Norm
BDG 1979 §44 Abs1Schlagworte
Nichtbeachten einer WeisungText
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
N.N. wird von dem Vorwurf,
sie habe die Weisung des Vorgesetzten, das gesamte PAZ nach dem abgängigen Insassen zu durchsuchen, nicht ordnungsgemäß befolgt, da sie nach erfolgloser Beendigung der Suche angab, den 4. Stock einschließlich der Wäschekammer durchsucht zu haben, der Insasse jedoch tatsächlich etwas später in besagter Wäschekammer aufgefunden werden konnte,
sie habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,
gemäß § 126 Abs. 2 i.V.m. § 118 Abs. 1 Zi 2 BDG freigesprochen.
Der Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
BEGRÜNDUNG
Der Verdacht, eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, gründet sich auf die Selbstanzeige der Beamtin.
Sachverhalt:
Mit Schreiben beantragte die Beamtin die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst und begründet diese Selbstanzeige wie folgt:
Es wurde bei der Standeskontrolle im PAZ festgestellt, dass ein Häftling auf diesem Stockwerk fehlte. Es wurde über Auftrag des Kollegen XX. mit den Stockwerkbeamten des 4. Stockes das gesamte Stockwerk genauestens durchsucht. Sie selbst trat ihren Dienst damals in der Sanitätsstelle an und war in weiterer Folge mit der Ausgabe der Abendmedikamente an die Häftlinge beschäftigt. Nach der Medikamentenausgabe wurde sie ebenfalls beauftragt, gemeinsam mit einem ihrer Kollegen an der Suche teilzunehmen. Von beiden wurden alle Zellen und die anderen Räumlichkeiten des 4. Stockes durchsucht. An der Suche beteiligten sich alle verfügbaren Kräfte. Da die Suche bis zu diesem Zeitpunkt erfolglos verlief, wurde ein Polizeihund mit Hundeführerinnen zur Suche eingesetzt, welche ebenfalls negativ verlief. Auch die noch zusätzlich zur Unterstützung vom PAZ herangezogenen Kräfte konnten keinen Erfolg bei der Suche im 4. Stock erzielen.
Es konnte aufgrund der von ihm verursachten Geräuschentwicklung der vermisste Schubhäftling von Kollegen XX. in der Wäschekammer entdeckt und in weiterer Folge aufgegriffen werden.
Der Häftling in weiterer Folge per Charterflug abgeschoben.
Zu keiner Zeit hatte sich ein Vorgesetzter über eine mangelhafte Dienstversehung der eingesetzten uEB beschwert. Ihr Kollege und die Beschuldigte kamen dem Auftrag, an der Suche mitzuwirken, umgehend und gewissenhaft sowie engagiert nach.
Die Beschuldigte führte weiters an, dass sie bis zum Zeitpunkt der Ermahnung weder zu dem Vorfall von einem Vorgesetzten befragt noch eine schriftliche Stellungnahme von ihr eingefordert wurde.
Die Beschuldigte gab zudem an, dass ihr in der Ermahnung die Dienstpflichtverletzung, die ihr offenbar vorgeworfen wird, nicht konkret umschrieben bzw. dargestellt wurde, was nicht dem Wesen und dem Rechtscharakter einer Ermahnung nach § 109 Abs. 2 BDG entspricht. Weder der genaue Grund für die Dienstpflichtverletzung noch die wesentlichen Bestimmungen des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 BDG wurden ihr zur Kenntnis gebracht, da die Ermahnung für sie lediglich in der zentralen Dienstführung hinterlegt wurde.
Seitens der Beschuldigten wurde weiters bemerkt, dass die Stockwerksbeamten des Stockes wie auch der Polizeidiensthund und die Kräfte aus dem PAZ, sowie auch die sonstigen beteiligen Kräfte, bei ihrer Suche erfolglos geblieben sind.
Im Übrigen ist nicht bewiesen, dass zum Zeitpunkt ihrer eigenen Nachschau in der Wäschekammer der abgängige Häftling sich auch tatsächlich dort befunden hat.
Da sich die Beschuldigte keines schuldhaften Verhaltens bei der Erfüllung ihrer Dienstpflichten bewusst wäre, wurde von ihr der gegenständliche Antrag an die Dienstbehörde zur Beurteilung gestellt.
Seitens der Disziplinarkommission wurde nunmehr das ordentliche Verfahren mittels Bescheid eingeleitet.
Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:
§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt, zu befolgen.
Zum Freispruch:
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass die Beschuldigte von dem Vorwurf freigesprochen wird, weil ihre Vorgangsweise keine Dienstpflichtverletzung darstellt.
Der Vorwurf lautet dahingehend, dass sie den verschwundenen Häftling nicht ordnungsgemäß gesucht hätte, und damit die Weisung – nämlich den Häftling zu suchen - nicht ordnungsgemäß befolgt hätte.
Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Beamtin ihren Dienstpflichten grundsätzlich nachgekommen ist, sie hat den Häftling gesucht. Die Weisung des XX. lautete, die Durchsuchung des gesamten PAZ, eine spezielle Weisung zu einem bestimmten Zeitpunkt eines bestimmten Stockwerkes und bestimmten Raumes gab es jedoch nicht – mit Ausnahme der Suche im 1. Stock außerhalb des Gesperres. Die Beschuldigte hat aber nicht nur den Stock außerhalb des Gesperres gemeinsam mit dem Kollegen durchsucht, sondern darüber hinaus noch den 4. Stock inklusive der Nassbereiche, des Vorraumes zum Aufzug und der Wäschekammer.
Aus der Aktenlage ist nicht ersichtlich, ob sich der Häftling zum Zeitpunkt der Durchsuchung durch die Beschuldigte tatsächlich in der Wäschekammer aufgehalten hat.
Zudem geht aus der Aktenlage nicht hervor, wie der Häftling in die Wäschekammer gekommen ist. Die Schließverhältnisse waren nicht nachvollziehbar, da die Wäschekammer grundsätzlich ohne Türschnalle ist, aber nicht versperrt ist. Wäre es somit möglich gewesen, dass der Schubhäftling die im Dienstzimmer aufbewahrte Türklinke zum Öffnen verwendet hat oder die Wäschekammer mittels einem anderen Werkzeug geöffnet hat – dieser Vorgang wurde nicht evaluiert bzw. geht nicht aus dem Akteninhalt hervor. Es wurde auch keine Evaluierung mit den involvierten Beamten durchgeführt und gibt es laut der Beschuldigten ihrer Kenntnis nach keine spezielle Richtlinie, nach welchen Prioritäten im Falle Abwesenheiten bzw. Nichtauffindung eines Häftlings vorzugehen ist.
Die Beschuldigte gab an, auch in der Wäschekammer Nachschau gehalten zu haben, dort wäre der Häftling definitiv nicht gewesen, da sie gemeinsam mit ihrem Kollegen suchte und unter die Wäschestücke und Decken geschaut hätte.
Die Wäschekammer ist ca. 8-9 m2 groß und verfügt über ein Fenster ohne Fenstergriff. In der Wäschekammer selbst befinden sich ein 4-reihiges Regal, auf dem diverse Decken und Wäschestücke gelagert sind, ein großer Metallkorb auf Rädern, in dem sich Schmutzwäsche befindet sowie ein Tisch, auf dem Wäscheständer und Polster liegen. In der Ecke stehen zusammengeklappte Wäscheständer.
Der Raum ist aufgrund der Größe leicht zu überblicken und überschaubar. Problematisch ist nur der Berg an Schmutzwäsche und der herumliegenden Decken.
Mittels eines Erhebungsersuchens an die Dienstbehörde wurde seitens des Senates die Frage gestellt, eine Chronologie der Suche nach dem Häftling zu erstellen. Aus dieser Chronologie wurde sogar zeitlich angeführt, wann und wo seitens der beigezogenen Beamten gesucht wurde. Der 4. Stock inklusive der Nassräumlichkeiten wurden durchsucht. Die Wäschekammer wurde jedoch mit keinem Wort erwähnt, sodass davon auszugehen ist, dass diese VOR dem Tätigwerden durch die Beschuldigte überhaupt nicht durchsucht wurde. Der Grund dafür konnte seitens des Senates nicht nachvollzogen werden.
Gemäß § 118 Abs. 1 BDG ist das Disziplinarverfahren durch Bescheid einzustellen, wenn
1. der Beschuldigten die ihr zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen (Strafausschließungsgründe und Strafaufhebungsgründe) (Z 1)
2. die der Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt (Z 2)
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen (Verfolgungshindernisse) Z 3
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies die Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken (Z 4).
Die Beschuldigte führte heute glaubwürdig an, alles Erdenkliche getan zu haben, um den Häftling zu suchen und damit die Weisung befolgt zu haben.
Die Weisung selbst lautete auf Suchen des Häftlings. Dieser Weisung wurde unstrittig nachgekommen.
Warum der Häftling zur Flucht und deren nähere Umstände nicht befragt wurde, warum nicht schon viel früher in der Wäschekammer Nachschau gehalten wurde, warum hinsichtlich dieses Vorfalles keine Evaluierung stattgefunden hat, warum der Umstand nicht hinterfragt wurde, wie der Häftling in die Wäschekammer eindringen konnte und wie der Häftling unbemerkt in den Besitz von 2 Buttermesser kommen konnte, war seitens des Senates nicht nachvollziehbar, da diesbezüglich aus dem Akteninhalt keinerlei Rückschlüsse gezogen werden konnten.
Selbst seitens des Disziplinaranwaltes wurde ein Freispruch beantragt, der Senat hat sich diesem Antrag angeschlossen.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG entfallen aufgrund des Freispruches.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
19.12.2019