TE Vwgh Erkenntnis 2019/11/12 Ra 2019/21/0245

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Veröffentlicht am 12.11.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §52 Abs9
VwGG §42 Abs2 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. Oktober 2018, W124 1437085- 2/23E und W124 1437086-3/27E, betreffend Feststellung der dauernden Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG 2005 (mitbeteiligte Parteien: 1. A M F, und 2. M F, beide in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Begründung

1 Der Erstmitbeteiligte ist der Vater des Zweitmitbeteiligten. Beide sind Staatsangehörige Afghanistans und stellten am 17. Jänner 2013 Anträge auf internationalen Schutz. 2 Mit Bescheiden vom 17. Juli 2013 wies das Bundesasylamt diese Anträge vollinhaltlich ab (jeweils Spruchpunkte I. und II.) und verband dies mit einer Ausweisung der Mitbeteiligten nach Afghanistan (jeweils Spruchpunkt III.).

3 In Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerde vom 29. Juli 2013 behob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 6. August 2014 die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG und verwies die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.

4 Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2015 erhoben die Mitbeteiligten Säumnisbeschwerde, die in der Folge dem BVwG vorgelegt wurde. 5 Bei diesem langte dann im Oktober 2018 ein als "Mitteilung" bezeichnetes Schreiben der durch einen näher bezeichneten Verein vertretenen Mitbeteiligten mit folgendem Wortlaut ein:

     "Mitgeteilt wird, dass die Beschwerden gegen die Abweisung

der Anträge auf internationalen Schutz und subsidiären Schutz

entsprechend Spruchpunkt I und Spruchpunkt II der Bescheide vom

17.3.2013 ... zurückgezogen werden."

6     Mit Beschluss vom 25. Oktober 2018 stellte das BVwG hierauf

"das Verfahren ... über die Beschwerden (der Mitbeteiligten) gegen

die Bescheide des Bundesasylamtes für Fremdenwesen und Asyl vom

17.07.2013 ... wegen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich

Spruchpunkt I. und II. (ein)."

7 Mit Erkenntnis vom 29. Oktober 2018 sprach das BVwG sodann "in der Beschwerdesache (der Mitbeteiligten) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am 17.01.2013 gestellten Antrag auf internationalen Schutz" aus, dass den Beschwerden insofern stattgegeben werde, als eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan auf Dauer für unzulässig erklärt und den Mitbeteiligten für die Dauer von jeweils 12 Monaten Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 erteilt wurden. 8 Das BFA erhob gegen diese Entscheidungen vom 25. und vom 29. Oktober 2018, in denen das BVwG jeweils ausgesprochen hatte, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei, eine (außerordentliche) Amtsrevision. Soweit sich diese gegen den Beschluss des BVwG vom 25. Oktober 2018 richtet, wurde ihr mit Erkenntnis VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0391, Folge gegeben und es wurde der Beschluss wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben. Dem lag zugrunde, dass sich die unter Rn. 5 dargestellte Zurückziehungserklärung nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf die Beschwerde gegen die Bescheide vom 17. Juli 2013 bezogen habe und insofern, da ein diese Beschwerde betreffendes Verfahren vor dem BVwG nicht mehr anhängig gewesen sei, ins Leere gegangen sei und daher keine Rechtswirkungen zu entfalten vermöge.

9 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Amtsrevision, zu der die Mitbeteiligten im Rahmen des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstatteten, auch in Bezug auf das Erkenntnis vom 29. Oktober 2018 als zulässig und berechtigt. 10 Es ist nämlich im Sinn des erwähnten hg. Erkenntnisses Ra 2019/19/0391 davon auszugehen, dass die Anträge der beiden Mitbeteiligten auf internationalen Schutz noch unerledigt sind und im Säumnisbeschwerdeverfahren vor dem BVwG behängen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (und ebenso ihres Pendants, nämlich der Feststellung, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei) setzt aber die vollständige Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz voraus; damit ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 "zu verbinden" bzw. damit ist sie gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG "unter einem" zu erlassen. Ohne vollständige Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz kommt eine Rückkehrentscheidung (bzw. die Erlassung ihres Pendants) somit nicht in Betracht (siehe auch VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0146, Rn. 16, wonach ein noch nicht rechtskräftig erledigtes Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz der Erlassung einer Rückkehrentscheidung grundsätzlich entgegen steht).

11 Mithin war das BVwG nicht befugt, vor der Entscheidung über die - noch aufrechten - Anträge der Mitbeteiligten auf internationalen Schutz Rückkehrentscheidungen auf Dauer für unzulässig zu erklären und den Mitbeteiligten Aufenthaltstitel zu erteilen, weshalb auch das angefochtene Erkenntnis - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben war.

Wien, am 12. November 2019

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210245.L00

Im RIS seit

30.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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