TE Lvwg Beschluss 2019/10/8 VGW-102/076/12482/2019

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Veröffentlicht am 08.10.2019
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Entscheidungsdatum

08.10.2019

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

B-VG Art. 130 Abs1 Z2

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG des Herrn A. B., Wien, C.-gasse, wegen Verweilen der Organe der Landespolizeidirektion Wien am 17.08.2019 in der Wohnung Wien, C.-gasse, gegen die Landespolizeidirektion Wien als belangte Behörde,

den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 iVm § 31 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes - B-VG unzulässig.

BEGRÜNDUNG

I.1. Mit Schriftsatz vom 17.09.2019, persönlich beim Verwaltungsgericht Wien eingebracht am 25.09.2019, erhob der Beschwerdeführer Beschwerde wegen rechtswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Landespolizeidirektion Wien und brachte dazu zusammengefasst vor, dass sich diese am 17.08.2019, in der Zeit von ca. 20:50 Uhr bis inkl. 21:30 Uhr, geweigert hätten, nach Beendigung der Amtshandlung und trotz seiner ausdrücklicher Aufforderung dessen Wohnung zu verlassen, weswegen der weitere Verbleib und das Betreten seiner Wohnung gegen den Willen des Beschwerdeführers gesetzwidrig gewesen sei.

Zum Sachverhalt brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor:

„Meine Lebensgefährtin hat sich am 17.08.2019 im Zuge eines Disputes selbst seitlich beim linken Auge verletzt. Da es an meiner Adresse, als noch mein Sohn bei mir wohnte, im Zuge eines Disputes zwischen meiner Lebensgefährtin und meinem Sohn kam, daß an dessen Ende es zu einer ungerechtfertigten Wegweisung meines Sohnes durch die Polizei kam, obwohl dieser überhaupt nicht tätlich geworden war, rief ich um 20:15 Uhr und 20:53 Uhr die Polizei, um einem solchen Vorfall vorzubeugen und die Selbstverletzung durch die Polizei zu dokumentieren.

Die Polizei erschien gegen 20:50 Uhr und ich ließ die drei Polizeiorgane (zwei männliche und ein weibliches Organ) in das Vorzimmer meiner Wohnung eintreten. Die Polizei nahm meine Daten aus dem Reisepaß auf und die Daten meiner Lebensgefährtin, wobei ein männliches Polizeiorgan im Vorzimmer bei der Wohnungseingangstüre stand und verblieb, während sich die beiden anderen Polizeiorgane Richtung Küche hin bewegten, um mit meiner Lebensgefährtin zu sprechen bzw. diese zu befragen.

Die Beamten kritisierten den Platzmangel, im Vorzimmer, in welchem ein Kinderwagen und eine alte Matratze abgestellt waren, weil da die beiden anwesenden Kleinkinder, A. B., geb. 2016, mein Sohn, und D. B., geb. 2015, mein Enkel, ihrer Meinung nach offensichtlich keinen Platz hätten bzw. es sonst beengt wäre. Sie verlangten die Daten der beiden Kinder, um dem Jugendamt Meldung zu erstatten.

Soweit, so gut.

Da sich in der Folge, die Aktivität der beiden, sich in Richtung bzw. in der Küche befindlichen Beamten dahingehend abgleitete und von deren eigentlichen Aufgabe bzw. dem Grund des Einsatzes erheblich abzuweichen begann, weil sie meine Lebensgefährtin auszufragen begannen, wobei es um den Altersunterschied zwischen mir und meiner Lebensgefährtin ging, wie alt sie war als ich sie kennenlernte und wann sie von mir das erste Kind bekam und ob das Baby, welches sie in den Armen hielt auch von mir sei, sagte ich zu den beiden Polizeiorganen, daß sie das wirklich nichts anginge und forderte ich die Polizeiorgane höflich, aber bestimmt, auf, meine Wohnung zu verlassen, weil die eigentliche Amtshandlung beendet war, weswegen ich die Polizei um Hilfestellung gebeten hatte, und die weitere bzw. nachfolgende Amtshandlung nichts mehr zur Sache hätte und ein allfälliges Gespräch mit meiner Lebensgefährtin könne ja auch am Gang fortgesetzt werden. Daraufhin erklärte mir das männliche Polizeiorgan, welches im Vorzimmer bei der Küche stand (nicht der Beamte im Vorzimmer bei der Eingangstüre), präpotent und amtsanmaßend, daß er es bestimmen würde, somit die Polizei, wann die Amtshandlung beendet ist und sie die Wohnung verlassen. Darauf erwiderte ich erneut, daß die Polizeiorgane jetzt gehen müßten, zumal einerseits die Angelegenheit geklärt war (meine Lebensgefährtin sagte ja schon zuvor, es gab keine Tätlichkeit, die Verletzung stamme von bzw. sie hätte eine(r) Allergie!) und andererseits sie keinen Hausdurchsuchungsbefehl hätten, der einen weiteren Verbleib in meiner Wohnung gegen meinen ausdrücklichen und bekundeten Willen rechtfertigen und dem Gesetz entsprechen würde.

