TE Vwgh Beschluss 2019/11/26 Ra 2019/14/0276

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Veröffentlicht am 26.11.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder sowie die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Dr. Georg Watschinger, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Schärdingerstraße 43, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. Mai 2019, W203 2202703- 1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 8. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass sein Vater als Mudjahedin verfolgt worden und deshalb bereits vor seiner Geburt in den Iran geflohen sei. Darüber hinaus habe es mit den Onkeln des Revisionswerbers Grundstücksstreitigkeiten gegeben. Er sehe für sich keine Zukunft im Iran. Im Fall seiner Rückkehr habe er Angst vor dem Krieg.

2 Mit Bescheid vom 3. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Vor allem im Hinblick auf vom Revisionswerber begangene Straftaten, die auch zu entsprechenden gerichtlichen Verurteilungen geführt hatten, sprach die Behörde unter einem den Verlust des Aufenthaltsrechts ab 30. Juni 2017 aus und erließ ein auf sechs Jahre befristetes Einreiseverbot.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. Mai 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Revisionswerber gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 22. September 2017 verloren habe sowie dass die Dauer des verhängten Einreiseverbots auf vier Jahre herabgesetzt werde. Die Erhebung einer Revision erklärte das BVwG nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst vor, das BVwG habe unter Verletzung des Parteiengehörs veraltete Länderberichte herangezogen und die vom Revisionswerber vorgelegten Länderberichte übergangen. Es hätte eine mündliche Verhandlung anberaumen müssen, um dem Revisionswerber die Möglichkeit zu geben, "zu seinem aktuellen Privat- und Familienleben, zur aktuellen allgemeinen und zur subjektiven Bedrohungs- Sicherheits- und Menschenrechtslage in Afghanistan Stellung zu nehmen". Zudem wendet die Revision eine Verletzung der Begründungspflicht im Zusammenhang mit dem Unterbleiben der mündlichen Verhandlung und die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung ein.

8 Wenn in der Revision behauptet wird, das BVwG habe die Begründungspflicht verletzt, das Vorbringen des Revisionswerbers übergangen und veraltete Länderberichte seiner Entscheidung zugrunde gelegt, macht sie Verfahrensfehler geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2018/14/0375, mwN). Eine solche Darlegung enthält die Zulassungsbegründung der Revision nicht. Ergänzend wird angemerkt, dass entgegen dem Revisionsvorbringen das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 zugrunde gelegt hat, währenddessen die in der Beschwerde angeführten Länderberichte aus einer Zeit davor datieren.

9 Die Revision macht zwar eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend, legt aber mit der nicht weiter substantiierten Behauptung in der Zulassungsbegründung, das BVwG habe veraltete Länderberichte und einen veralteten "Integrationssachverhalt" als Entscheidungsgrundlage herangezogen, nicht dar, warum die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gesetzlich geboten gewesen wäre (vgl. zur Verhandlungspflicht grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018). 10 Insbesondere wird auch nicht ausgeführt, welche zugunsten des Revisionswerbers in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK sprechenden Umstände vom BVwG hätten ergänzend festgestellt werden müssen. Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0397, mwN). Das BVwG hat im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK alle wesentlichen Kriterien berücksichtigt und gelangte dabei zu einer auf einer nachvollziehbaren und sachgerechten Gewichtung beruhenden Beurteilung, die auf der Grundlage der Rechtsprechung jedenfalls nicht unvertretbar ist und gegen die daher keine Bedenken bestehen.

11 Vor diesem Hintergrund ist fallbezogen nicht ersichtlich, dass das BVwG von den vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgewichen wäre. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nämlich in eindeutigen Fällen abgesehen werden (siehe unter vielen etwa VwGH 24.1.2019, Ra 2018/21/0222, mwN).

12 Sofern sich der Revisionswerber schließlich gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 12.8.2019, Ra 2019/14/0300, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung wird in der Revision nicht aufgezeigt. 13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

14 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichthof abgesehen werden.

Wien, am 26. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140276.L01

Im RIS seit

30.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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