Entscheidungsdatum
12.07.2019Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Helm über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwälte, gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch seine stundenlange Anhaltung mit mehr als 1.300 anderen Personen auf der Fläche vor dem Renault-Gebäude zwischen Laaerberg-Brücke und Absbergsteg sowie durch die anschließende Wegweisung aus dem verordneten Sicherheitsbereich um das Stadion der Wiener Austria, am 16.12.2018 in Wien, gegen die Landespolizeidirektion Wien als belangte Behörde, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 18.06.2019 sowie am 01., 02., 03., 04., 05., 08., 09., 10., 11. und 12.07.2019, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung zur Identitätsfeststellung sowie die Wegweisung für rechtswidrig erklärt.
II. Der Rechtsträger der belangten Behörde hat dem Beschwerdeführer EUR 1.475,20 für zweifachen Schriftsatzaufwand und EUR 922,00 für Verhandlungsaufwand, insgesamt sohin EUR 2.397,20 an Aufwandersatz, binnen 14 Tagen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung bei sonstigem Zwang zu leisten.
III. Die Revision ist unzulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
1. Am 25.01.2019 erhob der Einschreiter durch seinen Rechtsfreund Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, worin er zum Sachverhalt vorbringt:
„Am 16.12.2018 fand das Fußballspiel zwischen dem FK Austria Wien und dem SK Rapid Wien in der Generali Arena, 1100 Wien, Horrplatz 1, statt. Im Vorfeld des Fußballspiels sammelten sich zahlreiche Anhänger des SK Rapid und legten den Weg zum Stadion gemeinsam zurück. Die im weiteren Umfeld des Stadions anwesenden Polizisten wirkten auch auf zahlreiche einzeln oder in kleinen Gruppen unterwegs befindlichen Rapid-Anhänger ein, sich dieser größeren Gruppe anzuschließen. Gegen 15.00 Uhr erreichte die Gruppe der Rapid-Anhänger die Laaer-Berg-Straße, welche über die Süd-Ost-Tangente (A23) führte. Die Gruppe der Rapid-Anhänger umfasste mehr als 1.300 Personen.
Die Süd-Ost-Tangente (A23) wurde daraufhin in beiden Fahrtrichtungen von etwa 15.05 Uhr bis 15.15 Uhr gesperrt.
Die Anreise dieser Gruppe von Rapid-Anhängern wurde im Bereich Laaer-Berg-Straße von 637 Polizisten beobachtet. An zahlreichen Stellen hat die Polizei mobile Überwachungskameras zum Einsatz gebracht und das Geschehen umfassend und aus mehreren Blickwinkeln auf Video aufgezeichnet. Hinzu kommt die Videoüberwachung und -aufzeichnung durch zwei Polizeihubschrauber, die sich über dem Geschehen befanden. Sämtliche Videokameras der Polizei sind moderne Geräte, die hochauflösende Bilder liefern. Ich selbst befand mich bei der Überquerung der Brücke ungefähr im vorderen Drittel, in der Mitte, dieser Gruppe von Rapid-Anhängern. Wahrnehmungen über Personen, die Schneebälle oder sonstige Gegenstände auf die Süd-Ost- Tangente geworfen haben sollen, hatte ich keine, da ich mich mitten in der Gruppe der Rapid-Anhänger und nicht bspw. am Straßenrand befand. Auch hatte ich keine Wahrnehmungen darüber, dass zum Zeitpunkt des Abbiegens auf den Trampelpfad - wo schließlich die zwangsweise Anhaltung erfolgte - noch Autos auf der Süd-Ost- Tangente fuhren.
Nach der Überquerung der Süd-Ost Tangente wurden sämtliche Personen, insgesamt zumindest 1.338 Personen, gegen 15.00 Uhr auf einem schmalen, unbefestigten Weg im Bereich oberhalb der Süd-Ost-Tangente (A23), zwangsweise angehalten und von Polizeikräften eingekesselt.
Dieser Weg, der teilweise nur vier Meter breit ist, befindet sich zwischen einem mehrstöckigen Bürogebäude und der Süd-Ost Tangente. Die Südost-Tangente verläuft an dieser Stelle auf einem rund acht bis zehn Meter niedrigerem Niveau. An der der Süd-Ost-Tangente zugewandten Seite des Weges geht es senkrecht in die Tiefe. Acht bis zehn Meter darunter sind die Fahrbahnen der A23. Diese Schlucht ist lediglich mit einem ein Meter hohen Geländer „gesichert". Der gegenständliche Weg war zum Zeitpunkt der Amtshandlung zur Tangente hin abschüssig, schneebedeckt, matschig und rutschig.
Zum Zeitpunkt der Amtshandlung hatte es dort Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, bei leichtem/mittelstarkem Wind.
Ich befand mich zum Zeitpunkt der Anhaltung und Einkesselung etwa im vorderen Drittel (Richtung Stadion).
Zunächst blieb ich für längere Zeit im Unklaren darüber, wieso ich und die anderen angehalten wurden. Auch über die Einrichtung eines Sicherheitsbereiches hatte ich keinerlei Wahrnehmungen. Erst nach einiger Zeit erfuhr ich, dass die Polizei beabsichtigte bei allen Personen der Gruppe Identitätsfeststellungen durchzuführen. Durchsagen der Polizei habe ich keine vernommen bzw. waren diese undeutlich und für mich nicht verständlich. Gemäß einem Online-Bericht der Kronen-Zeitung um 17.08 Uhr waren laut Polizeisprecher … die „Täter" jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeforscht.
Während dieser mehrstündigen Anhaltung und Einkesselung durch die Organe der belangten Behörde erhielt ich weder eine Versorgung mit Essen und/oder Getränken noch bekam ich die Möglichkeit, eine Toilette zu benützen. All dies wurde von den anwesenden Polizeibeamten ausdrücklich verweigert. Erst nach etwa sechs Stunden der zwangsweisen Anhaltung erhielten wir etwas zu trinken. Wir mussten uns zu Zehnt einen Becher kalten Tee teilen. Erst später wurden Thermobecher verteilt. Der Tee kam aber nicht von der Polizei. Weiters wurde es mir verwehrt, eine Toilette zu benützen und als ich den Beamten danach fragte, wie lange die Anhaltung noch dauern werde, wurde mir geantwortet: „Wir befinden uns im Strafrecht. Das kann bis zu 48 Stunden dauern." Als ich wegen Sanitäranlagen fragte, um zumindest meine Notdurft verrichten zu können und auf die kalten Temperaturen sowie die Dauer hinwies, bekam ich zur Antwort: „Ja. Ich steh' ja auch da.". Mehrere Personen benötigten offenkundig medizinische Versorgung und verständigten die Rettung. Die anrückenden Rettungskräfte wurden von der anwesenden Polizei aber daran gehindert, die Hilfsbedürftigen im Polizeikessel zu versorgen.
Schließlich wurde ich gegen 21.30 Uhr von einem Beamten zur Ausweisleistung aufgefordert, nachdem ich den Kessel verlassen durfte. Ein konkreter Grund dafür wurde mir nicht genannt. Ich bin dieser Aufforderung nachgekommen. Anschließend wurde ich noch fotografiert und abgefilmt sowie weiters umfassend durchsucht. Schließlich wurde mir erklärt, dass ich aus dem Sicherheitsbereich weggewiesen werde. Einen Grund dafür hat man mir nicht genannt. Ich erhielt lediglich die als Beilage vorgelegte Verständigung.
Aufgrund des bei mir eingetretenen Erschöpfungszustandes und der gravierenden Unterkühlung konnte ich am darauffolgenden Tag, dem 17.12.2018, nicht zur Arbeit gehen.“
In rechtlicher Hinsicht wird zur Wegweisung ausgeführt, ein Sicherheitsbereich im Sinne des § 49a SPG sei nicht rechtswirksam verordnet worden, weil eine gehörige Kundmachung im Vorhinein nicht stattgefunden habe. Sollte dies aber doch der Fall gewesen sein, so wäre dessen räumliche Ausgestaltung überschießend und unverhältnismäßig gewesen.
