Norm
BDG 1979 §43 Abs2Schlagworte
beleidigende herabwürdigende Aussagen, unangebrachte anstößige HandlungenText
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
N.N. ist schuldig,
1. er hat im Zuge seiner Dienstverrichtung in der PI N.N. hinter dem Rücken seiner Kollegin und in Anwesenheit mehrerer EB über seine Kollegin sexistische, frauenfeindliche, diskriminierende, verachtende und ordinäre Äußerungen bzw. Beschimpfungen getätigt:
„diese Drecksfut, diese unnötige Fut, die muss deppat sein im Schädl, der habs ins Hirn gschissn, deppates Weib,…“
3. er hat zumindest in der Zeit von 2016 bis Ende 2018 seine jungen männlichen Kollegen mit einem Schlag in die Genitalien begrüßt und damit sexistische, diskriminierende, verachtende und ordinäre Handlungen getätigt,
4. er hat in der oben angeführten Zeit im Zuge seiner Dienstverrichtung im dortigen Sozialraum onanierende Bewegungen vor seinem Hosenschlitz angedeutet und in weiterer Folge auf den Boden gespuckt, symbolisch für „Abspritzen“, sich selbst dabei als „Schnellspritzer“ bezeichnet und damit sexistische, diskriminierende, verachtende und ordinäre Handlungen getätigt,
er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG, § 43 a BDG, § 44 Abs. 1 BDG 1979 i.V.m. § 2 der Dienstordnung „Verhalten der Polizeibediensteten“ sowie gegen die Dienstanweisung „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ und die Dienstanweisung „Sprachgebrauch in der Exekutive“, §§ 8a Abs. 2 Z. 1 und 9 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetztes i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,
Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 3 BDG eine Geldstrafe in der Höhe von € 6.000,- (in Worten: sechstausend) verhängt.
Seitens des Beschuldigten wurde gemäß § 127 BDG eine Ratenzahlung im Ausmaß von 12 Monatsraten à € 500,- beantragt und seitens des Senates bewilligt.
Hingegen wird der Beschuldigte hinsichtlich des Vorwurfs,
2) er hat im Zuge seiner Dienstverrichtung in der PI N.N. hinter dem Rücken die Verwaltungsbedienstete und in Anwesenheit mehrerer EB über diese Kollegin sexistische, frauenfeindliche, diskriminierende, verachtende und ordinäre Äußerungen bzw. Beschimpfungen getätigt:
„von der Postlerin, der Schlampn, lass i mir nichts sagen, die braucht mir nix sagn“
er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG, § 43 a BDG, § 44 Abs. 1 BDG 1979 i.V.m. § 2 der Dienstordnung „Verhalten der Polizeibediensteten“ sowie gegen die Dienstanweisung „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ und die Dienstanweisung „Sprachgebrauch in der Exekutive“, §§ 8a Abs. 2 Z. 1 und 9 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetztes i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,
gemäß § 126 Abs. 2 BDG i.V.m. § 118 Abs. 1 Zi 2 in dubio pro reo freigesprochen.
Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
BEGRÜNDUNG
Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige, sowie den Erhebungen der LPD Wien.
Sachverhalt:
Es langte in der Personalabteilung, Referat PA 6, ein Aktenvorgang ein, wonach N.N. im Verdacht steht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben.
Laut Bericht des Vorgesetzten kam es zu einer verbalen Entgleisung bzw. Beschimpfung durch N.N, einerseits in Abwesenheit seiner Kollegin und in einem zweiten Fall kam es zu Beschimpfungen in Abwesenheit der Kollegin aus der Verwaltung.
Zudem zeige N.N. gegenüber anderen Kollegen ein absolut despektierliches und herabwürdigendes Verhalten. Dabei wird angeführt, dass N.N. junge Kollegen mit einem Schlag in die Genitalien begrüßt oder in Anwesenheit von Kollegen/Innen mit der Hand vor seinem Hosenschlitz onanierende Gesten mache und dann eine Ejakulation andeutend auf den Boden spuckt.
