TE Vwgh Beschluss 2019/11/12 Ra 2019/21/0077

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Veröffentlicht am 12.11.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der J I in W, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. Februar 2019, I411 2155671-1/5E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist nigerianische Staatsangehörige. Nach ihrer Einreise nach Österreich stellte sie hier im Februar 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Februar 2008 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Außerdem wurde die Revisionswerberin nach Nigeria ausgewiesen. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss VwGH 12.5.2010, 2008/20/0258, ab.

2 Die Revisionswerberin verblieb im Bundesgebiet. Einer Ladung der (damaligen) Bundespolizeidirektion Wien für den 1. Juli 2010 kam sie nicht nach, in der Folge verfügte sie über keine Meldeadresse und war für die Behörden nicht greifbar. 3 Ab März 2015 war die Revisionswerberin wieder mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet und stellte am 23. Juni 2015 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. 4 Mit Bescheid vom 14. August 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den genannten Antrag der Revisionswerberin ab und erließ gegen sie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG. Unter einem stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin nach Nigeria zulässig sei und sprach gemäß § 55 Abs. 4 FPG - im Hinblick darauf, dass einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde - aus, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt werde.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 1. Februar 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Dabei ging das BVwG davon aus, dass in Österreich keine familiären Beziehungen der Revisionswerberin bestünden, während in Nigeria, wo sie durch Hilfsarbeiten ihre Existenz sichern könne, ihr Vater, Geschwister und zwei erwachsene Söhne lebten. Sie habe in den letzten Jahren in Österreich an diversen Integrationsprogrammen teilgenommen und eine Deutschprüfung (Niveau A2) absolviert. Darüber hinaus weise sie aber keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder kultureller Hinsicht auf. Bei einer Gesamtbetrachtung wiege "unter diesen Umständen" - wobei das BVwG auch auf den unbekannten Aufenthalt von Mitte 2010 bis März 2015 sowie darauf verwies, dass die Revisionswerberin seit 25. Juli 2016 erneut über keine Meldung im Bundesgebiet verfüge - das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen der Revisionswerberin an einem Verbleib in Österreich.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 In dieser Hinsicht macht die Revisionswerberin geltend, das BVwG habe keine nachvollziehbare Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vorgenommen. Das trifft jedoch nicht zu, weil die vom BVwG im Rahmen einer Gesamtbetrachtung angestellten Erwägungen ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wurden (siehe oben Rn. 5). Dass das BVwG dabei zu dem Ergebnis gelangte, die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung der Revisionswerberin würden schwerer wiegen als ihre privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich, ist angesichts ihrer letztlich nicht sehr stark ausgeprägten Integration in Österreich - die Revision verweist über die vom BVwG festgestellten Aspekte hinaus nur noch auf eine ehrenamtliche Tätigkeit der Revisionswerberin - aber jedenfalls vertretbar. Das gilt auch vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden regelmäßig von einem Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist, denn diese Judikaturlinie kommt in Folge des unbekannten Aufenthalts der Revisionswerberin von Mitte 2010 bis März 2015 und wiederum ab Juli 2016 fallbezogen nicht zum Tragen (siehe schon den die Revisionswerberin betreffenden, in einer Schubhaftangelegenheit ergangenen Beschluss VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0251, Rn. 11; siehe aus jüngerer Zeit zu einer vergleichbaren Konstellation auch VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0098, Rn. 10).

10 Die Revisionswerberin spricht zwar im gegebenen Zusammenhang auch ihr "Fluchtvorbringen" im Asylverfahren an und thematisiert dabei ihre Rückkehrsituation nach 13-jähriger Abwesenheit aus dem Herkunftsstaat. Konkrete Probleme in diese Richtung hat die Revisionswerberin in dem dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegenden Verfahren aber nie geltend gemacht. Auch die Revision unterlässt diesbezüglich jede Konkretisierung und begnügt sich mit dem allgemeinen Vorwurf, dass die dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegenden Länderfeststellungen nicht die gebotene Aktualität aufweisen würden.

11 Infolge Unterbleibens jeglicher Konkretisierung vermag die Revisionswerberin somit auch insoweit - unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 12. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210077.L00

Im RIS seit

30.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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