Die Anhaltung zur Identitätsfeststellung sei aus mehreren Gründen unverhältnismäßig gewesen. Zum einen habe die Polizei ohnehin bereits über Beweismittel in Form von hochauflösenden Videoaufnahmen und Beobachtungen von Seiten ihrer Beamten verfügt; außerdem sei schon vor 17.00 Uhr verkündet worden, dass die vermeintlichen Täter ausgeforscht worden seien. Selbst im Falle anfänglicher Rechtfertigung wären die Anhaltungen unverhältnismäßig geworden, als sich herausgestellt habe, dass sie sich über mehrere Stunden in der Winterkälte hinziehen würden. Die belangte Behörde hätte auch nicht „pauschal und wahllos“ alle rund 1300 Personen einer Identitätsfeststellung unterziehen dürfen, sondern anhand der „bis dahin gewonnenen Ermittlungsergebnisse“ eine Auswahl treffen müssen. Es wird ein Vergleich gezogen mit Weihnachtsmärkten, Volksfesten etc., bei denen es nicht sinnvoll sei, alle in der Menschenmenge Anwesenden zu Straftaten Einzelner zu befragen.
Die stundenlange Anhaltung unter den gegebenen Bedingungen sei nicht nur als Freiheitsentziehung sowie als unverhältnismäßig zu beurteilen, sondern konstituiere darüber hinaus eine Verletzung des Art. 3 EMRK, habe es doch keine Möglichkeit gegeben, eine Toilette aufzusuchen oder Nahrung sowie warme Getränke zu besorgen. Darüber hinaus habe schon der (Anm.: selbst nicht angefochtene) Anlass der Anhaltung, die Identitätsfeststellung, nicht auf § 35 SPG gestützt werden können.
Der Beschwerdeführer beantragt daher, die angefochtenen Maßnahmen kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären.
2. Die belangte Behörde legte zunächst im erstbearbeiteten der 30 parallelen Beschwerdeverfahren (…) auftragsgemäß die schriftliche Beantwortung der vom Verwaltungsgericht Wien mit Note vom 28.02.2019 gesendeten Fragenliste samt Beilagen, darunter eine DVD mit Aufnahmen der Identitätsfeststellungen vor. Als Verwaltungsakt legte sie zunächst den „Verlaufsbericht Einsatzabschnitt ,...“ von Oberstleutnant C. samt Beilagen, den Bericht des LVT vom 22.12.2018 über Wahrnehmungen bei dem fraglichen Einsatz und die Meldung von Kontrollinspektor D. betreffend Sicherstellung von Sachen vor. Dieser Akt wurde im Laufe des Verfahrens durch weitere Unterlagen und Videomaterial ergänzt, welches weiter unten angegeben wird.
2.1. Unter einem erstattete die belangte Behörde eine Gegenschrift, in der sie zum Sachverhalt auf den Amtsvermerk der Polizeiinspektion E. vom 16.12.2018 betreffend vorsätzliche Gemeingefährdung etc. verweist und dazu ausführt, der Ablauf des Einsatzes bis zum Zeitpunkt dieser gerichtlich strafbaren Handlungen bzw. die bis zu diesem Zeitpunkt gesetzten gerichtlich strafbaren Handlungen seien in dem Sachverhalt laut Verlaufsbericht des Einsatzabschnittes „...“ von Oberstleutnant C. und dem Bericht des LVT von Oberst F. (beide enthalten im vorgelegten Verwaltungsakt) dargelegt.
Die Beschreibung der örtlichen Gegebenheiten am Anhaltungsort in der Beschwerde sei zum Teil grob unrichtig. So sei der Wegabschnitt, auf dem die Anhaltung stattgefunden habe, weder am 16.12.2018 noch danach zur Tangente geneigt gewesen. Er sei vielmehr zur Tangente hin über fast die gesamte Strecke waagrecht und erst im letzten Abschnitt, der dem Stadion am nächsten liege, geneigt. Dies jedoch gerade nicht zur Tangente hin, sondern zur Grundstückseinfriedung des dort befindlichen Unternehmens. Weiters entspreche es nicht der Lebenserfahrung, dass bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ein auf natürlichem Untergrund vorhandener Schneebelag matschig sei. Wenn in den Beschwerden ferner die Sicherheit des dort befindlichen Geländers in Zweifel gezogen werde, sei dazu festzuhalten, dass das Geländer exakt jener Ausführung entspreche, die in Wien bei zahlreichen Brücken – gleichgültig ob über die Donau, den Donaukanal, stark befahrene Straßen, Bahnanlagen oder U-Bahnlinien, Verwendung finde. Auch der angeführte Niveauunterschied von acht bis zehn Metern sei an Orten, an denen ein solches Brückengeländer existiere, keine Besonderheit, sondern sei anderorts sogar bei weitem größer.
In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, es sei dadurch, dass beim Überqueren der Süd-Ost-Tangente im Zuge der Laaer-Berg-Straße aus der betreffenden Menschenmenge heraus Gegenstände auf die Fahrbahn geworfen und vorbeifahrende Fahrzeuge damit getroffen worden seien, der gerichtlich strafbare Tatbestand des § 176 StGB verwirklicht worden. Die Ermittlungen seien in diesem Fall höchst aufwendig, weil jede der bei dem in Rede stehenden Einsatz beamtshandelten Personen als Täter in Frage komme. Insbesondere entspreche es nicht der Realität, dass sich der Verdacht nur gegen die im vorderen Teil des Fanmarsches aufhältigen Personen gerichtet habe. So seien von Personen in verschiedenen Bereichen jener Menschenansammlung pyrotechnische Gegenstände gezündet worden. Ungeachtet dessen bestehe die große Wahrscheinlichkeit, dass die diesbezüglichen Täter ausgeforscht werden, wofür die Identitätsfeststellung aller zu diesem Fanzug gehörenden Personen auf der Grundlage von § 118 Abs. 1 und 2 StPO Voraussetzung gewesen sei.
Darüber hinaus sei die Identitätsfeststellung auch im Hinblick auf die überaus zahlreichen, bereits zuvor aus der Menschenmenge heraus gesetzten gerichtlich strafbaren Handlungen in Gestalt von Gefährdungen der körperlichen Sicherheit – durch Zünden pyrotechnischer Artikel in einer dicht gedrängten Menschenmenge – sowie von versuchten Körperverletzungen bzw. tätlichen Angriffen und Nötigung – begangen durch das Werfen von pyrotechnischen Gegenständen und einer Glasflasche sowie von Schneebällen gegen unbeteiligte Passanten und die im Einsatz befindlichen Sicherheitsorgane – notwendig gewesen. Außerdem sei die Identität der Personen auch im Hinblick auf ein geplantes Vorgehen nach § 49a SPG festgestellt worden, zumal am Vorfallstag für das Stadion und dessen Umgebung ein per Verordnung festgelegter Sicherheitsbereich bestanden habe. In der Fragebeantwortung, die Teil des Aktes ... ist und auf die die Gegenschrift verweist, werden generell als Grundlage der Identitätsfeststellungen § 118 Abs. 1 und 2 StPO sowie § 35 Abs. 1 Z 9 SPG genannt. Als Grundlage der Durchsuchungen wurden demnach § 40 Abs. 2 SPG und § 9 Z 1 Pyrotechnikgesetz herangezogen.
