TE Vwgh Beschluss 2019/11/13 Ra 2019/13/0039

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Veröffentlicht am 13.11.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §80 Abs1
BAO §9 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie den Hofrat MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der H in W, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 15. Februar 2019, Zl. RV/7105910/2018, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin war Geschäftsführerin der M-GmbH. An der Gesellschaft waren die Revisionswerberin und S. zu je 25% sowie der Ehegatte der Revisionswerberin mit 50% beteiligt. Die Geschäftsführung wurde von der Revisionswerberin und S., jeweils einzelvertretungsbefugt, ausgeübt. Im Jahr 2010 wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. 2014 wurde das Konkursverfahren mangels Kostendeckung mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien aufgehoben. Die Gesellschaft wurde infolge Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht.

2 Mit Bescheid vom 20. Jänner 2017 zog das Finanzamt die Revisionswerberin gemäß § 9 iVm § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der M-GmbH betreffend die Umsatzsteuer 2007 sowie die Kapitalertragsteuer 2007, die unberichtigt auf dem Abgabenkonto der M-GmbH aushafteten, heran. Begründend führte es aus, dass sie im Zeitraum der Fälligkeiten der Abgaben zur Geschäftsführerin der M-GmbH bestellt und daher gemäß § 18 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen gewesen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO ausgehen könne.

3 Gegen den Bescheid brachte die Revisionswerberin am 20. Februar 2017 Beschwerde ein. Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 21. August 2018 als unbegründet ab. Die Revisionswerberin beantragte, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) vorzulegen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BFG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5 In der Begründung führte das BFG zusammengefasst und soweit für das Revisionsverfahren wesentlich aus, dass nach dem Firmenbuchauszug die Beschwerdeführerin seit Gründung der Gesellschaft im April 2007 bis April 2008 neben S. handelsrechtliche Geschäftsführerin der M-GmbH gewesen sei. Eine Aufteilung der Vertreteragenden zwischen der Beschwerdeführerin und S. sei im gesamten Haftungsverfahren nicht behauptet worden. 6 Als bestellte Geschäftsführerin habe die Beschwerdeführerin die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Zu diesen Pflichten gehörten auch die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht sowie die Sorgetragung für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln. 7 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, dass ihr Ehegatte der faktische Geschäftsführer der M-GmbH sei und ihr auf Grund der familiären Struktur ein Eingreifen in die Geschäftsführung nicht möglich gewesen wäre, würde nichts an ihrer Stellung als Organwalterin nach dem GmbHG und an den sie nach § 80 BAO treffenden Pflichten ändern.

8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. 13 Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. 14 In der Zulässigkeitsbegründung zur außerordentlichen Revision wird ausschließlich geltend gemacht, das BFG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ab, weil es die Revisionswerberin zur persönlichen Haftung für die Abgabenschuld eines Unternehmens herangezogen hat, obwohl sie nicht mit der Entrichtung der Steuern dieses Unternehmens betraut war. In dem Zusammenhang wird das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038, VwSlg. 7038/F, zitiert, wonach es bei der Beurteilung der Verschuldensfrage darauf ankäme, welcher Geschäftsführer mit der Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten befasst gewesen sei. Im Falle der Aufteilung der Agenden zwischen mehreren Geschäftsführern einer GmbH könnten im Regelfall die mit Abgabenangelegenheiten nicht befassten Personen nicht zur Haftung dafür herangezogen werden. Eine interne Verteilung der Geschäftsführeragenden könne, soweit sie nachweisbar besteht, unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Zulässigkeit grundsätzlich geeignet sein, ein Verschulden des mit den Abgabenangelegenheiten nicht betrauten Geschäftsführers an der Uneinbringlichkeit von Abgabenschuldigkeiten auszuschließen. Das BFG habe die Beurteilung der Verschuldensfrage abweichend von diesem Erkenntnis vorgenommen.

15 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt. Die Revisionswerberin hat weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem BFG eine innere Aufteilung der Geschäftsführungsagenden, wonach nicht sie, sondern S. mit Abgabenangelegenheiten betraut gewesen wäre, behauptet. Eine solche Behauptung, der das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot entgegenstünde, wird auch in der Revision nicht erhoben. Die in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Tätigkeit des Ehegatten der Revisionswerberin und somit einer nicht zum Geschäftsführer bestellten Person als faktischer Geschäftsführer ist nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das Bundesfinanzgericht nach dem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision (§ 28 Abs. 3 VwGG) abgewichen sein soll, und wird in der Revision weder im Zulässigkeitsvorbringen noch in den Revisionsgründen zur Sprache gebracht. Auf die Behandlung dieses Themas im angefochtenen Erkenntnis wird nirgends eingegangen. 16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

17 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 13. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130039.L00

Im RIS seit

30.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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