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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AsylG 2005 §57Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Juli 2019, W203 2175930-2/12E, betreffend insbesondere Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und Einreiseverbot (mitbeteiligte Partei: A L A (auch A), in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach seiner Einreise in Österreich am 23. Februar 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 28. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag vollinhaltlich ab. Es sprach außerdem aus, dass dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG setzte es eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.
2 Mit Erkenntnis vom 4. Juli 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine dagegen eingebrachte Beschwerde als unbegründet ab. Die insoweit erfolgte Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts blieb ohne Erfolg. 3 Da der Mitbeteiligte auch noch nach Ablauf der ihm (laut Rn. 1) gewährten Frist für eine freiwillige Ausreise im Bundesgebiet verblieben war, leitete das BFA gegen ihn ein weiteres aufenthaltsbeendendes Verfahren ein. Mit Bescheid vom 21. August 2018 sprach es wiederum aus, dass dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde (Spruchpunkt I.). Es erließ gegenüber dem Mitbeteiligten abermals - nunmehr gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und gestützt auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG - eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte erneut gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und erkannte gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG erließ das BFA gegenüber dem Mitbeteiligten überdies, begründet mit Art. 11 der Rückführungsrichtlinie (wegen beharrlicher Missachtung der Rückkehrverpflichtung) sowie mit dem Fehlen der Mittel für seinen Unterhalt (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG), ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).
4 Auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten behob das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Juli 2019 den erwähnten Bescheid vom 21. August 2018 (ersatzlos). Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG erklärte das BVwG die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. 5 Begründend erachtete es - mit Bezug auf den vom BVwG (mit Erkenntnis vom 4. Juli 2018) bestätigten Bescheid des BFA vom 28. September 2017 - die Erlassung des "inhaltlich beinahe identen" Bescheides vom 21. August 2018 als Verstoß gegen das Prozesshindernis der rechtskräftig und damit bindend und unwiderruflich entschiedenen Sache, über die daher nicht neuerlich hätte abgesprochen werden dürfen ("ne bis in idem"). Seit Erlassung des Bescheides vom 28. September 2017 habe sich der Sachverhalt nicht maßgeblich geändert. Es sei lediglich zusätzlich ein Einreiseverbot verhängt worden. Dieses Einreiseverbot sei jedoch gemäß § 53 FPG von der Rückkehrentscheidung nicht trennbar und teile daher deren rechtliches Schicksal. Da die Spruchpunkte I. bis V. des Bescheides vom 21. August 2018 wegen Verstoßes gegen das Hindernis der entschiedenen Sache nicht ergehen hätten dürfen, sei demnach auch Spruchpunkt VI., der darauf basiere, zu beheben.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des BFA, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und nach Durchführung des Vorverfahrens, in dessen Rahmen der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
7 Die Revision erweist sich, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, infolge Abweichens des BVwG von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als zulässig und auch als berechtigt. 8 Das BFA erachtete im Bescheid vom 21. August 2018 die Erlassung eines Einreiseverbotes für geboten, weil der Mitbeteiligte die gegen ihn bestehende Rückkehrverpflichtung "beharrlich" missachtet habe (Art. 11 der Rückführungsrichtlinie) und weil ihm die Mittel für seinen Unterhalt fehlten (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). Dem stand die Rechtskraft des Erkenntnisses vom 4. Juli 2018 nicht entgegen, weil ein Einreiseverbot gar nicht Sache des diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Verfahrens war (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0146, Rn. 25).
9 Da die Erlassung eines Einreiseverbotes nach dem Wortlaut des § 53 Abs. 1 FPG jedoch zwingend und ausnahmslos voraussetzt, dass es "mit" einer Rückkehrentscheidung erlassen, also mit ihr verbunden wird (vgl. in diesem Sinn auch Art. 11 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot "einher" gehen), war die (neuerliche) Erlassung einer Rückkehrentscheidung (samt Begleitaussprüchen) zum Zweck der Verhängung des nunmehr für erforderlich gehaltenen Einreiseverbots nicht rechtswidrig. Insoweit ist dem Gesetz ein Abgehen von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der "Unwiederholbarkeit" zu entnehmen, was auch - aus denselben strukturellen Erwägungen - für den neuerlichen Abspruch nach § 57 AsylG 2005 (vgl. dazu VwGH 7.3.2019, Ro 2019/21/0002, Rn. 18) gilt. Die Annahme des BVwG, es bestehe das Prozesshindernis der entschiedenen Sache, erweist sich daher als verfehlt. 10 Das angefochtene Erkenntnis war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 12. November 2019
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeUmfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des RechtsgrundesZurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210209.L00Im RIS seit
30.12.2019Zuletzt aktualisiert am
30.12.2019