Zum Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes wird ausgeführt, die eingesetzten 600 Polizeibeamten seien nicht dem etwa 1.300 bis 1.400 Personen umfassenden Fanzug gegenübergestanden, sondern dabei handle es sich in der Größenordnung um die Gesamtzahl der im Zusammenhang mit der gesamten Fußballveranstaltung, einschließlich Verkehrsregelungen und Stabstellen, eingesetzten Beamten. Entgegen der in der Beschwerde geäußerten Ansicht sei das angefertigte Videomaterial keineswegs von solcher optischen Schärfe, dass alleine darauf die Personen hätten identifiziert werden können. Wie bereits in der Fragebeantwortung ausgeführt, sei es auch nicht richtig, dass die Täter bereits ausgeforscht gewesen seien. Entgegen der Beschwerdebehauptung sei der Kreis der zu Identifizierenden nicht einschränkbar gewesen. Vielmehr sei im Zuge der organisierten Anreise der Fans eine Vielzahl von verwaltungsbehördlich und gerichtlich strafbaren Handlungen wahrzunehmen gewesen, bei denen die Täter fast immer durch Untertauchen in der Menge bzw. Agieren aus der Menge heraus zunächst unerkannt geblieben seien. Der in der Beschwerde gezogene Vergleich mit einem Weihnachtsmarkt oder Volksfest gehe schon deshalb ins Leere, weil die Besucher derartiger Veranstaltungen nicht auf so engem Raum beisammen stehen. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass ein Großteil der gerichtlich strafbaren Handlungen (Bewurf von Anrainern, Verwenden von pyrotechnischen Gegenständen in der Menschenmenge, etc.) für alle Anwesenden deutlich sichtbar gewesen sei. Dazu komme noch die hohe Anzahl von gesetzten Delikten, die es geradezu unmöglich gemacht habe, dass ein Teilnehmer am Fanmarsch während der gesamten Dauer kein einziges Delikt registriert hätte. Schließlich seien die Marschteilnehmer unter der Führung einer kleinen Gruppe von Einpeitschern gestanden. Die mit der Anhaltung bezweckte Identitätsfeststellung sei daher zur kriminalpolizeilichen Aufgabenerfüllung unbedingt erforderlich gewesen, und die bei den Angehaltenen bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung habe sich in einem durchaus angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftaten, zur Dringlichkeit des Verdachts und zum angestrebten Erfolg befunden. Dabei sei zu bedenken, dass durch den Bewurf einer – stark befahrenen – Autobahn typischerweise eine große Zahl von Menschen, die völlig unbeteiligt (ja bezüglich der Gefahr völlig ahnungslos) seien, derart gefährdet werden, dass schwere Verkehrsunfälle verbunden mit einer nicht eingrenzbaren Zahl von Schwerverletzten oder Getöteten nur mehr durch Zufall zu vermeiden seien. Die Rechtsgutbeeinträchtigung von Personen, die ein dermaßen extrem rücksichtsloses Verhalten zeigen oder die Straftäter durch ihr solidarisches Verhalten decken und in gewisser Weise in deren Vorgehen bestärken, sei jedenfalls geringer einzustufen als die massive Gefährdung der Fahrzeuginsassen auf der Autobahn. Ähnliche Überlegungen, soweit es die Rücksichtslosigkeit und Schädigung der Gesundheit anbelangt, gälten auch für das Bewerfen von Personen mit brennenden Pyrotechniken oder von kleinen Kindern mit Schneebällen oder Eisbrocken.
Den von der Anhaltung Betroffenen seien durch die wiederholten Lautsprecherdurchsagen der belangten Behörde Zweck und Ziel der Anhaltung bekannt gewesen. Auch in Einzelgesprächen, nicht zuletzt mit den Personen aus dem Kreis der Anführer des Fanmarsches, sei eindeutig klargelegt worden, weshalb die Anhaltung erfolgt sei. Dabei werde von der belangten Behörde nicht übersehen, dass polizeiliche Lautsprecherdurchsagen von vielen Teilnehmern am Fanmarsch mit einem Pfeifkonzert und Geschrei quittiert worden seien. Unrichtig sei jedoch, dass dadurch der Inhalt der Durchsagen, die außerdem mehrfach wiederholt worden seien, überhaupt nicht wahrnehmbar gewesen wäre. Dies zeige sich auch an den diesbezüglichen Kommentaren von mit dem Marsch Sympathisierenden in elektronischen Netzwerken. Außerdem sei es nicht von der belangten Behörde zu verantworten, wenn die Adressaten einer Information durch ihr eigenes Verhalten bewusst die Wahrnehmung des Inhalts der Information verhindern.
Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Identitätsfeststellungen nicht länger als unbedingt erforderlich gedauert haben. Dazu wird ausgeführt, Teile der angehaltenen Menge hätten die Aufforderungen, sich der Identitätsfeststellung zu unterziehen, boykottiert. Als sich herausgestellt habe, dass so gut wie niemand zu einer raschen Identifizierung an die Beamten herangetreten bzw. Identifizierungswillige durch die Boykottierenden daran gehindert worden seien, habe man sogar die beim Absbergsteg bereits eingerichteten Identitätsfeststellungsstraßen wieder abgebaut und zur anderen Absperrung an die Laaerberg-Straße verlegt, um die von Teilen der Angehaltenen herbeigeführte Verzögerung nicht weiter auszudehnen.
Die belangte Behörde beantragt daher, die Beschwerde in diesem Punkt kostenpflichtig abzuweisen.
Zur Wegweisung führt die belangte Behörde aus, es habe für das Stadion und dessen Umgebung ein verordneter Sicherheitsbereich bestanden, welcher auch den Ort der Identitätsfeststellungen umfasst habe. Aufgrund der zuvor im Zuge des Fan-Marsches verübten Straftaten sei „mit absoluter Sicherheit“ von der Begehung weiterer Straftaten durch die Teilnehmer auszugehen gewesen. Auch seien die unmittelbaren Täter durch das blockhafte Auftreten der übrigen Teilnehmer entscheidend dabei unterstützt worden, vorerst unerkannt zu bleiben. Die Wegweisung sei daher zu Recht erfolgt, weshalb auch diesbezüglich die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
2.2. Bei den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Unterlagen handelt es sich um folgende:
? einen Bericht der LPD an das BMI zur Weiterleitung an die Volksanwaltschaft (Beilage ./A).
? einen Zusammenschnitt gleichzeitiger Videoaufnahmen über die relevanten Zeiträume während des Fanzuges und danach während der Anhaltung; dazu wurde in der Folge auftragsgemäß eine Auflistung sämtlicher Videoaufnahmen der Landespolizeidirektion Wien während des Corteo und der Amtshandlung vorgelegt (Beilage ./B), samt dem zugehörigen Bildträgern (von denen während der Verhandlung alle von den Parteien gewünschten Ausschnitte vorgeführt worden sind).
? eine Liste der Identitätsfeststellungen samt den Zeitpunkten (der Liste ist eine vom Gericht verfertigte stundenweise Auswertung für die ersten drei errichteten Aufarbeitungsstraßen angeschlossen (Beilage ./C).
2.3. Vom 12.06.2019 bis zum 28.06.2019 wurden – nach zwei Zurückziehungen – die 28 verbliebenen Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer in Einzelverhandlungen einvernommen und dazu einzelne Zeugen, deren Aussage vorwiegend für die betreffenden Beschwerdeführer von Relevanz erschien. Ab 01.07.2018 wurden die 28 Beschwerdesachen zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Die Protokolle der davor durchgeführten Verhandlungen in den Einzelsachen wurden zusammengefasst dem Akt als Beilage ./D angefügt.
3. Die Verhandlung zur Einvernahme des Beschwerdeführers fand am 18.6.2019 statt und wurde auf den 01.07.2019 vertagt. Mit diesem Datum wurden sämtliche 28 parallelen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und am 02., 03., 04., 05., 08., 09., 10., 11. und 12.07.2019 fortgesetzt. Es wurden (in dieser Reihenfolge) die Zeugen G., H., KI J., K., L., Obstlt. C., Obstlt. M., Obstlt. N., Oberst F., RvI P., RvI R., AI S., Mag. T., CI U., V., W., X., Y., GrI Z., Dr. Ab., BzI Ac., Ad. und RvI Af. einvernommen, sowie die verfügbaren Videoaufnahmen in ihren relevanten Teilen vorgeführt. Nach Abschluss des Beweisverfahrens am 12.07.2019 wurde das Erkenntnis verkündet.
3.1. Aufgrund des Verwaltungsaktes, der übrigen vorgelegten Unterlagen, der Einvernahme der genannten Zeugen und der Beschwerdeführer nicht nur des gegenständlichen, sondern auch der anderen parallelen Verfahren sowie der Videovorführungen hat das Verwaltungsgericht Wien folgenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:
Für den 16.12.2018 war im neu errichteten Stadion der Wiener Austria ein „Wiener Derby“ gegen den Stadtrivalen SK Rapid angesetzt, welches für beide Clubs von besonderer Bedeutung war, da nach den neuen Bestimmungen des Bundesliga-Bewerbs mit der Winterpause eine Trennung der Liga in ein Aufstiegs- und ein Abstiegsturnier vorgesehen war. Aus diesem Grund, und weil nach der vorangegangenen Neuerrichtung des Rapid-Stadions dort Ausschreitungen und Sachbeschädigungen der Austria-Anhänger stattgefunden hatten, wurde seitens der belangten Behörde erhöhtes Augenmerk auf dieses Match gelegt. Da ihre Vertreter jedoch bei der vorangegangenen Sicherheitsbesprechung keine verbindlichen Auskünfte über das Stattfinden eines Fanzuges („Corteo“) erhielten und nur ihrerseits deponieren konnten, dass ein allenfalls stattfindender Corteo auf demselben Weg wie üblich abgehalten werden möge, war die Behörde auf Informationen aus der Szene angewiesen.
