Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Kontr. Fleischhacker im Verfahren zur Unterbringung des Sakvan S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 4. September 2019, GZ 12 Hv 68/19z-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sakvan S***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er am 4. Juni 2019 in S***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit deutlichen, aggressiven Verhaltensstörungen (ICD-10 F71.1), der neunjährigen Mohadisa R***** vorsätzlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht, indem er sie am Hals packte, sie auf den Hinterkopf schlug und zu Boden riss, ihr den Mund zuhielt und Schläge ins Gesicht versetzte, sowie indem er ihr mehrmals gegen die Rippen und den Bauchbereich trat, wodurch sie eine Brustkorb- und Bauchprellung sowie eine Wunde an der Lippe erlitt,
und somit eine Tat begangen, die als Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
§ 281 Abs 1 Z 5a StPO als Tatsachenrüge will nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Indem der Beschwerdeführer mit eigenen Beweiswerterwägungen zu den im Arztbrief vom 5. Juni 2019 angeführten Verletzungen des Opfers (ON 8 S 19 f) sowie zu dessen Aussage (ON 8 S 15) gravierende Bedenken gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite abzuleiten sucht, weckt er keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs im oben aufgezeigten Sinn.
Der auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte (der Sache nach aus Z 9 lit a erhobene) Einwand, „Rippenbrüche“ würden keine schweren Körperverletzungen darstellen (vgl aber Burgstaller/Fabrizy in WK² StGB § 84 Rz 23), geht nicht von den tatrichterlichen Feststellungen aus, wonach der Betroffene es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dem Opfer einen „Schädelbasis-/ Jochbein-/Kiefer-/bruch“ sowie Rippenbrüche, allenfalls verbunden mit der Erforderlichkeit der Anlage eines medizinischen Mieders, zuzufügen (US 2). Solcherart verfehlt er den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Die sich auf die Darstellung der Rechtslage vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 (BGBl I 2015/112) beschränkende Kritik, wonach „ein Versuch allerdings überhaupt nicht in Betracht [kommt], wenn eine schwere Körperverletzung nicht eingetreten ist“ (der Sache nach erneut Z 9 lit a), beschränkt sich auf die bloße Rechtsbehauptung, ohne diese methodisch korrekt aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116565; vgl aber zu § 84 Abs 4 StGB idgF RIS-Justiz RS0131591).
Die Behauptung absolut untauglichen Versuchs (der Sache nach wiederum Z 9 lit a) legt nicht dar, weshalb die dem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls – aus der ex-ante-Sicht eines über den Tatplan informierten verständigen Beobachters – geradezu denkunmöglich gewesen sei (RIS-Justiz RS0115363, RS0102826).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Textnummer
E126886European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00132.19G.1205.000Im RIS seit
23.12.2019Zuletzt aktualisiert am
23.12.2019