TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/22 97/05/0220

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Veröffentlicht am 22.09.1998
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
BauO NÖ 1976 §61 Abs1;
BauO NÖ 1976 §61 Abs2;
BauO NÖ 1976 §61 Abs3;
BauO NÖ 1976 §89 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Heimatwerbung Gesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. Juni 1997, Zl. RU1-V-97128/00, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Ternitz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat auf dem Grundstück Nr. 99/8 der Liegenschaft EZ 6, KG Putzmannsdorf, im Jahre 1975 ohne baubehördliche Bewilligung eine Werbetafel mit einer Breite von 5,10 m und einer Höhe von 2,60 m derart errichtet, daß sich die höchste Stelle ca. 3 m über dem Erdbodenniveau befindet. Die Werbetafel ist auf drei Holzstehern montiert und auf beiden Seiten mit Anschlagflächen versehen.

Mit Eingabe vom 25. April 1996 beantragte die Beschwerdeführerin die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung zur Aufstellung dieser Werbetafel.

Das Baugrundstück Nr. 99/8 befindet sich im Bauland-Wohngebiet als Eckparzelle zwischen der Putzmannsdorfer-Straße (Landesstraße) und der Gemeindestraße Nußbaumweg. Der kürzeste Abstand der Werbetafel zur Straßenfluchtlinie der Putzmannsdorfer-Straße beträgt ca. 2 m, zur Straßenfluchtlinie des Nußbaumweges ca. 4 m. Die Tafel ist etwa rechtwinkelig zur Putzmannsdorfer-Straße angeordnet, sodaß die Werbeflächen von beiden Richtungen dieser Straße aus zu sehen sind. Die Abstände der Werbetafel zu den Grundstücksgrenzen der angrenzenden Bauparzellen betragen jeweils mindestens 20 m.

Das gegenständliche Baugrundstück und die nähere Umgebung im Westen, Osten und Süden ist bis zu einer Entfernung von mindestens 200 m als Bauland-Wohngebiet ausgewiesen. Die nähere Umgebung im Bereich des Nußbaumweges besteht aus 12 vor einigen Jahren parzellierten Baugrundstücken; zwei Grundstücke hievon sind bereits bebaut. Es handelt sich um ein Siedlungsgebiet in offener Bebauungsweise; die Bauplatzgrößen betragen durchschnittlich unter 1000 m2. Auf der dem beschwerdegegenständlichen Baugrundstück gegenüberliegenden Straßenseite der Putzmannsdorfer-Straße befindet sich eine Tankstelle und ein Kfz-Handelsbetrieb. Diese Fläche ist als Bauland-Betriebsgebiet gewidmet. Dahinter führt die Trasse der Südbahn vorbei. Im westlichen Teil des Betriebsgebietes ist eine baubehördlich bewilligte Werbetafel der Beschwerdeführerin errichtet, welche zum Teil einen dahinterliegenden hölzernen Lagerschuppen optisch abdeckt.

Der Bauzustand der im Siedlungsgebiet errichteten Einfamilienhäuser ist gut. Durch die beschwerdegegenständliche Werbetafel werden die Fassaden der westlich und östlich bereits vorhandenen Einfamilienwohnhäuser von der Putzmannsdorfer-Straße aus gesehen teilweise optisch abgedeckt.

Der zur mündlichen Verhandlung am 26. Juni 1996 beigezogene Sachverständige führte in seinem Gutachten aus, daß die beschwerdegegenständliche Werbetafel im Siedlungsgebiet einen Fremdkörper darstelle, und davon auszugehen sei, daß die derzeit noch unbebauten Grundstücke in unmittelbarer Umgebung des betroffenen Grundstückes bebaut werden können. Für diese Häuser wäre durch die Werbetafel eine optische Beeinträchtigung gegeben. Die Werbetafel störe das optisch einheitliche Bild des Siedlungsgebietes.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 15. Juli 1996 wurde der Antrag auf Erteilung der nachträglichen Baubewilligung einer Werbetafel der Beschwerdeführerin im Grunde des § 89 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 abgewiesen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 10. Dezember 1996 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der NÖ Landesregierung vom 17. Juni 1997 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Das von der Beschwerdeführerin im Vorstellungsverfahren vorgelegte Privatgutachten könne nicht berücksichtigt werden, weil die Vorstellungsbehörde den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgrund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides zu überprüfen habe. Die Beschwerdeführerin sei dem Amtssachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung der beantragten Baubewilligung verletzt. Sie führt aus, dem angefochtenen Bescheid lasse sich in keiner Weise entnehmen, wieso die gegenständliche Werbeanlage das Ortsbild in erheblicher Weise beeinträchtige. Dem Bescheid könne auch nicht entnommen werden, welche charakteristischen Merkmale des vorhandenen Bauzustandes, und zwar der unmittelbaren Umgebung, gestört würden. Auch dem Amtssachverständigengutachten seien in keiner Weise die charakteristischen Merkmale der unmittelbaren Umgebung zu entnehmen. Wodurch sich eine erhebliche Störung oder Verunstaltung des vorhandenen Baubestandes ergebe, sei unklar. Woraus sich eine Störung des Landschaftsbildes ergebe, sei nicht zu ersehen. Der Gutachter beziehe sich nur auf das Ortsbild. Da nach dem Gesetz die Errichtung von Werbeanlagen grundsätzlich zulässig sei und eine gewisse Auffälligkeit in der Umgebung dem Wesen einer Werbeanlage immanent sei, erweise sich der angefochtene Bescheid als rechtsirrig.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 89 Abs. 2 der im Beschwerdefall anzuwendenden NÖ Bauordnung 1976 (siehe die Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 1 der am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen NÖ Bauordnung 1996) dürfen Werbeanlagen das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigen und müssen so beschaffen sein, daß sie mit amtlichen Hinweisen nicht verwechselt werden können und von derartigen Hinweisen nicht ablenken.