Am 16.12.2018 versammelten sich ab etwa 12:00 Uhr mittags mehrere hundert Rapid-Fans vor dem Lokal „Q.“ in der Nähe des Hütteldorfer Stadions, um gemeinsam den Weg mit der U4 zum Karlsplatz und von dort mit der U1 zum Reumannplatz anzutreten, wo weitere Fans dazustoßen sollten. Von dort führte der übliche – aus Sicherheitsgründen auch von der Polizei angeregte – Weg über die Laaerbergstraße und die gleichnamige Brücke bis vor das Gebäude der Firma Renault und dort über einen Trampelpfad vor dem Firmengebäude entlang der Südosttangente bis zum Absbergsteg und weiter zum Gästesektor des Austria-Stadions.
Bereits beim Sammeln in Hütteldorf wurde ungeachtet des gesetzlichen Verbots exzessiver Gebrauch von Pyrotechnik gemacht. Dieser Gebrauch setzte sich auch in der U4-Station fort, wo in der Unterführung bengalische Fackeln und auf dem Bahnsteig Böller gezündet wurden. Bereits dort bestand eine besonders aggressive Stimmung gegenüber den begleitenden Polizeieinheiten; so wurde ein gefüllter Bierbecher gegen einen Polizeibeamten geworfen und es wurde versucht, Polizeibeamte am Mitfahren mit den U-Bahnzügen zu hindern. Die Wiener Linien hatten aufgrund des Verhaltens zunächst gezögert, die Rapid-Fans, unter denen sich auch der Beschwerdeführer bereits befand, zu befördern. Pyrotechnikmissbrauch gab es in der Folge auch in den Unterführungen und auf den Gleisen im Bereich der U-Bahnstationen Karlsplatz und Reumannplatz.
Beim neuerlichen Sammeln auf dem Reumannplatz waren die meisten der später angehaltenen über 1.300 Teilnehmer des Fanzuges schon anwesend; nur noch wenige, darunter ein anderer Beschwerdeführer, stießen im Zuge des Marsches über die Laaerbergstraße dazu. Bereits auf dem Reumannplatz kam es zu einem massiven gemeinsamen Wirken der Fans, nicht nur in der Richtung, dass sie ihre Unterstützung für den SK Rapid demonstrierten, sondern auch in Form einer demonstrativen Inbesitznahme des gesamten Reumannplatzes und des Beginns der Laaerbergstraße. So wurde der gesamte Platz mit farbigem Rauch eingenebelt, sodass zeitweise fast nichts mehr zu erkennen war. Es wurden Bengalen und Böller gezündet und die Exekutivbeamten mit Schneebällen beschossen. Gleichzeitig signalisierten Teilnehmer den Exekutivbeamten Kampfbereitschaft und forderten sie durch Gesten und verbal auf, sich zu entfernen. Für Passanten, Anrainer und weitere Außenstehende bot sich das Bild, dass der Mob die Herrschaft über die Straße ausübe und selbst die Polizei dem nichts entgegenzusetzen habe. Es ist davon auszugehen, dass wenigstens ein Drittel der Teilnehmer – mit anderen Worten der „harte Kern“ – genau diesen Eindruck hervorrufen wollte, und die übrigen zumindest keine Notwendigkeit sahen, sich davon zu distanzieren. Dies zeigt sich ebenso an Inbesitznahme-Ritualen wie dem Urinieren zahlreicher männlicher Teilnehmer an Hausmauern; so urinierten etwa 50 an die Fassade des Amalienbades.
Nach dem Abmarsch vom Reumannplatz wurden nicht nur Polizeibeamte mit Schnellbällen beworfen, sondern Anrainer, die bei geöffneten Fenstern fotografieren wollten und Passanten, die ein Smartphone in der Hand hielten. Dies erfolgte gezielt, um diese Personen vom Fotografieren oder Filmen des Corteo abzuhalten. Weiters wurde nach wie vor exzessiv Pyrotechnik eingesetzt, inmitten der recht dicht gedrängten Menschenmenge gezündet, und es wurden bengalische Fackeln in Richtung der vorne marschierenden Polizeibeamten geworfen. Nach diesen – mindestens zwei – Fackelwürfen erhöhten die vorne marschierenden Polizeibeamten den Abstand von bis dahin 20 Metern Entfernung noch weiter. Die szenekundigen Beamten konnten in der Folge erreichen, dass wenigstens diese Fackelwürfe vorerst aufhörten.
Während des Marsches hielten die vorne marschierenden Personen – dort marschierte der größere Teil des „harten Kerns“, ein kleinerer Teil marschierte weiter hinten und vollführte Drohgesten gegen die nachfolgenden Polizeibeamten – den Fanzug immer wieder an und achteten darauf, dass die nachfolgenden Fans möglichst eng zusammenrückten, weit enger als dies üblicherweise bei Versammlungen (z.B. bei politischen Versammlungen) der Fall ist. Dabei wurden Fan-Gesänge durchgeführt, Kampfbereitschaft signalisiert und Drohgesten gegenüber den vor- und nachmarschierenden Polizeibeamten gezeigt. Darüber hinaus setzten Teilnehmer in allen Teilen des „Corteo“ Pyrotechnik ein. Das Zusammenrücken erfolgte in einer Weise, welche nicht nur das Ausfindigmachen einzelner Werfer stark erschwerte, sondern es nahezu unmöglich machte, besonders aktive Gruppen von Werfern und Ausführende von gerichtlich strafbaren Handlungen oder Verwaltungsübertretungen von den Übrigen zu separieren, ohne mit nahezu der gesamten Gruppe von 1.300 Personen in massive Kampfhandlungen einzutreten. Aus diesem Grund schritten trotz zahlreicher Anrainer- und Passantenbeschwerden und wahrgenommener strafbarer Handlungen die Polizeikräfte nicht ein, um die mutmaßlichen Täter festzunehmen oder wenigstens zu isolieren. Auf wiederholte Nachfragen des vor Ort befindlichen Einsatzleiters Obstlt. C. wurde von der Zentralen Einsatzleitung (Dr. Ab., Obst. M.) immer wieder auf „Deeskalation“ verwiesen. Daran hielten sich die vor Ort eingesetzten Kräfte bis zur Laaerbergbrücke, mag auch der Eindruck für die betroffenen Anrainer und Passanten eher der einer Kapitulation der Staatsmacht, als der einer Deeskalation gewesen sein.
Beim Überqueren der Laaerbergbrücke hielt die Spitze des Corteo neuerlich an, die Teilnehmer vollführten Gesänge und zündeten Pyrotechnik. Der Corteo rückte so eng zusammen, dass die gesamten mehr als 1.300 Personen alleine auf der Laaerbergbrücke Platz hatten. Währenddessen wurde aus dem Fanzug nicht nur ein Gegenstand in Richtung der vor dem Corteo aufgestellten Polizeibeamten, sondern es wurden auch mehrere Gegenstände auf die Fahrbahn der Südosttangente geworfen. Bei den letzteren handelte es sich – was in der Kommandozentrale am Schottenring im Echtzeit-Video nicht unmittelbar zu erkennen war – vorwiegend um Schneebälle, aber auch um wenigstens eine Bierdose und einen pyrotechnischen Gegenstand. Aus diesem Grund entschloss sich die Einsatzleitung, die mit solchen Vorfällen nicht gerechnet hatte, sofort, den Fanzug nach dem Einbiegen in das Gelände vor der Firma Renault mit Spitze beim Absbergsteg anzuhalten und die Anhaltezone hinten an der Laaerbergstraße zu schließen, um die Teilnehmer sämtlich auf der Grundlage des § 118 StPO einer Identitätsfeststellung zu unterziehen. Nach der ab circa 15:07 Uhr erfolgten Anhaltung zündete die Spitze des Corteo weiterhin Pyrotechnik und bewarf die vorne positionierten Exekutivbeamten mit Schneebällen. Die meisten Teilnehmer – darunter die Beschwerdeführer – nahmen vorerst an, es gebe noch eine Wartefrist aufgrund des erst um 15:30 Uhr geplanten Einlasses in das Stadion.