Es erfolgte darauf ein „4-Augen-Gespräch“ zwischen Vorgesetzten und der betroffenen Beamtin. In diesem Gespräch bestätigte sie, dass ihr von anderen Kollegen mitgeteilt wurde, dass sie von N.N. in ihrer Abwesenheit mit sehr rüden und herablassenden Worten bedacht worden wäre. Sie habe sich darauf an den PI Kmdt. der PI gewandt und dieser habe beruhigend auf sie eingewirkt und ihr zugesichert, sich der Sache anzunehmen. Darauf folgte aus Sicht der Beamtin eine eher halbherzige Entschuldigung seitens des Beschuldigten. Darüber hinaus habe sie sich der Kontaktfrau für Gleichbehandlungsangelegenheiten anvertraut, welche ihr zur Anfertigung eines Gedächtnisprotokolls riet.
Verantwortung:
Vorweg wird angeführt, dass N.N. bereits persönlich im ho. Referat einen Bericht über eine verbale Entgleisung seinerseits bzw. eine Beschwerde über die Verwaltungsbeamtin übergab.
N.N. führt in seinem Bericht an, dass er aufgrund einer herabgesetzten Dienstzeit von zwölf auf neun Überstunden erbost war. Er habe sich freiwillig zu einem Überstundendienst an einem Sonntag gemeldet und nachdem er über die Herabsetzung der Stundenanzahl informiert wurde, habe er am Gang der PI vor sich hin geschimpft.
Er habe sich auch bei der betroffenen Kollegin für seine Worte „ahnungslose (Fu.)“ und „so eine Scheiße“ im Zuge eines Telefonates entschuldigt.
Er verwehre sich mit aller Vehemenz gegen Anschuldigungen von Außenstehenden und einer Verwaltungsbeamtin, deren Interventionen gegen seine Person in keinem Zusammenhang mit dem Berufsleben eines dienstversehenden Polizisten stehen. Ihm würden Gesten und Ausdrücke von Kollegen und Innen unterstellt werden, mit denen er noch keine einzige Amtshandlung geführt bzw. Dienst versehen habe.
Anlastung durch die Dienstbehörde:
N.N. steht im Zusammenhang mit den Vorwürfen der äußerst beleidigenden und unflätigen Äußerungen sowie unangebracht bzw. anstößigen Handlungen im Verdacht, gegen § 43 Abs. 1 u. 2 BDG 1979, § 43 a BDG, § 44 Abs. 1 BDG 1979 i.V.m. § 2 der Dienstordnung „Verhalten der Polizeibediensteten“ sowie gegen die Dienstanweisung „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ und die Dienstanweisung „Sprachgebrauch in der Exekutive“ verstoßen zu haben. Weiters wird ein Verstoß gegen § 8a Abs. 2 Z. 1 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetztes erblickt.
Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:
§ 43 (2) BDG:
Ein Beamter ist verpflichtet, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Beamtinnen und Beamte haben als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind.
§ 44 (1) BDG:
Ein Beamter hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Dienstanweisung „Sprachgebrauch in der Exekutive“ zu GZ: P4/452459/1/2012 vom 28.12.2012:
Der Beamte bekennt sich im Sinne einer professionellen Aufgabenerfüllung dazu, dass sich sowohl während der Ausübung des Dienstes als auch außerhalb desselben solcher Umgangsformen und sprachlicher Ausdrucksformen zu bedienen haben, die den Eindruck einer diskriminierenden, erniedrigenden, entwürdigenden oder voreingenommenen Vorgangsweise bzw. einen Rückschluss auf eine solcherart motivierte Grundhaltung erst gar nicht aufkommen lassen. Dies insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Sicherheitsexekutive an sich selbst den Anspruch stellt, die größte Menschenrechtsorganisation zu sein.
Dienstanweisung „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ zu GZ: P4/113730/1/2014 vom 19.05.2014, Pkt. II.2, „Auftreten“:
Der Beamte bekennt sich dazu, dass eine professionelle Aufgabenerfüllung im Rahmen jedes Zusammenwirkens mit anderen Personen, neben der erforderlichen persönlichen und fachlichen Qualifikation, auch eine den allgemeinen gesellschaftlichen Umgangsformen angemessene Höflichkeit, ein respektvolles und der Menschenwürde entsprechendes Auftreten sowie ein gepflegtes Erscheinungsbild bedingt, um insbesondere das Vertrauen der Bevölkerung und das Ansehen des Polizeikorps zu stärken.
