TE Dok 2019/11/27 42117-DK2-2019

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Veröffentlicht am 27.11.2019
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Norm

BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

mangelhafte Aktenerledigung, Verjährung

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

N.N. ist schuldig,

sie hat in der Zeit zw. 2015 und 2017 Akte nicht ordnungsgemäß, nur teilweise oder mangelhaft bearbeitet, sodass im Verwaltungsstrafverfahren 23 Verfahren verjährt sind und insgesamt 81 Verfahren mangelhaft geführt wurden. Im PAD sind durch die nicht ordnungsgemäße Aktenbearbeitung 11 Akte verjährt,

 

sie hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der DA „Kanzlei- und Protokollwesen“ GZ: P4/303048/3/2012 i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,

 

Über die Beschuldigte wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG eine Geldbuße in der Höhe von € 500,- (in Worten: fünfhundert) verhängt.

Der Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

BEGRÜNDUNG

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde, sowie den Erhebungen der LPD Wien.

Sachverhalt:

In einer ho. einlangenden Sachverhaltsmitteilung des Herrn Leiter des PK wird gegen die im Betreff angeführte Beamtin die Erstattung einer Disziplinaranzeige angeregt.

Der SV-Mitteilung folgend habe sich eine niederschriftliche Ermahnung (2017) im Zusammenhang mit der ineffizienten bzw. mangelhaften Bearbeitung von Verwaltungsakten als nicht ausreichend erwiesen und die Beamtin hat trotz entsprechender Instruktion sowie Ausnahmen aus der sogenannten „Radlzuteilung“ neuerlich Aktenrückstände aufgebaut und es ist erneut zu Verjährungen bzw. zu mangelhaften Bearbeitungen von Verwaltungsstrafakten und PAD-Akten, sowohl durch Untätigkeit als auch durch ineffizientes Handeln gekommen.

Konkret sind in dem Schreiben 20 verjährte VStV-Akte, 74 mangelhaft bearbeitete VStV-Akte sowie 10 verjährte PAD-Akte aufgelistet. Bei zahlreichen Akten, bei welchen die Tatzeit bis 2014 zurückreicht, ist eine Strafbarkeits- bzw. Verfolgungsverjährung eingetreten.

Verantwortung:

Bei einer veranlassten niederschriftlichen Befragung wurde von N.N. angegeben, dass ihr mehrmals jährlich Rückstandsausweise im VStV und im PAD zur Erledigung zugewiesen wurden. Es habe auch eine Vielzahl von Besprechungen mit dem Herrn Stadthauptmann gegeben und sie habe immer darauf hingewiesen, dass alle Akte in Bearbeitung seien und dass keine Probleme vorlägen. Sie habe aber schlussendlich wohl den Überblick verloren. Akte seien immer wieder befristet oder auf Aviso gelegt, folgend jedoch oft nicht bearbeitet worden. Auch aus Scham habe sie keine Hilfe bei den Kollegen und Vorgesetzten gesucht. Sie sei früher PI-Ermittlerin gewesen und sei mit Verwaltungsakten und dem VStV nicht befasst gewesen. Der Arbeitsaufwand habe ihr zu schaffen gemacht und zudem sei sie neun Wochen lang neben dem normalen Arbeitsablauf im A2 Grundkurs gewesen. Wohl auch aus diesen Gründen sei sie mit der Terminverwaltung ist Strudeln gekommen. Sie habe meist verjährte Akte befristet und auf Aviso gelegt, da sie zum Teil den Überblick verloren habe und es habe auch Akte gegeben, die von ihr nicht bearbeitet wurden.

Die Beamtin ist auf die Vorhalte geständig und sie gibt an, dass ihr die ganze Sache leid tue. Es sei niemals Absicht dahinter gewesen, und sie habe auch niemanden belasten wollen. Es sei ihr alles zu viel geworden und auf Rückfragen ihrer Vorgesetzten habe sie immer angegeben, dass alles in Ordnung sei. Sie habe alles später in Ordnung bringen wollen, jedoch sei dann keine Zeit dazu gewesen.