Da der vor Ort befindliche behördliche Einsatzleiter Mag. Al. sich noch auf dem obligatorischen Rundgang durch das Stadion vor dessen Eröffnung befand und die vorgesehenen Identitätsfeststellungen organisiert werden mussten, kam es zunächst zu einer Verzögerung bis 15:30 Uhr, als Mag. Al. sich nach Verlassen des Stadions mit den örtlichen Einsatzleitern besprechen konnte. Nach dieser Besprechung wurden etwa um 15:50 Uhr am vorderen Ende drei Identifizierungsstraßen mit Zugang über dem Absbergsteg eröffnet. Dieser Auslass wurde jedoch nur in ganz geringem Maße angenommen, zumal seitens der Fanvertreter an der Spitze des Corteo die Absicht bekundet wurde, nicht an der Identitätsfeststellung teilzunehmen, und Fans, die dennoch kooperieren wollten, sich mit Nachdruck an dieser Spitze vorbeizwängen und Beschimpfungen in Kauf nehmen mussten. Grundsätzlich war es aber möglich, zwischen Mitte des Corteo und der Spitze im engsten Bereich der Anhaltefläche durch und wieder zurückzukommen, wie dies auch dem Clubvertreter Ad. gelang, der in diesem Zeitraum Konsultationen mit Fanvertretern und szenekundigen Polizeibeamten durchführte.
Wegen der Nichtannahme des vorderen Auslasses wurden die drei Identifizierungsstraßen von der Einsatzleitung sukzessive nach hinten an die Laaerbergstraße verlegt, mit einem gemeinsamen Auslass an der Ecke des Renault-Gebäudes.
Bereits vor 16:00 Uhr war mehrfach verlautbart worden, dass sich die angehaltenen Personen wegen der vorgefallenen strafbaren Handlungen einer Identitätsfeststellung zu unterziehen hätten. Diese Durchsagen wurden zwar mit Pfiffen und Buh-Rufen begleitet, konnten aber von einem großen Teil der Angehaltenen wenigstens dem Sinne nach verstanden werden. Darüber hinaus wurde über die Homepage der Landespolizeidirektion Wien und auf Facebook von Rapid durchgegeben, dass eine Anhaltung zum Zwecke der Identitätsfeststellung stattfinde. Weiters wurde bekanntgegeben, dass die Angehaltenen nach der Identitätsfeststellung den Sicherheitsbereich um das Stadion zu verlassen haben.
Die mittlerweile am hinteren Ende angebrachten Aufarbeitungsstraßen zur Identifizierung wurden mit näher rückendem Matchbeginn (17:00 Uhr) in zunehmendem Maße angenommen, als den Angehaltenen klar wurde, dass sie das Match nicht mehr sehen würden. Etwa gegen 17:00 Uhr begann sich der Fanzug umzudrehen und die Angehaltenen strömten in Richtung Laaerberg-straße, wo der Auslass vorbereitet war. Im Zuge dessen begaben sich auch die ursprünglichen Anführer des Corteo nach hinten, um die Exekutivbeamten zu beschimpfen und den Ablauf der Identitätsfeststellungen zu stören, was jedoch keinen nachhaltigen Erfolg zeitigte. Allerdings gab es Gruppen, die sich weigerten, den mit Lautsprecher durchgesagten Aufforderungen, Frauen, Kinder und Gebrechliche vorzulassen, Folge zu leisten, und die dies auch lautstark bekundeten.
Ab etwa 17:00 Uhr verstetigte sich die Abarbeitung der Identitätsfeststellungen an dem einen Auslass mit den drei Aufarbeitungsstraßen. Ab Matchende wurden mit den dadurch freiwerdenden Kräften weitere Straßen mit einem Auslass in der Nähe der Laaerbergbrücke eingerichtet, sodass die Identitätsfeststellungen schneller erfolgen konnten. Im Zuge dieser Feststellungen wurden die Teilnehmer auf der Grundlage des Sicherheitspolizeigesetzes und des Pyrotechnikgesetzes durchsucht und in der Form abgefilmt, dass Aufnahmen ihres Gesichtes gemacht wurden und dann hinunter auf die Kleidung geschwenkt wurde. Diese Identitätsfeststellungen dauerten an den drei ursprünglichen Aufarbeitungsstraßen unterschiedlich lang, zumal an einer die Ausweise nicht bloß abfotografiert, sondern gleich notiert wurden; je nach Straße konnten durchschnittlich 30, 60 oder 90 Personen pro Stunde abgefertigt werden. Der Sanitätstrupp der belangten Behörde stand am Auslass beim Renault-Gebäude bereit und versorgte zahlreiche Personen, die mit Gesundheitsproblemen hingeleitet wurden, sei es von anderen Angehaltenen oder von Exekutivbeamten an der Absperrung. Der Trupp teilte auch seine Mineralwasservorräte aus und forderte weitere an, wobei auch über die Feuerwehr sowohl von Seite der Exekutive, als auch von Seiten des SK Rapid heiße Getränke angefordert und gebracht wurden. Die Identitätsfeststellungen zogen sich letztlich bis 21:50 Uhr.
Im Anschluss an die jeweilige Identitätsfeststellung wurde die betreffende Person aus dem Sicherheitsbereich weggewiesen, mit Ausnahme jener Personen, die vom San-Trupp weiter verbracht wurden (darunter eine andere Beschwerdeführerin) oder von einzelnen Kindern und deren Begleitpersonen (wie bei zwei weiteren Beschwerdeführerinnen), die „außertourlich“ hinausgelassen worden waren.
Zu den Bedingungen im Bereich der Anhaltefläche ist festzuhalten, dass der Untergrund matschig war, die Witterung kalt, wobei die Anhaltefläche aber einen größeren Bewegungsspielraum bot, als er etwa im Stadion bestanden hätte und erst recht, als er im Zuge des Zusammenrückens beim Corteo bestanden hatte. Anfänglich kamen auf den Quadratmeter Anhaltefläche etwa 1,6 Personen, wobei zu vermerken ist, dass das hintere Drittel der Anhaltefläche jedenfalls bis 16:00 Uhr nicht in Anspruch genommen wurde und völlig frei war, sodass eine bessere Verteilung der Angehaltenen über die Fläche erst gegen 17:00 Uhr stattfand, als der hintere Auslass von den Fans zunehmend in Anspruch genommen wurde.
3.2. Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweisergebnisse:
Die Beschwerdeführer waren bei ihren Parteienvernehmungen praktisch einhellig bestrebt, die Vorfälle im Zuge des „Corteo“ herunterzuspielen. Tätliche Angriffe in Form von Würfen auf die Beamten wollte keiner gesehen haben; nur von wenigen wurde der Nötigungszweck der Schneeballwürfe auf fotografierende Anrainer und Passanten unter Hinweis auf die Regeln des „Block West“ eingeräumt, die übrigen verharmlosten sie als lustige Schneeballschlacht. Ebenso räumten nur ganz wenige ein, dass nach der Anhaltung auch am vorderen Ende des Zuges ein Durchkommen möglich war, obwohl dies auf Videos zu erkennen ist und sich auch aus der Aussage des Zeugen Ad. ergibt (der sonst in geradezu auffälliger Weise immer gerade dort, wo es für die Fans nachteilig gedeutet werden konnte, keine Wahrnehmungen gemacht haben wollte).
Die Schneeballwürfe auf die Autobahn sind vielfach dokumentiert (Videos und Zeugen), eine dorthin geworfene Bierdose oder bengalische Fackel kann man auf den (allerdings nicht durchgehend den gesamten Bereich zeigenden) Videos nicht identifizieren. Da aber der Zeuge Obstlt N. aus eigener Wahrnehmung den Wurf einer Bierdose angibt, diese auch Gegenstand des Funkverkehrs war (Zeuge BzI Ac.) und letztlich auf der Fahrbahn zwei Bierdosen gefunden wurden, besteht zumindest über diesen wahrgenommenen Wurf kein vernünftiger Zweifel. Der Wurf einer Fackel von der Brücke ist zwar nicht auf den Videoaufnahmen zu erkennen; auf diesen ist jedoch zu sehen, dass auch noch auf der Brücke –außer den beiden deutlich sichtbaren Fackeln ganz vorne – weitere pyrotechnische Gegenstände innerhalb des „Corteo“ entzündet werden (…). Der Zeuge GrI Z. hat sogar noch dort den Wurf eines solchen Gegenstandes in Richtung der Beamten beobachtet (auf der Luftaufnahme … – ist, nach mindestens sechs Schneeballwürfen ab Minute 38:00, etwa ab Minute 38:40 zu sehen, dass ein Gegenstand, größer als ein normaler Schneeball, auf die Beamten vorne zurollt oder -fliegt). Sodann wurden unten auf der Autobahn Reste eines pyrotechnischen Gegenstandes gefunden (wie in den Akten dokumentiert ist). Anzumerken ist, dass bis kurz vor Erreichen der Laaerbergbrücke – wie aus den Videoaufnahmen ersichtlich – ein exzessiver Einsatz von Pyrotechnik stattgefunden hatte. Unter den genannten Umständen hier von einem Zufallsfund auszugehen, wäre geradezu naiv, mehr noch als bei den ebenfalls vorgefundenen Bierdosen. Auch hatte der Zeuge Mag. T. vor Ort von einem szenekundigen Beamten gehört, dass eine Fackel auf die Autobahn geworfen worden sei.