§ 8 a (2) B-GlBG:
Eine geschlechtsbezogene Belästigung liegt vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und
1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder
2. bei dem der Umstand, dass die betroffene Person eine geschlechtsbezogene Verhaltensweise seitens einer Vertreterin oder eines Vertreters des Dienstgebers oder einer Kollegin oder eines Kollegen zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkung auf den Zugang dieser Person zur Aus- und Weiterbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung über das Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gemacht wird.
Jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes nach den §§ 4, 5, 6 und 7 bis 8a durch eine Bedienstete oder einen Bediensteten verletzt die Verpflichtungen, die sich aus dem Dienstverhältnis ergeben, und ist nach den dienst- und disziplinarrechtlichen Vorschriften zu verfolgen.
Zum Schuldspruch zu den Punkten 1, 3 und 4:
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen zu den Punkten 1, 3, 4 schuldhaft begangen hat.
Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte seine Kollegin nicht nur mit ordinären Schimpfwörtern bedacht hat – zwar nicht direkt, aber hinter ihrem Rücken - und diese damit herablassend, beleidigend und entwürdigend behandelt hat, sondern auch gegenüber Kollegen durch Schlagen/Greifen auf die Genitalien sowie durch onanierende Handbewegungen und Ausspucken entwürdigende und bzw. diskriminierende Handlungen gesetzt hat.
Das Beweisverfahren hat aufgrund der Zeugenaussagen, die allesamt glaubwürdig und schlüssig waren, ergeben, dass der Beamte seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat.
Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, der Zeugenaussagen sowie aus den Ausführungen des Beschuldigten.
Dienstpflichtverletzungen nach § 43 Abs. 2 BDG und geschlechtliche Belästigung nach dem B-GlBG hinsichtl. Pkt. 3 und 4:
Wie der VwGH und das BVwG schon mehrfach entschieden haben, umfasst der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 2 BDG auch sexuelle Belästigungen im Sinne des B-GlBG (VwGH 27.10.1999, 97/09/0105). Im Erkenntnis der DOK vom 25.04.1985, GZ 35/16-DOK/84 wurde die Verwendung unsittlicher Redewendungen – sogar, wenn dieses Geschehen von den betroffenen Kollegen nicht als Eingriff in ihre Intimsphäre empfunden wird - als disziplinär relevant angesehen. Die Berufungskommission hat im Erkenntnis vom 12.5.1999 aus § 43 Abs. 2 BDG eine allgemeine Anstandsverpflichtung abgeleitet, die selbst bei einer allfälligen Einwilligung, der von solchen Handlungen betroffenen Bediensteten, Geltung hat. Auch eine aggressive, aufdringliche, von Beleidigungen und Diffamierungen geprägte, bzw. verächtlich machende dienstliche Kommunikation, welche aufgrund ihrer Nachhaltigkeit den Betriebsfrieden empfindlich stören kann, ist - soweit nicht ohnehin § 43a BDG vorliegt - unter § 43 Abs. 2 BDG subsumierbar.
Das erwiesene Verhalten des Beschuldigten geht weit darüber hinaus, weil er Kollegen immer wieder sexuell bzw. geschlechtlich belästigte, indem er diesen mit dem Handrücken gegen die Genitalien schlug oder selbst onanierende Handbewegungen machte und dann auf den Fußboden in der PI spuckte, und die Kollegin massiv beschimpfte (Punkt 1 – unter § 43a zu subsumieren). Das Verwerfliche dabei war aber der Umstand, dass er dies laut Zeugenaussagen ausschließlich bei jungen Kollegen oder Schülern machte, die sich gegenüber einen älteren Kollegen nicht zu wehren getrauten. Die Reaktionen der Betroffenen reichte von Kopfschütteln, beschämendes Wegschauen bis hin zum entsetzten Zurückweichen. Die übrigen Anwesenden lachten peinlich berührt oder verließen den Raum. Keiner der Kollegen stellte den Beschuldigten zur Rede. Auch nicht der Vorgesetzte, der von all dem wusste und NICHT reagierte.
