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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §58 Abs10Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der B A in S, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Februar 2019, L515 2164168-2/3E und L515 2164168-3/2E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Ausstellung einer Karte für Geduldete und Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin reiste gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Lebensgefährten spätestens im April 2015 nach Österreich ein und stellte hier mit der Behauptung, sie sei syrische Staatsangehörige, einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ging nach Einholung einer "Sprachanalyse" davon aus, dass die Revisionswerberin und ihre Angehörigen nicht aus Syrien, sondern aus Armenien stammten und dass demgemäß Armenien ihr Herkunftsstaat sei. Mit Bescheid vom 23. Juni 2017 wies es (daher) den erwähnten Antrag der Revisionswerberin vollinhaltlich ab. Außerdem sprach es aus, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde und erließ eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG - insbesondere in Verbindung mit der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, dass die Abschiebung der Revisionswerberin nach Armenien zul??ssig sei - sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein zweijähriges Einreiseverbot. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 29. November 2017 als unbegründet ab. Mit diesem Erkenntnis wurden - im Wesentlichen mit identer Begründung - auch Beschwerden der in Rn. 1 erwähnten Familienangehörigen der Revisionswerberin gegen diese betreffende Bescheide des BFA in Angelegenheiten Antrag auf internationalen Schutz und Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot abgewiesen.
3 Die Revisionswerberin stellte dann zunächst einen "Antrag auf Duldung" nach § 46a Abs. 1 Z 3 FPG und in der Folge einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 wies das BFA den erstgenannten Antrag gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG ab, während es den zweitgenannten Antrag mit Bescheid vom 28. Dezember 2018 - ohne das mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden - gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückwies. Bezugnehmend auf das Vorbringen in den zugrundeliegenden Anträgen, die Revisionswerberin sei entgegen dem Ergebnis ihres Asylverfahrens keine Armenierin und deshalb nicht nach Armenien abschiebbar, führte das BFA in diesen Bescheiden insbesondere aus, "die abgelehnte Identifizierung" der Revisionswerberin durch die armenischen Behörden bzw. die ergebnislose Überprüfung der armenischen Datenbanken durch die (österreichische) Polizei aus Anlass eines Strafverfahrens sei kein Beweis dafür, dass die Revisionswerberin nicht aus Armenien stamme; vielmehr lasse das vor dem Hintergrund der entsprechenden Ermittlungsergebnisse im Asylverfahren (fehlende Ortskenntnisse zu Syrien und Sprachkenntnisse bzw. durchgeführte "Sprachanalyse") die Schlussfolgerung zu, dass die Revisionswerberin bis dato nicht ihren richtigen Namen bekannt gegeben - erkennbar zu ergänzen: und insoweit ihre Nichtabschiebbarkeit nach Armenien zu vertreten - habe.
4 In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurde u. a. neuerlich geltend gemacht, dass es den armenischen Behörden nicht möglich gewesen sei, die Revisionswerberin als Staatsangehörige Armeniens zu identifizieren; der Schluss, die Revisionswerberin verschleiere ihre Identität, sei nicht stichhältig, "zumal die armenischen Behörden auch an Hand von Lichtbildern und anderen Merkmalen" Identifizierungen vornehmen und ihre Staatsbürger auch bei unrichtiger Namensnennung identifizieren würden. Eine Auseinandersetzung mit den Ermittlungsergebnissen des Asylverfahrens enthielten die Beschwerden indes nicht.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG diese Beschwerden ab. Dabei folgte es - ebenfalls auf die Ergebnisse des Asylverfahrens verweisend - der Annahme des BFA, die Revisionswerberin sei armenische Staatsangehörige und verschleiere ihre wahre Identität. Dass die armenischen Behörden auch an Hand von Lichtbildern und anderen - nicht näher präzisierten - Merkmalen Identifizierungen ihrer Staatsangehörigen vornehmen könnten, sei lebensfremd.