Wenn die Beschwerdeführer oder ihre Rechtsvertreter daraus, dass ein Fackelwurf (jedenfalls der einer noch brennenden Fackel) von der Brücke auf die Autobahn auf den Videos nicht erkennbar ist, darauf schließen wollen, dass so etwas nicht stattgefunden hätte, so negieren sie nicht nur die obigen Beweisergebnisse, sondern setzen auch zu Unrecht die Vollständigkeit dieser Videoaufnahmen voraus. Tatsächlich sind die Videos weit davon entfernt, ein vollständiges Bild abzugeben: so wurde der Fanzug zwar von vorne und hinten gefilmt, dies aber keineswegs ununterbrochen, und mit jeweils wechselnder Perspektive und wechselndem Bildausschnitt. Die Videos als Beweismittel dienten nicht zuletzt dazu, dem unbefangenen, und mit derartigen „Corteos“ nicht vertrauten Beobachter ein realistisches Bild von deren Ablauf und den begleitenden Vorkommnissen zu vermitteln. Das erkennende Gericht wäre ohne diese Videos Gefahr gelaufen, die darauf bezüglichen Darstellungen der Polizeibeamten für völlig übertrieben, oder überhaupt für unglaubhaft zu halten. Tatsächlich mag sich der auf Derartiges nicht vorbereitete Beobachter, vor allem was die Videoaufnahmen des Marsches vom Reumannplatz bis zur Laaerbergbrücke betrifft, an ein Bandenkriegsszenario erinnert fühlen.
Die Einvernahmen der den Fanzug begleitenden Beamten ergeben ein recht einheitliches Bild, welches mit dem Eindruck korreliert, den die davon angefertigten Videos hinterlassen. Zahlreiche Einzelheiten – wie etwa der massive Bewurf der beim Absbergsteg aufgestellten Beamten mit Schneebällen – sind auf dem Videomaterial dokumentiert. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass die im persönlichen Eindruck aufrichtig um Wahrheitsfindung bemühten Beamten den Teilnehmern am Fanzug fälschlich hätten Handlungen unterstellen wollen, die diese zu Unrecht belastet hätten.
Unbedenklich sind die von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen und Bildträger. Von jenen haben insbesondere die mit Zeitpunkten versehenen Identifizierungslisten zur Schlussfolgerung geführt, dass die Behörde bei maximaler Anspannung der Kräfte und maximal effizienter Vorgangsweise – wozu sie in Ansehung des Rechtguts der persönlichen Freiheit der Beschwerdeführer verpflichtet war – die Anhaltungen um gut eine Stunde früher beenden hätte können. Das ergibt sich aus der stark unterschiedlichen Effektivität der ursprünglich drei Identifizierungsstraßen (mit 30, 60 bzw. 90 identifizierten Teilnehmern pro Stunde). Gleichzeitig wurde die Argumentation der belangten Behörde berücksichtigt, wonach an einem Sonntag mit Großveranstaltungen (neben dieser auch noch einer Demonstration im Stadtzentrum), noch weitere Beamte kaum herangezogen werden konnten, ohne den Sicherheitsbereich in und um das Stadion, aber auch die übrigen Bezirke Wiens in kritischer Weise von Exekutivkräften zu entblößen. Allerdings befand sich – wegen der verfahrensgegenständlichen Anhaltung der übrigen Fans – nur etwa ein Drittel der ursprünglich erwarteten Fans der Auswärtsmannschaft Rapid im Stadion der Wiener Austria.
Was die Verhältnisse auf der Anhaltefläche betrifft, so kann der ursprünglich schneebedeckte Untergrund – entgegen der Ansicht der belangten Behörde – auch bei Minusgraden unter der Einwirkung mehrerer hundert Personen matschig geworden sein. Die Witterungsverhältnisse werden sich nach menschlichem Ermessen nicht wesentlich von jenen im unmittelbar benachbarten Stadion unterschieden haben, auf die die Teilnehmer des Fanzuges vorbereitet waren, ebenso wie auf ein mehrstündiges Stehen unter diesen Bedingungen. Zudem wären die Teilnehmer in der Fußballarena wesentlich dichter gedrängt gewesen.
Auf den Videos – vor allem auf den vom Hubschrauber aus aufgenommenen – ist eindeutig zu erkennen, dass sich der Corteo nach der Anhaltung geraume Zeit nicht über die Anhaltefläche verteilt, sondern vorne – in Richtung Stadion – derart zusammengedrängt steht, dass das hintere Drittel der Fläche völlig frei bleibt. Wie sowohl aus den Aussagen diverser Beschwerdeführer und von Zeugen hervorgeht, als auch auf dem von vorne aufgenommenen Video ersichtlich, ist ein Durchkommen durch den vorderen Teil des Corteo aufgrund der zunehmenden Enge der Anhaltefläche möglich, aber etwas beschwerlich gewesen. Es ist daher nachvollziehbar, dass Teilnehmer, die zu den ursprünglich vorne aufgestellten Identifizierungsstraßen gelangen wollten, Vorwürfe oder Beschimpfungen des mehrheitlich vorne befindlichen, nicht kooperationswilligen „harten Kerns“ riskierten.
Eine Verteilung der Teilnehmer über die ganze Fläche fand erst statt, als die Identifizierungsstraßen mangels Zuspruchs nach hinten, an die Laaerbergbrücke, verlegt worden waren. Das war erst gegen 17 Uhr der Fall, wie sich aus dem Gesamtbild der darauf bezüglichen Aussagen ergibt. Nach diesem Zeitpunkt versuchten aber Teilnehmer, die den Richtungswechsel spät mitbekommen hatten, auch nach vorne hinauszugelangen. Von denen, die nach hinten gegangen waren, konnten viele nicht leicht erkennen, wo sich der ursprünglich einzige gemeinsame Auslass für die drei nach hinten verlegten Identifizierungsstraßen befand. Es ist daher naheliegend, dass ein Belassen einer solchen Straße am Vorderende, oder die Eröffnung eines weiteren Auslasses hinten (dh neben dem beim Renault-Gebäude noch eines bei der Laaerberg-Brücke) schon in einem früheren Stadium zum rascheren Ablauf hätte beitragen können. Der dafür nötige zusätzliche Personalbedarf hätte sich auf die zuführenden Beamten beschränkt und daher in engen Grenzen gehalten; für die Identifizierung selbst wäre man diesfalls mit derselben Anzahl von Beamten ausgekommen.
3.3. In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:
3.3.1. Allgemein zur Identitätsfeststellung, Durchsuchung und Anhaltung:
In rechtlicher Hinsicht stellte der Fanzug eine nicht angemeldete Versammlung dar, in deren Verlauf sich gesetzwidrige Vorfälle ereigneten. Das zielgerichtete, gemeinsame Wirken wurde bereits in den Feststellungen hervorgehoben. Es hätte daher die Möglichkeit einer Auflösung der Versammlung bestanden, nach der die Teilnehmer verpflichtet gewesen wären, auseinanderzugehen. Allerdings waren an den Brennpunkten Reumannplatz und Laaerbergstraße effektive Absperrungen nicht möglich. Angesichts der Masse und der Geschlossenheit der Fanzugteilnehmer wären Durchbruchsversuche dieser Fans voraussichtlich erfolgreich gewesen. Eine Aufteilung des Corteo hätte andere Sicherheitsrisiken – etwa das Zusammentreffen mit gegnerischen Fans – zur Folge gehabt, und ganz generell wäre ein entschlossenes Einschreiten der Polizeikräfte gegen erkannte Werfer von Gegenständen oder besonders aggressive Teile des Fanzuges nur unter Einsatz massiver Gewalt mit vorhersehbaren Verletzungsfolgen auf beiden Seiten möglich gewesen. Aus diesem Grund setzte die Einsatzleitung trotz überbordendem Pyrotechnikeinsatz, den tätlichen Angriffen gegen die Beamten, Nötigungen von Passanten und Anrainern, Gefährdungen der körperlichen Sicherheit und versuchten Körperverletzungen weiterhin – und auch nachvollziehbar – auf Deeskalation (mag auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip den Einsatz des gelindesten noch zum Ziele führenden Mittels vorsehen, während hier vorerst von sämtlichen solchen Mitteln abgesehen worden ist).
