erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0371 sowie vom 31. Oktober 1997, Zl. 96/19/1068, 1073). Eine Einschränkung des durch Art. 8 MRK allenfalls geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung der durch einen Voraufenthalt begründeten persönlichen oder familiären Interessen durch § 6 Abs. 2 AufG ist - aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - durch Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt. Der Fall des Beschwerdeführers ist auch nicht mit jener Konstellation vergleichbar, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, zugrundelag. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 23. April 1998, Zl. 96/19/1822).

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er könne aufgrund der ihm drohenden Verfolgung nicht in seine Heimat zurückkehren, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern: Das Vorliegen solcher Umstände hätte nicht zur Folge, daß dem Beschwerdeführer ungeachtet der Nichteinhaltung der Bestimmung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen wäre. Ob ein Antragsteller im Falle der Abweisung seines Antrages dazu verhalten werden darf, Österreich wieder zu verlassen, ist ausschließlich in einem Verfahren nach dem Fremdengesetz, nicht aber für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides von Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1998, Zl. 96/19/1730).

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Aspekt einer Verletzung des Parteiengehörs vor, die belangte Behörde habe erstmals festgestellt, daß er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Wäre dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde Parteiengehör gewährt worden, so hätte er darauf hingewiesen, daß er sich in Österreich aufhalte, weil es ihm unmöglich sei, in seine Heimat zurückzukehren oder in ein anderes Land zu reisen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet eine Verletzung des Parteiengehörs nur dann eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Um dies beurteilen zu können, muß der Beschwerdeführer jene entscheidenden Tatsachen in der Beschwerde bekanntgeben, die der Behörde wegen dieser Unterlassung unbekannt geblieben sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0158). Aufgrund der oben wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich dieses Beschwerdevorbringen als nicht geeignet, aufzuzeigen, inwiefern die belangte Behörde dadurch zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Schlagworte

Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1"zu einem anderen Bescheid"Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelVerwaltungsstrafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998190071.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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