Gemäß § 61 Abs. 2 leg. cit. ist unter Ortsbild die bestehende Eigenart bzw. die im Bebauungsplan vorgesehene Gestaltung der baulichen Ansicht eines Ortes, Ortsteiles oder anderen bebauten Gebietes unter Einschluß der bildhaften Wirkung, die von nicht bebauten Gebieten ausgeht, zu verstehen.

Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind bei der Beurteilung, ob ein Vorhaben das Ortsbild stört, die charakteristischen Merkmale des vorhandenen Baubestandes, und zwar der unmittelbaren Umgebung, der angrenzenden Straße (Straßenbild), des umliegenden Ortsteiles und des gesamten Ortes oder bebauten Gebietes zu berücksichtigen. Dabei ist zu prüfen, ob das Vorhaben aufgrund seiner Lage, Größe, Proportionen und Bauform, der verwendeten Baustoffe, Bauteile und bauchemischen Mittel bzw. des zu erwartenden Erscheinungsbildes als erhebliche Störung oder Verunstaltung des vorhandenen Baubestandes wirkt.

Die Frage, ob eine Baulichkeit (Gebäude, Bauwerk) das Ortsund/oder Landschaftsbild beeinträchtigt (erheblich stört oder verunstaltet), ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige. Dem Sachverständigen obliegt es, aufgrund seines Fachwissens nach entsprechender Befundaufnahme ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Aufgrund dieses Sachverständigengutachtens hat sodann die Behörde als erwiesen anzunehmen, ob ein Bauwerk eine diesbezügliche Wirkung entfaltet oder ob dies nicht der Fall ist (vgl. hiezu die bei Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung, 4. Aufl., S. 254 f, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Eine erhebliche Störung des Orts- und/oder Landschaftsbildes wird dann gegeben sein, wenn ein der Bautradition entsprechender und eine kulturelle Einheit bildender Bestand gegeben ist und das Vorhaben weder mit dem Bestand im Einklang steht noch sich in den Bestand harmonisch einordnen läßt. Es soll nicht nur die bestehende Eigenart, sondern auch die im Bebauungsplan vorgesehene Gestaltung von Orten, Ortsteilen und bebauten Gebieten als baukünstlerischer Maßstab herangezogen werden. Der Sachverständige soll bei der Beurteilung der Beziehung des Bauvorhabens zum Ortsbild vom Blick auf die kleinste Einheit, die unmittelbare Umgebung, ausgehend bis zum Blick auf den gesamten Ort und das gesamte bebaute Gebiet, vorgehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/05/0198, BauSlg. Nr. 304/1995).

Der von der Baubehörde erster Instanz im Ermittlungsverfahren beigezogene Sachverständige hat bei Erstellung seines Gutachtens diese Grundsätze berücksichtigt und in nicht als unschlüssig zu erkennender Weise ausgeführt, warum die Werbetafel der Beschwerdeführerin das vorhandene Ortsbild stört. Bei seiner Beurteilung hat der Sachverständige den als Bauland-Wohngebiet gewidmeten Bereich der als "Siedlungsgebiet" bezeichneten Einfamilienhäuser an der Putzmannsdorfer-Straße einbezogen und auch die künftige Gestaltung des Gebietes durch die mögliche Bebauung der vorhandenen Bauparzellen mitberücksichtigt. Daß aufgrund der festgestellten charakteristischen Merkmale der in die Beurteilung einbezogenen Umgebung die Werbetafel der Beschwerdeführerin eine erhebliche Störung im Sinne des § 61 Abs. 3 BO bewirkt, ist für den Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall offenkundig. Auch das von der Beschwerdeführerin mit der Vorstellung vorgelegte Privatgutachten vermag keine Zweifel an der Richtigkeit des Amtssachverständigengutachtens zu erzeugen, weil der Privatgutachter in die Betrachtung auch Ortsteile miteinbezogen hat, welche den im § 61 Abs. 3 BO vorgegebenen Grundsätzen nicht entsprechen, und dieses Gutachten Rechtsausführungen enthält, welche der Behörde vorbehalten bleiben. Die dem Privatgutachten angeschlossenen Lichtbilder erhärten die von den Baubehörden vertretene Rechtsansicht, durch die Werbetafel werde das Ortsbild beeinträchtigt. Im Gutachten des Amtssachverständigen wird auch - entgegen den Beschwerdeausführungen - begründet ausgeführt, worin die Beeinträchtigung des Siedlungsgebietes durch die Werbetafel gegeben ist.

Die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin erfolgte von den Baubehörden deshalb, weil durch die Werbetafel das Ortsbild beeinträchtigt wird. Eine Störung des Landschaftsbildes wurde nicht festgestellt, weshalb es insoweit keiner weiteren Begründung durch die Baubehörden bedurft hat. Die Errichtung von Werbeanlagen ist nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Wird durch sie das Ortsbild beeinträchtigt, ist gemäß § 89 Abs. 2 BO die Errichtung derselben zu untersagen.

Die Vorstellungsbehörde hatte den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 10. Dezember 1996 zu überprüfen. Die Baubehörden haben in einem mängelfreien Verfahren die Beeinträchtigung des Ortsbildes durch die hier gegenständliche Werbetafel festgestellt. Die belangte Behörde selbst hatte keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen. Die der belangten Behörde in der Beschwerde zur Last gelegten Rechtsverletzungen liegen sohin nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. September 1998

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997050220.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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