TE Lvwg Erkenntnis 2019/11/12 LVwG-AV-1179/001-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

VwGVG 2014 §28 Abs1
AVG 1991 §32 Abs2
AVG 1991 §63 Abs5
ZustG §17

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter über die Beschwerde des A in ***, vertreten durch B, Rechtsanwältin in ***, ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 9. September 2019, Zl. ***, betreffend Zurückweisung eines Bauansuchens, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen (anstatt als unbegründet abgewiesen) wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

1.       Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Marktgemeinde *** vom 11. Juli 2019, Zl. ***, wurde das Bauansuchen des Beschwerdeführers vom 19. Juni 2018 betreffend die Errichtung einer Einfriedungsmauer auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, als unzulässig zurückgewiesen. Dies begründete die Bürgermeisterin damit, dass der Beschwerdeführer einer Aufforderung vom 11. März 2019 zur Abänderung des Bauvorhabens nicht fristgerecht nachgekommen sei.

Dieser Bescheid wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am 15. Juli 2019 beim Postpartner in *** hinterlegt. Erster Tag der Abholfrist war der 16. Juli 2019.

2.       Am 29. Juli 2019 gab die nunmehrige Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers der Bürgermeisterin ihre am selben Tag erteilte Vertretungsvollmacht bekannt.

3.       Mit Schriftsatz vom 1. August 2019 erhob der Beschwerdeführer durch die Rechtsvertreterin gegen den Bescheid Berufung, mit der er beantragte, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu den Bescheid des Bürgermeisters aufzuheben und das Verfahren an die Bürgermeisterin zurückzuverweisen.

Zur Rechtzeitigkeit der Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er habe nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub spätabends am 19. Juli 2019 die Hinterlegungsanzeige des Postamtes *** vorgefunden und den Bescheid sogleich am 20. Juli 2019 behoben. Eine vorherige Kenntnisnahme vom Bescheidinhalt sei ihm nicht möglich gewesen, daher sei die Berufung rechtzeitig.

4.       Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte die Berufung als unbegründet ab.

5.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde beantragt. In eventu beantragt er, seinem Bauansuchen Folge zu geben.

6.       Dieser Verfahrensgang ergibt sich aus dem von der belangten Behörde am 11. Oktober 2019 vorgelegten Verwaltungsakt sowie aus der Beschwerde.

II.       Rechtsvorschriften und rechtliche Beurteilung

1.       Gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I 33/2013, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht.

2.       Gemäß § 32 Abs. 2 erster Satz des Allgemeinen Verwaltungsverfahrens-gesetzes 1991 (AVG), BGBl. 51, enden nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Gemäß 63 Abs. 5 AVG idF BGBl. 471/1995 ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides.

3.       Kann ein zuzustellendes Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden, so ist es gemäß § 17 Abs. 1 des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. 200/1982 idF BGBl. I 5/2008, im Falle seiner Zustellung durch einen Zustelldienst bei dessen zuständiger Geschäftsstelle zu hinterlegen. Gemäß Abs. 2 erster Satz dieses Paragraphen ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Nach Abs. 3 ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen lang zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

4.       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG normierte Zustellwirkung der Hinterlegung nicht durch die Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. „Rechtzeitig“ im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG ist demnach dahingehend zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung steht, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden.

Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch „rechtzeitig“ vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt. Es ist nicht erforderlich, dass dem Empfänger in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muss. Ob jemand vom Zustellvorgang „rechtzeitig“ Kenntnis erlangt hat, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. zu alldem VwGH 22.12.2016, Ra 2016/16/0094, mwN).

In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde beispielsweise noch keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr vier Tage nach dem Beginn der Abholfrist (VwGH 28.02.2007, 2006/13/0178) und bei einer Behebung drei Tage nach der Hinterlegung (VwGH 27.09.1999, 99/17/0303) sowie bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung des Rechtsmittels von zehn Tagen (bei einer Rechtsmittelfrist von zwei Wochen) angenommen (VwGH 18.03.2004, 2001/03/0284; 24.02.2000, 2000/02/0027).

5.       Eine vergleichbare Konstellation hat sich auch bei der Zustellung des Bescheides der Bürgermeisterin vom 11. Juli 2019 ergeben: Der Beschwerdeführer ist nach seinem eigenen Vorbringen in der Berufung drei Tage nach Beginn der Abholfrist an die Abgabestelle (Wohnung) zurückgekehrt und hat den Bescheid am vierten Tag behoben. Somit verblieben ihm (den Abholtag mitgerechnet) noch elf Tage zur Ausführung der Berufung.

Unter Zugrundelegung der vorzitierten Rechtsprechung hat der Beschwerdeführer somit iSd § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG rechtzeitig vom Bescheid vom 11. Juli 2019 Kenntnis erlangt. Dieser galt daher gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG am Dienstag, 16. Juli 2019 (erster Tag der Abholfrist), als zugestellt, sodass gemäß § 63 Abs. 5 iVm § 32 Abs. 2 erster Satz AVG der letzte Tag für die Erhebung der Berufung Dienstag, 30. Juli 2019, gewesen wäre.

6.       Mit dem ungenützten Verstreichen dieser Frist ist der Bescheid der Bürgermeisterin vom 11. Juli 2019 gegenüber dem Beschwerdeführer in Rechtskraft erwachsen. Die am 1. August 2019 eingebrachte Berufung wäre von der belangten Behörde somit nicht abzuweisen, sondern wegen Verspätung zurückzuweisen gewesen.

Dies führt freilich nicht zu einer Stattgebung im Sinn des Beschwerdebegehrens. Vielmehr ist die Beschwerde mit der Maßgabe einer entsprechenden Berichtigung des Spruches des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

7.       Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde nicht beantragt. Nachdem die Berufung nunmehr zurückgewiesen wurde, konnte eine mündliche Verhandlung im Übrigen gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

III.     Zur Unzulässigkeit der Revision

Die Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht von der vorhandenen, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab. Die Lösung der Rechtsfrage beruht vielmehr einerseits auf dem klaren Wortlaut des § 63 Abs. 5 iVm § 32 Abs. 2 erster Satz AVG (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bei eindeutigem Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen etwa VwGH 23.05.2017, Ra 2017/05/0086) und andererseits auf der zitierten Rechtsprechung zu § 17 Abs. 3 ZustG.

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; Verfahrensrecht; Berufung; Zustellung; Hinterlegung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1179.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten