Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schrott als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert B***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Februar 2019, GZ 93 Hv 108/18k-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert B***** der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 4 Z 1, Abs 5 Z 3 StGB (I./1./) und nach § 159 Abs 2, Abs 5 Z 3 StGB (I./2./) sowie des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (II./), jeweils iVm § 161 Abs 1 StGB, und des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB (III./) schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** als Geschäftsführer der M***** GmbH, mithin als leitender Angestellter einer juristischen Person (§ 161 Abs 1 StGB), die Schuldner mehrerer Gläubiger war
I./ dadurch, dass er kridaträchtig handelte, indem er entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb, grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB)
1./ im Zeitraum Mai 2014 bis Juni 2015 die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens herbeigeführt, wobei er dadurch einen 1.000.000 Euro übersteigenden Befriedigungsausfall der Gläubiger in der Höhe von 1.153.198,29 Euro bewirkte, und zwar
a./ durch (unsaldierte) Entnahmen in der Höhe von 154.070,76 Euro für unternehmensfremde Zwecke (US 6);
b./ durch Leistung eines Mietzinses von insgesamt 28.000 Euro an die L*****GmbH;
c./ durch Eingehen nachgenannter Darlehensverbindlichkeiten aus hoch verzinslichen Darlehensverträgen mit Dr. Alexander M*****
c./1./ für das Geschäftsjahr 2014 in der Höhe von 250.000 Euro mit 8%iger Verzinsung;
c./2./ für das Geschäftsjahr 2015 weitere 200.000 Euro mit 12%iger Verzinsung;
2./ im Zeitraum 1. Juli 2015 bis Juni 2016 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens die Befriedigung wenigstens eines der Gläubiger der Gesellschaft vereitelt oder geschmälert, und zwar
a./ durch Leistung eines Mietzinses in der Höhe von 270.800 Euro an die L*****GmbH;
b./ durch Auszahlung eines Geschäftsführergehalts von 5.000 Euro monatlich an sich selbst;
c./ durch Auszahlung von insgesamt 43.540 Euro an Beratertätigkeit an sich selbst und weiteren 60.000 Euro an „Ingangsetzungsaufwand“ aus den Mitteln der Gesellschaft;
II./ im Zeitraum 1. Juli 2015 bis Juni 2016 einen Bestandteil des Vermögens des Unternehmens verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger vereitelt oder geschmälert, indem er insgesamt 152.513,92 Euro für unternehmensfremde Zwecke verwendete;
III./ im Zeitraum März bis Mai 2016 als zur Vertretung befugtes Organ einer juristischen Person Beiträge der Dienstnehmer zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt 23.067,73 Euro einbehalten und dem berechtigten Sozialversicherungsträger, nämlich der Wiener Gebietskrankenkasse, vorenthalten.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil meldete der durch einen Wahlverteidiger (vgl ON 19) vertretene Angeklagte am 14. Februar 2019 Nichtigkeitsbeschwerde sowie Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe an (ON 55). Urteil und Hauptverhandlungsprotokoll wurden dem Verteidiger am 13. August 2019 zugestellt (ON 1 S 16).
Am 9. September 2019 gab der Verteidiger bekannt, dass die Vollmacht am 2. September 2019 aufgelöst wurde (ON 60), worauf dem Angeklagten noch am selben Tag gemäß § 61 Abs 2 StPO ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben wurde (ON 1 S 17), dem auch das Urteil und das Hauptverhandlungsprotokoll zugestellt wurden.
Eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wurde schließlich am 9. Oktober 2019 eingebracht (ON 62).
Diese Rechtsmittelschrift, in der die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO geltend gemacht werden, ist verspätet.
Nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde hat der Beschwerdeführer das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung einer Urteilsabschrift eine Ausführung seiner Beschwerdegründe bei Gericht zu überreichen (§ 285 Abs 1 StPO).
Diese vierwöchige Frist begann mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an den Wahlverteidiger am 13. August 2019 und endete demzufolge (vgl § 84 Abs 1 StPO) mit Ablauf des 10. September 2019. Durch die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zum Wahlverteidiger und neuerliche Urteilszustellung an den nachfolgend bestellten Verfahrenshilfeverteidiger wurde diese Frist nicht beeinflusst (§ 63 Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0125686; RS0116182; Soyer/Schuhmann, WK-StPO § 63 Rz 29 f; Murschetz, WK-StPO § 84 Rz 4). Die erst am 9. Oktober 2019 eingebrachte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde ist daher verspätet, sodass auf sie keine Rücksicht zu nehmen war.
Da bei deren Anmeldung keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
Im Übrigen haften dem Urteil die in der verspätet eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemachten Nichtigkeitsgründe ebenso wenig an wie von Amts wegen wahrzunehmende.
Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe kommt daher dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E126877European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00122.19H.1204.000Im RIS seit
20.12.2019Zuletzt aktualisiert am
20.12.2019