Norm
BDG 1979 §44 Abs1Schlagworte
Ungerechtfertigte Einsichtnahme PADText
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
N.N. ist schuldig,
er hat in seiner Dienststelle in der PI N.N. den Akt ohne dienstlichen Grund und ohne Berechtigung geöffnet und Einsicht genommen,
er hat dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der DA „Anfragen – EKIS und andere automationsunterstützt geführte zentrale Evidenzen“ und der DA „Kanzlei- und Protokollwesen“ begangen
Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG eine Geldbuße in der Höhe von € 300,- (in Worten: dreihundert) verhängt.
Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
BEGRÜNDUNG
Der Verdacht, eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinarverfügung der Dienstbehörde sowie den fristgerecht erhobenen Einspruch seitens der Disziplinaranwaltschaft.
Sachverhalt:
Im Zuge einer Überprüfung des PAD-Aktes, der an die Kronen Zeitung weitergegeben worden ist, konnte festgestellt werden, dass N-N. in den angeführten PAD-Akt Einsicht genommen habe. Ein dienstlicher Grund für diese Einsichtnahme konnte nicht festgestellt werden.
Der Beamte zeigte sich im Zuge einer niederschriftlichen Befragung geständig und einsichtig.
Von der StA Wien wurde N.N. in Zusammenhang mit der durchgeführten Anfrage in Aussicht gestellt, dass nach Zahlung eines Geldbetrages in der Höhe von € 6.000,- von der Verfolgung gemäß § 200 (5) StPO zurückgetreten werde.
Mit Beschluss des LG für Strafsachen wurde nach Bezahlung des Geldbetrages das Strafverfahren endgültig eingestellt.
Gemäß der DA „Anfragen – EKIS und andere automationsunterstützt geführte zentrale Evidenzen, P4/88155/2/2013 vom 21.05.2013, Pkt. V (Aufgaben und Verantwortung des Anfragenden) dürfen Anfragen nur gestellt werden, wenn diese zu Erfüllung der jeweiligen Aufgabe rechtlich erlaubt, sachlich erforderlich und vom Umfang her notwendig sind.
Gemäß der DA „Kanzlei- und Protokollwesen“, P4/303048/3/2012 vom 15.01.2013, Pkt. III.9.3. ist anlassloses Priorieren bzw. sind Anfragen, die mit dem konkreten Anlassfall in keinem Konnex stehen, zu unterlassen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Nachschau in PAD-Akten zu denen entgegen dem Auftragsprinzip kein Auftrag besteht, nicht gestattet ist.
Seitens der Dienstbehörde wurde eine Disziplinarverfügung erlassen, wonach der Beamte einen Verweis erhalten hat.
Gegen diese Disziplinarverfügung wurde seitens der Disziplinaranwaltschaft fristgerecht Einspruch erhoben, sodass nunmehr das ordentliche Verfahren einzuleiten war.
Mündliche Disziplinarverhandlung:
Mit Bescheid wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und die mündliche Verhandlung nach einigen Abberaumungen, anberaumt und durchgeführt.
Der Beamte gab hinsichtlich seiner Schuld bzw. Unschuld an, dass dies der Senat zu bewerten hätte. Er habe sich - im Nachhinein betrachtet – einfach nur „patschert“ angestellt. Vor einiger Zeit hatte er infolge Unfalltot eines Inders mit dem vom PAD-Akt betroffenen Personen als Zeugen zu tun, wobei für ihn bereits damals auffällig war, wie „eigenartig“ sich der Mann zu seiner damaligen Lebensgefährtin verhielt. Für ihn war nicht auszuschließen, dass die Bedrohungen gegenüber seiner Lebensgefährtin bereits damals bestanden hatten und deshalb hat er mit der Eingabe des Namens der Frau Einsicht in diesen PAD-Akt genommen.
Er hätte jedoch keinen Zusammenhang gefunden und auch keinen Aktenvermerk angelegt, um zu dokumentieren, dass und aus welchen Grund er Einsicht in den PAD-Akt genommen hat. Er bestritt vehement, aus Neugier angefragt zu haben.
Seine Einvernahme als Beschuldigter vor dem RBE habe er nicht ernst genommen, da er sich keiner Schuld bewusst gewesen war. Deshalb wäre er auch ohne Anwalt zur Einvernahme erschienen. Er wisse nunmehr, dass man nicht so einfach in fremde PAD-Akte nachschauen dürfe. Beim vorliegenden PAD-Akt war er nicht der zuständige Sachbearbeiter und hatte keine Berechtigung nachzuschauen.
Die Disziplinaranwältin führte in ihrem Plädoyer aus, dass der Sachverhalt aufgrund des Tatsachengeständnisses und des Beweisverfahrens hinreichend geklärt ist.
Es stellt nun einmal eine Dienstpflichtverletzung dar, in einen fremden PAD-Akt ohne Auftrag Einsicht zu nehmen, dennoch muss man erwähnen, dass der Beamte ein äußerst ungeschicktes Verhalten an den Tag gelegt hat.