Nach Meinung des erkennenden Senates ist dies alles ein deutlicher Hinweis darauf, dass dem Beschuldigten zum Zeitpunkt der Tat jegliches Unrechts-und Verantwortungsbewusstsein fehlte. Dadurch ist es aber nicht nur zu diesen geschlechtlichen Belästigungen (Schlag auf die Genitalien, onanierende Handbewegungen, spucken als „Abspritzen“) gekommen, sondern -neben der Schaffung einer feindlichen, die Würde verletzenden Arbeitsumwelt - auch zu einer Störung des Betriebsfriedens und dienstlicher Abläufe. Eine Störung des Betriebsfriedens wird immer dann vorliegen, wenn ein Beamter durch seine Handlungsweisen eine Störung des sozialen Friedens auf seiner Dienststelle zu verantworten hat, welche sich – gerade im besonders sensiblen Bereich der öffentlichen Sicherheit – negativ auf den Dienstbetrieb auswirken kann. Schon alleine das Herumspucken alleine ähnelt einem „Halbstarkenverhalten“ und ist eines Beamten unwürdig.
Wie die Zeugen nunmehr glaubhaft aussagten, ist, seit dem der Beschuldigte die PI verlassen hat, Ruhe und Frieden eingekehrt.
Dienstpflichtverletzung nach § 43a BDG, Punkte 1.
Im § 43a BDG wurde normiert, dass sich alle Bediensteten mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen haben. Insbesondere sind Verhaltensweisen, welche die menschliche Würde verletzen, zu unterlassen. Die im Spruchpunkt 1. dargestellte Verhaltensweise gegenüber der jungen Kollegin ist jedenfalls geeignet, die menschliche Würde zu verletzen. Dass der Beschuldigte sich einer derart derben und unsittlichen Ausdrucksweise bedient (Drecksfut, Hirn gschissn), ist auch in der bisherigen Rechtsprechung der Disziplinarkommission einzigartig und beweist, dass der Beschuldigte im Umgang mit Kollegen einen inakzeptablen und selbsterhöhenden Umgangsstil pflegte. Seine Tathandlungen waren geeignet, eine feindliche und diskriminierende Arbeitsumgebung zu schaffen und standen im klaren Widerspruch zu seinen, sich aus § 43a BDG ergebenden Verpflichtungen, nämlich einen respektvollen Umgang zu pflegen.
Der Dienstgeber hat ein unbedingtes Interesse daran, dass in allen Dienststellen ein innerbetriebliches Klima herrscht, welches von gegenseitigem Respekt und Achtung getragen ist. Nur dadurch können Mitarbeiter ihre Leistung erbringen und in diesem diffizilen und schwierigen Umfeld auf Dauer erfolgreich arbeiten. Der Beschuldigte hat mit seinem Verhalten das Gegenteil bewirkt und eine Atmosphäre geschaffen, welchen es v.a. weiblichen Mitarbeitern nahezu unmöglich machte, in diesem Umfeld erfolgreich und gerne arbeiten zu können.
Dienstpflichtverletzungen nach § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der Dienstanweisung „Sprachgebrauch in der Exekutive“ und „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, sowie auch die schriftlichen Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche Befehle/Dienstaufträge seiner Vorgesetzten zu befolgen hat. Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission (bis 13.12.2013) wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses und ist die Befolgung von dienstlichen Anordnungen für den ordnungsgemäßen sowie effizienten Ablauf des Dienstes von essentieller Bedeutung (57/8-DOK/08 vom 11.11.2008).
Der Disziplinarbeschuldigte hat gegen die oben angeführten Dienstanweisungen der Landespolizeidirektion Wien verstoßen, indem er nicht zu tolerierende Verhaltensweisen gegenüber Kollegen an den Tag gelegt hat.