Die von der Laaerbergbrücke erfolgten Würfe von Gegenständen auf die Autobahn wurden von der Behörde als Delikt der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 169 StGB qualifiziert. Diese Beurteilung war aus rechtlicher Sicht bereits im Hinblick auf die Schneeballwürfe vertretbar, umso mehr aber, als die belangte Behörde aufgrund von Beobachtungen und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang auf der Autobahn vorgefundenen Gegenständen davon ausgehen durfte, dass auch zwei Bierdosen und ein pyrotechnischer Gegenstand geworfen worden waren. Zur Ausforschung der Täter dieser Delikte war es notwendig, deren Identität festzustellen. Abgesehen davon rechtfertigten auch die zahlreichen, davor begangenen gerichtlich strafbaren Handlungen solche Identitätsfeststellungen, selbst wenn zunächst aus Gründen der Deeskalation von einem sofortigen Einschreiten abgesehen worden war.
Bei der Heranziehung des § 118 Abs. 1 StPO als Rechtsgrundlage ging die belangte Behörde nicht davon aus, dass alle diese Personen etwa gemeinschaftlich diese Straftaten verübt hätten, ihre Organe waren aber aufgrund des engen Zusammenstehens des Fanzuges und des notgedrungen eingehaltenen Abstandes zu diesem nicht in der Lage, zwischen Beteiligten und bloßen Zeugen des Geschehens zu unterscheiden, sodass sich der Tatverdacht zunächst zwangsläufig gegen alle Teilnehmer richten musste.
Um eine Identitätsfeststellung überhaupt zu ermöglichen, musste die Entscheidung raschest erfolgen, weil sich nur unmittelbar hinter der Laaerbergbrücke die einzige Möglichkeit ergab, den gesamten Fanzug ohne größere Gewaltanwendung anhalten zu können, nämlich auf dem Gelände vor der Firma Renault zwischen Laaerbergbrücke und Absbergsteg.
Was die dafür erforderliche Anhaltung und Einkesselung des Fanzuges anbelangt, so ist die mit einer Identitätsfeststellung verbundene Freiheitsbeschränkung zwar eine sog. „sekundäre“; überschreitet sie jedoch ein bestimmtes Ausmaß oder werden die Betroffenen gegen ihren Willen an der Entfernung gehindert, liegt ein Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit vor, welcher nur unter den Bedingungen des PersFrG zulässig ist.
Nach Art. 2 Abs. 1 Z. 2 lit. a PersFrG darf einem Menschen die persönliche Freiheit auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn er einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist, zum Zwecke der Beendigung des Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhalts, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, dass er einen bestimmten Gegenstand innehat. Gemäß Art. 4 Abs. 2 dieses Gesetzes darf eine Person bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des Art. 2 Abs. 1 Z. 2 lit. a auch ohne richterlichen Befehl festgenommen werden. Sie ist freizulassen, sobald sich ergibt, dass kein Grund zu ihrer weiteren Anhaltung vorhanden sei, sonst ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber vor Ablauf von 48 Stunden, dem zuständigen Gericht zu übergeben.
Die gesetzliche Grundlage für die Identitätsfeststellungen war daher mit § 118 StPO gegeben, für die dazu erforderlichen Anhaltungen in Verbindung mit den zitierten Bestimmungen des PersFrG. Auf die Notwendigkeit der Identitätsfeststellungen zur Ausforschung der Täter wurde bereits hingewiesen; ihre Zweckmäßigkeit ergibt sich daraus, dass der gesamte Fanzug zur Beweissicherung aus verschiedenen Perspektiven auf Video dokumentiert wurde, und nicht nur anhand der bei der Identitätsfeststellung aufgenommenen Gesichter, sondern auch der gleichzeitig abgefilmten Kleidung Vergleiche möglich sind. (Auch wenn in § 118 StPO nur von „fotografieren“ die Rede ist, bestehen seitens des Gerichts keine Bedenken, die aufgenommenen Kürzestvideos, welche neben den Gesichtszügen nur noch die aktuell getragene Kleidung, nicht aber Bewegungsabläufe oder Handlungen dokumentieren, in teleologischer Auslegung unter diesen Begriff zu subsumieren).
Die unter einem vorgenommenen Personsdurchsuchungen waren aufgrund des § 9 PyrotechnikG und des § 40 Abs. 2 SPG gerechtfertigt, war doch der Zusammenhang mit einem gegen Leben und Gesundheit gerichteten gefährlichen Angriff aufgrund der vorangegangenen Bewürfe ebenso gegeben wie wegen des massiven Pyrotechnikeinsatzes der Verdacht, die Beschwerdeführer hätten gefährliche Gegenstände bei sich. Es verbleibt letztlich die Frage der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die persönliche Freiheit der Beschwerdeführer im Hinblick auf das verfolgte Ziel einer Ausforschung der Täter insbesondere nach § 169 StGB mittels Identitätsfeststellung, welche im gegebenen Zusammenhang aufgrund der großen Zahl der Angehaltenen, und der daraus resultierenden langen Dauer für die meisten, den größten Raum einnimmt.
3.3.2. Zur Verhältnismäßigkeit der Anhaltung:
Dass es bis zum Beginn der Identitätsfeststellungen 40 Minuten dauerte, weil sich der behördliche Einsatzleiter vor Ort wie vorgesehen im Stadion befand und sich erst mit den taktischen Einsatzleitern vor Ort verständigen musste, war angesichts der unvorhergesehenen Situation unvermeidlich und ist nicht der belangten Behörde anzulasten. Die drei ersten Identifizierungsstraßen waren nach dieser Zeit betriebsbereit. Wie sich ab der tatsächlichen Annahme der – dann am anderen Ende – eingerichteten Identifikationsstraßen durch die angehaltenen Fans zeigt, konnten die über 1.300 angehaltenen Personen unter Berücksichtigung der mit freiwerdenden Polizeikräften zusätzlich errichteten Identifizierungsstraßen im Zeitraum von etwa fünf Stunden sämtlich beamtshandelt werden. Aus den Feststellungen ergibt sich jedoch, dass unter den ursprünglich drei Identifizierungsstraßen zwei nicht mit der maximal möglichen Effizienz arbeiteten, und diese Divergenz über Stunden nicht behoben wurde. Schon dadurch wurden bis 21.00 Uhr etwa 300, bis 20.00 Uhr etwa 240 Personen weniger als maximal möglich beamtshandelt.
Zudem hätte es nach Ansicht des Gerichts Möglichkeiten gegeben, die von den Angehaltenen bewusst oder unbewusst durch fehlende Information verursachten Blockaden früher aufzulösen, indem etwa kurze Zeit nach der tatsächlichen Annahme des hinteren Auslasses an der Laaerbergstraße wiederum ein Auslass am Absbergsteg neu errichtet worden wäre, oder indem man bereits frühzeitig eine der drei Aufarbeitungsstraßen mit einem separaten Auslass an der Laaerbergbrücke versehen hätte, oder beides, und indem man durch äußere Zeichen die Auslässe für alle Angehaltenen besser sichtbar gemacht hätte. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die belangte Behörde und ihre Organe unter Einhaltung einer möglichst effizienten Vorgangsweise, zu der sie unter Rücksicht auf die Bedeutung des Rechtsguts der persönlichen Freiheit verpflichtet waren, die Identitätsfeststellungen gut eine Stunde früher hätten abschließen können.