Als mildernd ist jedoch die sehr gute Dienstbeschreibung, die Vielzahl an Belobigungen und die bisherige disziplinarrechtliche Unbescholtenheit zu werten.
Erschwerend war kein Umstand.
Seitens der Disziplinaranwaltschaft wird um Verhängung einer schuldangemessenen Strafe ersucht.
Der Verteidiger führt in seinem Plädoyer aus, dass offenbar sehr viel schiefgelaufen wäre. Der Beamte hat mittlerweile 45 Dienstjahre hinter sich ohne dass es je zu Beanstandungen gekommen wäre. Er gilt als engagierter Kollege und hat bestimmt nicht aus Neugier, sondern dienstlichem Interesse den PAD-Akt geöffnet, da er einen möglichen Zusammenhang zu seinem Akt bzw. dem damaligen Verhalten der Zeugen nicht ausschließen konnte. Er ist aber mit dem Namen der Zeugin ins PAD eingestiegen und hat nicht nach dem Zeugen gesucht, was ein Indiz dafür ist, dass er nicht aus Neugier gehandelt hat.
Der Beamte hat 24 Belobigungen und weist eine sehr gute Dienstbeschreibung auf.
Antrag: tat- und schuldangemessene Strafe in eventu ein Schuldspruch ohne Strafe bzw. ein Freispruch.
Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:
§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen.
Datensicherheitsvorschrift der Landespolizeidirektion Wien:
2.2. Auftragsprinzip
Personenbezogene Daten dürfen nur auf Grund von generellen oder speziellen Aufträgen von Organen Landespolizeidirektion Wien oder des Bundesministeriums für Inneres im Rahmen der durch die Zuständigkeitsregelungen erfolgten Aufgabenstellungen verarbeitet werden, soweit dies jeweils zur Besorgung einer gesetzlichen Aufgabe erforderlich ist.
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens mehrstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Dienstpflichtverletzung schuldhaft begangen hat.
Der Vorwurf lautet dahingehend, dass er ohne dienstlichen Auftrag in einen PAD-Akt Einsicht genommen hat.
Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Beamte seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat.
Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage sowie aus den Ausführungen des Beschuldigten.
Gem. § 95 Abs. 2 BDG ist die Disziplinarkommission nur an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. In allen anderen Fällen – so auch bei der Diversion - hat der Senat den Sachverhalt eigenständig zu beurteilen. Seitens der StA wurde eine Diversion gem. § 200 StPO mit einem Geldbetrag in der Höhe von 6.000,- Euro verhängt. Im entsprechenden Beschluss des LG für Strafsachen ist diese vom wissentlichen Missbrauch der Amtsgewalt ausgegangen, wobei die Schuld nicht als schwer anzusehen war.
Dies betrifft nun lediglich die Ausführungen zum Amtsmissbrauch. Der Beamte hat aber gegen interne Weisungen verstoßen, nämlich die Datensicherheitsvorschrift und dem damit verbundenen Auftragsprinzip.
Beim PAD handelt es sich um ein polizeiinternes Protokollierungssystem, in welchem sämtliche Aktenvorgänge einer Polizeiinspektion (z.B. Strafanzeigen, Verwaltungsstrafanzeigen, Wegweisungen nach dem SPG, Sachverhalte nach dem Unterbringungsgesetz, Einvernahmen mit Beschuldigten oder Zeugen usw.) erfasst werden. Die Verwendung des PAD zur Durchführung von Protokollierungen oder zur Einsichtnahme in bereits gespeicherte Akten/Geschäftsfälle (Datenabfragen) ist ausschließlich aus dienstlichen Gründen zulässig. Zugang in das PAD ist auf der Ebene der Polizeiinspektionen nur über die BAKS-Terminals in den jeweiligen Dienststellen möglich. Zum Einstieg ist eine eigene Benutzerkennung, sowie ein individuelles Passwort nötig; jede Abfrage wird inhaltlich und zeitlich protokolliert und ist dem jeweiligen Benutzer zuordenbar. Die Kommandanten der PI sind angewiesen, die Zulässigkeit der Anfragen ihrer Mitarbeiter regelmäßig zu überprüfen.
Im Zuge der 2. Einvernahme der Zeugin, welche ihren Lebensgefährten wegen gefährlicher Drohung zur Anzeige gebracht hat, wurde von dieser angeführt, dass sie von einer Journalistin über Facebook kontaktiert wurde, welche ihr gegenüber angab, dass ihr die Anzeige zugespielt worden wäre. Aufgrund dessen wurde die Lesehistorie des betreffenden PAD-Aktes überprüft und konnte der Beschuldigte eruiert werden, der demnach zwar in den Akt Einsicht genommen hat, jedoch tatsächlich mit der Aktenbearbeitung nicht betraut war.
Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG i.V.m der Dienstanweisung Datenschutz und PAD:
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, sowie auch die schriftlichen Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche Befehle/Dienstaufträge seiner Vorgesetzten zu befolgen hat. Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission (bis 13.12.2013) wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses und ist die Befolgung von dienstlichen Anordnungen für den ordnungsgemäßen sowie effizienten Ablauf des Dienstes von essentieller Bedeutung (57/8-DOK/08 vom 11.11.2008).
Der Disziplinarbeschuldigte hat gegen diese oben angeführten Dienstanweisungen der Landespolizeidirektion Wien verstoßen.
Der Disziplinarbeschuldigte verrichtet in einer für die staatliche Verwaltung besonders wichtigen Behörde, nämlich einer Polizeiinspektion, Dienst. Zu seinen unmittelbaren Aufgaben gehört damit auch der Vollzug des Strafrechts, sowie der maßgeblichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Polizeibehörden besonderer Beobachtung und Kritik ausgesetzt. Gerade ihrem ordnungs- und gesetzmäßigen Vollzug kommt daher besondere Bedeutung zu. Dazu gehört auch, dass er die ihm zur Verfügung gestellten Berechtigungen (EKIS- und PAD-Abfrageberechtigung) nur für dienstliche Zwecke verwendet und die Bestimmungen des DSG, sowie die internen Vorschriften über die Durchführung solcher Abfragen einhält. Insbesondere muss von jedem Polizeibeamten erwartet werden können, dass er die dienstlichen Ressourcen/Befugnisse nicht für private Zwecke - sei es aus bloßer Neugier oder sei es, wie im konkreten Fall, zur Befriedigung eines konkreten Informationsbedürfnisses verwendet.
Durch das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, Polizeibeamte würden ihnen dienstlich eingeräumte Befugnisse, wie dem Zugriff auf grundsätzlich sensible polizeiliche Datenbanken gedankenlos für private Zwecke missbrauchen. Gerade der Datenschutz ist im Zusammenhang mit dem, dem Bundesministerium für Inneres eingeräumten besonderen Befugnissen im Brennpunkt ständiger öffentlicher und politischer Diskussionen. Die Beamten des Innenressorts haben daher besonders darauf zu achten, alles zu vermeiden, was den Eindruck einer missbräuchlichen Ausübung von Befugnissen erwecken könnte.
In Ansehung des hohen Stellenwerts, den der Datenschutz hat, ist der Disziplinarbeschuldigte überführt, sich nicht nur dem Vorwurf strafbarer Handlungen ausgesetzt zu haben, sondern gerade auch das Ansehen der Polizei in Bezug auf ihre Glaubwürdigkeit und Rechtsverbundenheit geschädigt zu haben. Gerade die uneingeschränkte Integrität des Beamtentums, ihre Unbefangenheit und Verbundenheit mit den rechtlichen Werten ist von besonderer Bedeutung für das Vertrauen des Bürgers in den gesamten Polizei- bzw. Beamtenapparat. Dem Verhalten von Beamten, welche mit wichtigsten Aufgaben der Hoheitsverwaltung betraut sind, kommt daher in der Öffentlichkeit besonderer Stellenwert zu. Der Bürger erwartet sich zu Recht, dass die Polizei ihre Aufgaben - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und die Bekämpfung der Kriminalität - in kompetenter und effizienter Weise erfüllt. Dazu gehört es auch, dass Polizeibeamte die von ihnen zu vollziehenden Gesetze selbst einhalten, somit auch nach ethischen und moralischen Gesichtspunkten besonders gesetzestreu sind und sich auch so verhalten. Nur dadurch kann ein Polizeibeamter seine Glaubwürdigkeit erhalten.
Der Beamte wurde zwar hinsichtlich des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs nicht gerichtlich verurteilt, sondern lediglich mittels Diversion mit einem sehr hohen Geldbetrag belegt. Aber auch diesbezüglich geht aus dem Diversionsbeschluss des LG für Strafsachen Wien hervor, dass das Gericht vom wissentlichen Missbrauch der Amtsgewalt zwar ausgeht, aber die Schuld als gering anzusehen ist, sodass mit einer Diversion das Auslangen zu finden war.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).
Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten in der konkreten Situation und dieses verlangt eine Sanktion. Als Strafrahmen sah der Senat deshalb eine Geldbuße im unteren Bereich als ausreichend an.
Im konkreten Fall waren jedoch die geständige Verantwortung, die disziplinäre Unbescholtenheit, die sehr gute Dienstbeschreibung, die Vielzahl an Belobigungen aber auch die bereits verhängte hohe Geldstrafe als mildernd zu werten.
Erschwerungsgründe lagen keine vor.
Der erkennende Senat vermeint, dass das Fehlverhalten mit einer Geldbuße in der Höhe von € 300,-- ausreichend gesühnt ist und die Strafe auch generalpräventiven Erwägungen (Abschreckung) gerecht wird.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
19.12.2019