TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/22 98/05/0096

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Veröffentlicht am 22.09.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs1;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Andreas Steurer und 2. der Margarethe Steurer, beide in Jois, beide vertreten durch Dr. Rudolf Tobler, Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde Jois, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend einen Devolutionsantrag im Bauverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG iVm § 73 Abs. 2 AVG wird der Antrag der Beschwerdeführer vom 21. Oktober 1997 auf Übergang der Entscheidungspflicht betreffend das Ansuchen des Edmund Oberndorfer auf Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung von Pferdeboxen und den Umbau eines Schweinestalles vom 10. März 1993 zurückgewiesen.

Die Marktgemeinde Jois hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. August 1994 hat der Bürgermeister der Marktgemeinde Jois dem Edmund Oberndorfer die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung von Gästepferdeeinstellboxen und zum Umbau eines Schweinestalles erteilt. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Jois vom 17. Juni 1995 abgewiesen. Aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung wurde der Berufungsbescheid mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 6. Dezember 1996 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde (Gemeinderat) verwiesen. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Jois hat mit Bescheid vom 12. Februar 1997 der Berufung der Beschwerdeführer Folge gegeben, den erstinstanzlichen Bescheid behoben und die Bausache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Bürgermeister der Marktgemeinde Jois als Baubehörde erster Instanz verwiesen. Da der Bürgermeister im Rahmen der Sechsmonatsfrist des § 73 AVG nicht entschieden hat, haben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21. Oktober 1997 (eingelangt beim Gemeindeamt am 24. Oktober 1997) beim Gemeinderat der Marktgemeinde Jois einen Devolutionsantrag im Hinblick darauf gestellt, daß der Gemeinderat als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über das im Spruch näher angeführte Baubewilligungsgesuch des Edmund Oberndorfer dahingehend entscheiden möge, daß dieses abgewiesen werden solle.

Mit der vorliegenden, am 15. Mai 1998 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde machen die Beschwerdeführer die Verletzung in ihrem Recht auf Sachentscheidung geltend, da die belangte Behörde über den angeführten Devolutionsantrag und in der Sache nicht innerhalb von sechs Monaten im Sinne des § 27 VwGG entschieden haben.

Mit hg. Schriftsatz vom 25. Mai l998, Zl. 98/05/0096-2, wurde die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid nachzuholen. Mit Schriftsatz des Bürgermeisters der Marktgemeinde Jois vom 26. August 1998 wurde mitgeteilt, daß das verfahrensgegenständliche Bauansuchen mit Eingabe des Bauwerbers vom 7. April 1997 zurückgezogen worden sei (die Zurückziehung wurde vorgelegt).

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 470/1995 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art.132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Der von den Beschwerdeführern erhobene Devolutionsantrag wird durch die vorliegende Zurückziehung des bezogenen Bauansuchens in seinem Bestand nicht berührt. Der Devolutionsantrag war in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches an den Gemeinderat der Marktgemeinde Jois, also an die oberste Behörde im Sinne des § 27 VwGG, gerichtet. Im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Säumnisbeschwerde (15. Mai 1998) war die in § 27 Abs. 1 VwGG vorgesehene Frist von sechs Monaten zur Entscheidung, gerechnet vom Zeitpunkt des Einlangens des Devolutionsantrages bei der belangten Behörde (am 24. Oktober 1997), bereits verstrichen, ohne daß über den verfahrensgegenständlichen Devolutionsantrag entschieden worden wäre. Die Säumnisbeschwerde ist somit zulässig, auch die Zurückziehung des bezogenen Bauansuchens ändert an der Zulässigkkeit der vorliegenden Säumnisbeschwerde nichts.

Der vorliegende Devolutionsantrag ist aber - ungeachtet der Zurückziehung des angeführten Bauansuchens - schon deshalb zurückzuweisen, weil dem Nachbarn im Bauverfahren im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens kein Recht auf Geltendmachung der Entscheidungspflicht gemäß §73 Abs. 1 AVG über das vom benachbarten Bauwerber gestellte Bauansuchen zukommt (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 19. Jänner 1970, Slg. Nr. 7712/A). Notwendige Voraussetzung eines zulässigen Devolutionsantrages ist aber, daß dem Antragsteller ein Recht auf Geltendmachung der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG in der bezogenen Verwaltungsangelegenheit zukommt.

Der im Spruch näher angeführte Devolutionsantrag der Beschwerdeführer vom 21. Oktober 1997 war daher mangels eines Rechtes der Beschwerdeführer auf Geltendmachung der Entscheidungspflicht zurückzuweisen.

Die Entscheidung konnte in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998050096.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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