Der Beschuldigte ist insgesamt eines Fehlverhaltens überführt, welches geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit und des Dienstgebers zu erschüttern (DOK 2.3.2005, 113/14-DOK/00; 3.3.2004, 78/8-DOK/03; 13.10.2004, 73/10-DOK/04). Gerade die uneingeschränkte Integrität des Beamtentums, ihre Unbefangenheit und Verbundenheit mit den rechtlichen Werten ist von besonderer Bedeutung für das Vertrauen des Bürgers in den gesamten Polizei- bzw. Beamtenapparat. Dem Verhalten von Beamten, welche mit wichtigsten Aufgaben der Hoheitsverwaltung betraut sind, kommt daher in der Öffentlichkeit besonderer Stellenwert zu. Der Bürger erwartet sich zu Recht, dass die Polizei ihre Aufgaben - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und die Bekämpfung der Kriminalität - in kompetenter und effizienter Weise erfüllt. Dazu gehört es auch, dass Polizeibeamte die von ihnen zu vollziehenden Gesetze selbst einhalten, somit auch nach ethischen und moralischen Gesichtspunkten besonders gesetzestreu sind. Nur dadurch kann ein Polizeibeamter seine Glaubwürdigkeit erhalten.
Zum Freispruch zu Punkt 2):
Der genaue Wortlaut der Beschimpfungen der Kollegin der Verwaltung konnten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Der befragte Zeuge konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, bei dem Gespräch mit dem Beschuldigten dabei gewesen zu sein und gab an, von anderen Kollegen davon gehört zu haben, und die weitere Zeugin konnte sich nicht mehr an den genauen Wortlaut und daran erinnern, ob der Beschuldigte tatsächlich das Wort Schlampe verwendet hat. Sie konnte jedoch definitiv anführen, dass der Beschuldigte sagte: „die Verwaltungskollegin is a Psychos“. Dass der Beschuldigte geschimpft hat und Unmutsäußerungen von sich gegeben hatte, ist erwiesen, aber das Schimpfwort Psychose überschreitet nach Ansicht des Senates nicht die Schwelle der disziplinären Erheblichkeit, weshalb im Zweifel mit Freispruch in diesem Punkt vorzugehen war.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild über den Beamten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 102 ff und das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).
Als mildernd konnte die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, das Geständnis und
eine Vielzahl an Belobigungen herangezogen werden.
Als erschwerend waren mehrere Dienstpflichtverletzungen derselben Art, ein längerer Tatzeitraum und das Ausnützen seiner Stellung als „alter Kollege“ gegenüber Schülern und jungen Inspektoren zu werten.
Insgesamt liegt eine schwere Verletzung von Dienstpflichten vor, wobei der erkennende Senat jene des Spruchpunktes 1. als die schwerwiegendsten erkannte. Es war klar erkennbar, dass das durchgeführte Disziplinarverfahren dem Beschuldigten erstmals und deutlich vor Augen führte, dass sein Umgang mit Kolleginnen und Kollegen weder zeitgemäß noch angemessen waren.
Aber nicht nur der Beschuldigte hat wegen seines nicht zu tolerierenden Verhaltens gegenüber seinen Kollegen versagt –auch der unmittelbare Vorgesetzte ist als Führungskraft, im sozialen Umgang miteinander, völlig gescheitert.
Der Dienstgeber stellt an seine Führungskräfte hohe Ansprüche. Von Führungskräften wird durchaus erwartet, dass sie, einem militärisch organisierten Wachkörper entsprechend, straff, zielorientiert, fordernd und durchsetzungsstark führen und jegliches Fehlverhalten unverzüglich abstellen. Dies hat der Vorgesetzte bewusst unterlassen, weshalb seine Führungsqualität zu hinterfragen ist.
Aus generalpräventiven Gründen war keine geringere Strafe möglich, zumal der Kollegenschaft klar signalisiert werden muss, dass ein derartiges Verhalten inakzeptabel ist und hinkünftig mit drakonischen Strafen gerechnet werden muss. Es wird erwartet, dass sich die Beamten in allen Bereichen ihrer Funktion vorbildlich und angemessen verhalten. Spezialpräventiv wird dem Beschuldigten ebenso klar vor Augen geführt, dass er für sein massives Fehlverhalten eine relativ hohe Geldstrafe leisten muss.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
19.12.2019