Legt man ab dem Beginn der Einrichtung von Identifizierungsstraßen – zunächst an der Spitze des Fanzuges – eine Zeit von vier Stunden als bei maximaler Effizienz möglich zu Grunde, so ergibt sich daraus ein Zeitrahmen bis zwischen 19:30 Uhr und 20:00 Uhr. Für diesen Zeitrahmen konnte die belangte Behörde zugleich vertretbarer Weise davon ausgehen, dass die Angehaltenen, einschließlich aller Beschwerdeführer, vorbereitet waren, diesen Zeitraum in der Kälte stehend zu verbringen, da der Matchbeginn um 17:00 Uhr vorgesehen war und ein Ende daher, nach eineinhalbstündiger Spielzeit plus Verlängerungen und einem in der Regel meist geringfügig verzögerten Beginn und einer zumindest viertelstündigen Pause, für 19:00 Uhr zu erwarten war. Ein Verlassen des Stadions und des umliegenden Bereichs wäre dann bis etwa 19:30 Uhr zu erwarten gewesen. Die meisten Fans, darunter auch die meisten Beschwerdeführer, hatten somit eine Zeit von etwa sieben Stunden ab Hütteldorf im Freien eingeplant, und die später Hinzustoßenden waren vorbereitet, sich bis etwa 19:30 Uhr im Freien aufzuhalten. Die belangte Behörde konnte daher davon ausgehen, dass alle Angehaltenen von der Konstitution her grundsätzlich imstande sein würden, die angegebene Wartezeit ohne gesundheitliche Schäden zu überstehen, und sie konnte vertretbarer Weise annehmen, dass Personen mit allfälligen Gesundheitsproblemen zu diesem Zweck Medikamente oder andere Vorsorge mit sich führten. Dass die äußeren Bedingungen während 3 Stunden auf Stehplätzen im Stadion freilich angenehmer gewesen wären (Kauf von Getränken, Möglichkeit zum Toilettengang) ist nicht entscheidend; denn auch dort hätten die Fans gleich lange unter den gleichen Temperaturbedingungen stehen müssen.
Zieht man alle diese Umstände in Betracht, so hätte die LPD Wien die Einhaltung eines etwa vierstündigen Zeitraumes bis zum Abschluss der Identifizierungen zumindest soweit prioritär behandeln müssen, dass dies sogar die zeitweise Abziehung einiger zusätzlicher Beamter von anderen Einsatzorten – wenn auch nicht deren völlige Entblößung von Sicherheitskräften – gerechtfertigt hätte. In Betracht kamen vor allem das unmittelbar benachbarte Stadion und dessen Umgebung, weil man die abzuziehenden Kräfte jederzeit kurzfristig dorthin hätte zurückverlegen können. Allerdings ist es nicht Sache des Gerichts, eine Rangfolge der Maßnahmen aufzustellen, mit denen diese Höchstdauer hätte sichergestellt werden können; ohnehin wurde bereits die erklärungsbedürftige, unterschiedliche Effektivität der drei ursprünglichen Identifizierungsstraßen aufgezeigt, sowie auf die nicht genutzte Möglichkeit verwiesen, an der Laaerbergstraße zwei Auslässe einzurichten, diese besser zu kennzeichnen, und allenfalls auch eine Identifizierungsstraße am vorderen Ende der Anhaltefläche beim Absbergsteg zu belassen oder später wieder zu eröffnen. Damit soll lediglich aufgezeigt werden, dass die Einhaltung der genannten Zeitdauer kein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre.
Nicht verantwortlich zu machen ist die belangte Behörde allerdings für die Verzögerung von bis zu einer Stunde, ab Beginn der Identitätsfeststellungen vorne am Absbergsteg bis zur „Annahme“ derselben durch die Fans nach der Verlegung ans hintere Ende (Laaerbergstraße). In diesem Zeitraum bestand für jeden Fan die Möglichkeit, den Anhaltebereich nach Identitätsfeststellung zu verlassen, wurde aber mit wenigen Ausnahmen durch die Angehaltenen (und jedenfalls durch die Beschwerdeführer) nicht ergriffen. Diese wegen mangelnder Kooperation der Angehaltenen ergebnislos verstrichene Zeitspanne ist dem ursprünglich ins Auge zu fassenden Ablauf der angenommenen, höchstzulässigen Anhaltedauer (19.30 Uhr) daher hinzuzurechnen. Im Ergebnis war somit bei Entlassung aus dem Anhaltebereich bis etwa 20:30 Uhr von einer gerade noch verhältnismäßigen Anhaltedauer auszugehen; unverhältnismäßig lange angehalten waren die erst nach 20:30 Uhr identifizierten und entlassenen Beschwerdeführer. Dabei wurde der aus den Identifizierungslisten ersichtliche Zeitpunkt zu Grunde gelegt.
Wenn von den Beschwerdeführern eingewendet wird, dass Informationen der Behörde über die Identitätsfeststellung, deren Beginn, Ort oder über die Bevorzugung mancher Personengruppen nicht zu ihnen durchgelangt seien, so ist dazu auszuführen, dass die belangte Behörde wiederholt entsprechende Durchsagen vorgenommen hat. Wenn sich die Teilnehmer am Fanzug nach den Vorgaben ihrer Anführer gerichtet haben, deren Anweisungen und deren Verhalten nicht hinterfragt haben und sich nicht bemüht haben, proaktiv an Informationen zu gelangen bzw. sich durch Ortsveränderung innerhalb des Anhaltebereiches selbst von den Gegebenheiten zu überzeugen, so fällt dies nicht der belangten Behörde zur Last.
Die belangte Behörde durfte vielmehr davon ausgehen, dass es sich bei den Teilnehmern an einem solchen Fanzug um mündige Menschen handelt (bzw. im Falle der tatsächlich noch unmündigen, um solche mit mündigen Vertretern oder Erziehungsberechtigten), welche erhaltene Informationen auch weitergeben bzw. sie sich nötigenfalls selbst von anderen Teilnehmern einholen. Auch wenn die Masse der Teilnehmer ganz offensichtlich nach den Vorgaben ihrer Anführer handelte und sich auf diese verließ, anstatt auf ihre eigene Urteilsfähigkeit und Eigenverantwortung zu setzen, hatte die Behörde keine Veranlassung, die Mündigkeit und Handlungsfähigkeit der Angehaltenen in Zweifel zu ziehen. Ein Unterbleiben der vernünftiger Weise zu erwartenden Informationsweitergabe, eine Blockade des vorderen Ausgangs zur Identitätsfeststellung oder die Behinderung von kranken Personen, Kindern oder Frauen, welche ansonsten vorrangig zum Ausgang gelangt wären, ist nicht den Organen der belangten Behörde zuzurechnen, sondern liegt in der Verantwortung jener, die auf die Anführer des Corteo oder auf den „harten Kern“ der Fans ungeachtet aller vorangegangenen Ereignisse vertrauten.
Die aus den oben genannten Gründen gezogene zeitliche Grenze, bis zu der die Anhaltung als verhältnismäßig beurteilt wird, führt zur Konsequenz, dass auch jene Fälle nicht anders bewertet wurden, in denen Beschwerdeführer an die mittlerweile geschlossene vordere Absperrung gegangen sind und Ausweisleistung angeboten haben, aber an die eingerichteten Auslässe auf der anderen Seite verwiesen wurden. Es war Sache der Behörde, die Identitätsfeststellungen in einem vertretbaren Zeitraum abzuwickeln, und nach Einrichtung eines bestimmten Prozedere auf dessen Einhaltung zu bestehen. Hatte die Verweisung auf die andere Seite zur Folge, dass die Beschwerdeführer erst nach 20.30 herauskamen, so wurde deren Anhaltung ja für rechtswidrig erklärt; die vorherige Abweisung ging somit ohnehin zu Lasten der Behörde. Soweit Beschwerdeführer mit gesundheitlichen Problemen an die, die vordere Sperre bewachenden Beamten herangetreten sind, waren darunter keine, die ersichtlich sofortige Hilfe benötigt hätten. Insofern waren die Beamten berechtigt, auch diese Personen auf die andere Seite zu verweisen, zumal die bevorzugte Behandlung kranker oder gebrechlicher Personen mehrmals verlautbart worden war.
Umgekehrt ist keinem erkrankten oder gebrechlichen Beschwerdeführer selbst anzulasten, dass er sich nicht unter Berufung auf sein Leiden durch die Menge gedrängt habe und so früher hinausgekommen wäre; schon gar nicht ist einer gesunden Person vorzuwerfen, dass sie sich nicht einem Gebrechlichen als Begleitperson angedient habe. Letzteres wäre auch ein Nullsummenspiel, denn für jeden dieser vorzeitig Entlassenen hätten andere um die entsprechende Zeit länger warten müssen. Lediglich bei den Begleitpersonen von Unmündigen oder sehr jungen Minderjährigen wurde davon ausgegangen, dass jene verpflich