Da, wie schon erwähnt, der weitere Verbleib über das Maß des Einsatzes und der Amtshandlung hinausging und Auftrag bzw. Dienstpflicht war (und es nicht mehr um die eigentliche Amtshandlung ging, weswegen die Polizei herbeigerufen wurde, nämlich die Befragung zur und Aufnahme der Verletzung, und ob ich allenfalls tätlich geworden wäre), und die Polizeiorgane meine Wohnung nicht verlassen wollten, rief ich gegen 21:20 Uhr von meinem Handy neuerlich den Notruf. Ich wurde lediglich informiert, daß ich im Moment gar nichts dagegen machen kann, das Weiterverbinden zur Vorgesetzten Dienststelle nicht möglich sei und mir „in der Folge“ nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde offen stünde.“

Der Aufforderung, die Kinder ins Bett zu schicken kam ich nicht nach, sondern verlangte abermals das Verlassen meiner Wohnung.“

Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien, die angefochtenen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und dem zuständigen Rechtsträger aufzutragen, die ihm entstandenen Kosten/Pauschalgebühr im gesetzlichen Ausmaß gemäß § 35 VwGVG binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Der unter einem mit der Beschwerde gestellte Antrag auf Verfahrenshilfe wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 02.10.2019, …, abgewiesen.

II. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben (§ 28 Abs. 6 VwGVG).

III.1. Gemäß § 7 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG ist die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs.1 Z 2 B-VG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, beim Verwaltungsgericht Wien einzubringen.

Der Tag der beschwerdegegenständlichen Amtshandlung war am 17.08.2019, die nun vorliegende Beschwerde wurde am 25.09.2019 beim Verwaltungsgericht Wien eingebracht und ist daher rechtzeitig.

2.1. Der Beschwerdeführer erachtet die beschwerdegegenständliche Amtshandlung mit Rechtswidrigkeit belastet, zumal es für die Organe der Landepolizeidirektion Wien nach dem Betreten seiner Wohnung keine Rechtsgrundlage für das anschließende Verweilen - gegen seinen ausdrücklichen Willen und nach der Beendigung der Amtshandlung - gegeben habe.

2.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ist ein faktisches Organhandeln dann eine „Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt“, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Eine Ausübung unmittelbarerer Befehls- und Zwangsgewalt ist nur dann gegeben, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl. etwa VwGH vom 22.02.2017, Zl 2006/11/0154 mwN).

Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum vorherigen freiwilligen Mitwirken. Nach der ständigen Rechtsprechung zieht ein freiwilliges Nachkommen einer behördlichen Aufforderung nach sich, dass die solcherart sodann gesetzten Organhandlungen nicht im Wege einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden können (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 67 Rz 46 mit Rechtsprechungsnachweisen; oder Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, § 88 Anm 8.4., oder etwa VwGH vom 22.01.2002, Zl 99/11/0294).

2.3. Aufgrund des Beschwerdevorbringens steht fest, dass der Beschwerdeführer am 17.08.2019 von sich aus die Polizei kontaktierte, den Organen gegen 20:50 Uhr freiwillig den Eintritt in seine Wohnung und ihnen ebenfalls die Nachschau gestattete. Dies mit der Begründung, um die Selbstverletzung seiner Lebensgefährtin durch die Organe der Landespolizeidirektion Wien dokumentiert zu wissen.

Vor diesem Hintergrund hielten sich die Organe der Landespolizeidirektion Wien berechtigterweise in seiner Wohnung auf. Dass der Beschwerdeführer in weiterer Folge vermeinte, die Organe hätten sich nach seiner Ansicht nach nicht mehr ihrer eigentlichen Aufgabe gewidmet bzw. seien vom Grund ihres Einsatzes abgewichen, vermag an der Freiwilligkeit des zuvor gestatteten Eintritts nichts zu ändern. Das gilt gleichsam für den anschließenden Verbleib der Organe bis inkl. 21:30 Uhr, da sich aus dem gesamten Beschwerdevorbringen keine Anhaltspunkte ergeben, wonach die Organe ihr Verweilen bis zur Beendigung ihrer Amtshandlung mit Zwang durchgesetzt, sich gewaltsam Zutritt zu Räumlichkeiten verschafft oder entsprechende Befehle geäußert hätten, die im Weigerungsfall unmittelbaren Zwang zur Folge gehabt hätten. Mangels Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt war die Beschwerde daher als unzulässig zurückzuweisen.

3. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

4. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gründet sich darauf, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung einer zu lösenden Rechtsfrage vor. Die verfahrensgegenständliche Rechtsfragen waren klar aus dem Gesetz lösbar (vgl. Köhler, Der Zugang zum VwGH in der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 589 ff, mwN).

Schlagworte

Amtshandlung; Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt; Freiwilligkeit; Eintritt in Wohnung; Verweilen in Wohnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.102.076.12482.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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