 

Anlastungen durch die Dienstbehörde:

In der mangelhaften bzw. teilweise auch überhaupt nicht durchgeführten Aktenbearbeitung werden schuldhafte Dienstpflichtverletzungen gemäß §§ 43 Abs. 1 und 44 Abs. 1 BDG 1979 erblickt.

Seitens des RBE wurde die Beamtin wegen des Verdachtes des Amtsmissbrauchs zur Anzeige gebracht, das Verfahren jedoch mit der Begründung eingestellt, dass ein Vorsatz nicht nachweisbar war.

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt, zu befolgen.

Dienstanweisung Kanzlei-und Protokollwesen:

I.3.3. Aufgaben des Bearbeiters: Geschäftsfälle sind gemäß der sachlichen Zuständigkeit und auf Grund der gesetzlichen und organisatorischen Vorgaben rasch und effizient zu erledigen. Die Akte sind in den entsprechenden elektronischen Aktenbearbeitungssystemen zu bearbeiten.

Zur Schuldfrage:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass die Beschuldigte die ihr vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass die Beamtin Akten nicht ordnungsgemäß bearbeitet bzw. mangelhaft, sodass es teilweise zu Verjährungen gekommen ist.

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, sowie aus den Ausführungen der Beschuldigten.

Gemäß § 95 Abs. 2 BDG ist die Disziplinarkommission nur an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. In allen anderen Fällen – so auch bei Einstellungen, hat der Senat den Sachverhalt eigenständig zu beurteilen.

Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG i.V.m der Dienstanweisung Kanzleiordnung:

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, sowie auch die schriftlichen Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche Befehle/Dienstaufträge seiner Vorgesetzten zu befolgen hat. Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission (bis 13.12.2013) wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses und ist die Befolgung von dienstlichen Anordnungen für den ordnungsgemäßen sowie effizienten Ablauf des Dienstes von essentieller Bedeutung (57/8-DOK/08 vom 11.11.2008).

Auch der VwGH hat § 44 BDG als so „grundsätzliche Bestimmungen des Dienstrechts“ gesehen, dass er bei der „unberechtigten Nichtbefolgung einer Weisung“ eine Disziplinarstrafe für „unbedingt erforderlich“ gehalten und die Voraussetzung der „geringen Schuld“ in § 118 Abs. 1 Z 4 BDG als keinesfalls gegeben angenommen hat (VwGH 21.2.1991, 90/09/0180).

 

Laut der oben angeführten Dienstanweisung sind Beamte verpflichtet, Akte ohne unnötigen Aufschub zu bearbeiten und ehest möglich zu erledigen, wobei jene, die einen Dringlichkeitsvermerk aufweisen oder aus anderen Gründen vordringlich zu behandeln sind, unverzüglich zu erledigen sind.

Wenn Fristen oder Termine für die Erledigung bestehen, sind diese nicht zu überschreiten. Ist die Einhaltung von Fristen oder Terminen aus besonderen Gründen nicht möglich, ist eine Zwischenerledigung vorzunehmen.

Gegenständliche Dienstanweisung der LPD Wien betreffend die Kanzleiordnung ist eine schriftliche Weisung, welche allen Beamten via Veröffentlichung im Intranet zur Kenntnis gebracht worden ist.

Daher handelt derjenige Beamte pflichtwidrig, der dienstliche Anordnungen nicht befolgt.

Dass die Akten in einem Zeitraum nicht ordnungsgemäß bearbeitet wurden liegt im Ergebnis im Aktenrückstand vor, dieser Sachverhalt ist objektiv unbestritten. Dass auch die Vorgesetzten der Beamtin tätig hätten werden müssen, ergibt sich aus der hierarchischen Struktur, befreit aber die Beamtin nicht von ihrer eigenen disziplinarrechtlichen Verantwortung. Sie führte an, aus Scham aber auch aus falschem Glauben, alles selbst bewältigen zu müssen, keine Kollegen ersucht zu haben zu helfen.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild über die Beamtin zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 102 ff und das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

Als mildernd konnte die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, das reumütige Geständnis und die gute Dienstbeschreibung herangezogen werden.

Als erschwerend ist der lange Deliktszeitraum zu werten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2019
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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