6 Außerdem sprach das BVwG in Bezug auf beide Beschwerdeabweisungen gemäß § 25a VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In dieser Hinsicht macht die Revisionswerberin geltend, das BVwG sei insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es die in den beiden Beschwerden ausdrücklich beantragte Verhandlung nicht durchgeführt habe; in Anbetracht der in den Anträgen sowie in den Beschwerden erfolgten Hinweise auf die "Bestätigung der armenischen Behörde, dass es sich (bei der Revisionswerberin) eindeutig nicht um (eine) armenische Staatsangehörige handelt" und den Ermittlungsergebnissen der österreichischen Polizei nach Durchsicht der "armenischen Datenbanken", wonach die Revisionswerberin keine armenische Staatsangehörige sei, wäre nämlich die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung geboten gewesen. In diesem Zusammenhang wird dann auch noch moniert, das BFA und das BVwG hätten diese Hinweise nicht nachvollziehbar übergangen.
10 Letzteres trifft nicht zu. Denn schon das BFA hat auf die mangelnde Identifizierung der Revisionswerberin durch die armenischen Behörden einerseits und auf die ergebnislose Überprüfung der "armenischen Datenbanken" durch die österreichische Polizei Bezug genommen und dem die Ermittlungsergebnisse des Asylverfahrens der Revisionswerberin (fehlende Ortskenntnis zu Syrien und durchgeführte "Sprachanalyse", die auf einen armenischen Hintergrund schließen lasse) entgegengehalten. Ausgehend davon folgerte es, dass die mangelnde Identifizierung der Revisionswerberin als armenische Staatsangehörige schlichtweg auf die Angabe falscher Personaldaten zurückzuführen sei.
11 In den Beschwerden gegen die Bescheide des BFA wurde zwar neuerlich auf die mangelnde Identifizierung der Revisionswerberin als armenische Staatsangehörige hingewiesen, der Argumentation des BFA dann aber nur entgegengesetzt, der Schluss auf eine Identitätsverschleierung durch die Revisionswerberin sei nicht stichhältig, "zumal die armenischen Behörden auch an Hand von Lichtbildern und anderen Merkmalen Identifizierungen vornehmen" (siehe oben Rn. 4). Dem hielt dann das BVwG entgegen, es sei lebensfremd, dass die armenische Staatsangehörigkeit einer Person auf Basis von Fotos oder nicht näher bezeichneter anderer Merkmale festgestellt werden könne. Insoweit sei von einer "substanzlosen Behauptung" der Revisionswerberin auszugehen.
12 Dem ist zuzustimmen, zumal auch in der Revision nicht dargelegt wird, auf Basis welcher "anderer Merkmale" eine Person - allenfalls im Zusammenhang mit Lichtbildern - sogar bei unrichtiger Namensnennung als armenischer Staatsangehöriger qualifiziert werden könne. Vor diesem Hintergrund trifft es - wie schon erwähnt - nicht zu, dass das diesbezügliche Vorbringen der Revisionswerberin übergangen worden sei. Aber auch der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf einer Verletzung der Verhandlungspflicht erweist sich als nicht zielführend, weil die nicht unplausiblen Erwägungen des BFA in den Beschwerden letztlich im Sinn der obigen Ausführungen nicht substantiiert bestritten wurden (zur Berechtigung des BVwG, in einem solchen Fall von der Durchführung einer beantragten Beschwerdeverhandlung abzusehen, siehe aus jüngerer Zeit etwa VwGH 29.8.2019, Ra 2019/19/0226, Rn. 10).
13 Schon deshalb kann das Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht erfolgreich sein. Dass es darüber hinaus bei Beurteilung der Zurückweisungsentscheidung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 mangels einer Änderung des Sachverhaltes gegenüber der vorangegangen Rückkehrentscheidung von vornherein unerheblich wäre, wenn die Revisionsbehauptungen über die Staatsangehörigkeit der Revisionswerberin zuträfen (sie wäre gegebenenfalls schon im Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung syrische Staatsangehörige gewesen), ist daher nur mehr der Vollständigkeit halber anzumerken.
14 Da nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgezeigt werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 12. November 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210108.L00Im RIS seit
30.12.2019Zuletzt aktualisiert am
30.12.2019