Entscheidungsdatum
13.12.2019Norm
VwGVG 2014 §27Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den als Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** bezeichneten Bescheid vom 13. März 2019, Zl. ***, mit welchem der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 11. Jänner 2019, Zl. ***, betreffend Duldungsverpflichtung nach der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) teilweise Folge gegeben wurde, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in Verbindung mit
Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Feststellungen und Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer ist grundbücherlicher Alleineigentümer u.a. des Grundstückes Nr. ***, KG ***, welches in nördlicher und östlicher Richtung unmittelbar an das im Alleineigentum der C GmbH stehende Grundstück Nr. ***, KG ***, angrenzt.
1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** (in der Folge: Baubehörde I. Instanz) vom 11. Jänner 2019, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer wie folgt verpflichtet:
„I.1.
Zur Umsetzung der Herstellung der Stützmauer der Bauwerberin, C GmbH, auf der Parzelle Nr. ***, KG ***, wird der Anrainer, Herr A, ***, ***, gemäß § 7 der NÖ BO 2014 i.d.g.F. dahingehend verpflichtet, dass Herr A die Nutzung seines Grundstückes auf einer Breite von maximal 2,85 m entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze zur Parzelle Nr. ***, KG ***, inklusive Demontage der bestehenden Einfriedung zu dulden hat. Dies jedoch unter der Auflage, dass die Nutzung seines landwirtschaftlichen Betriebes ständig aufrecht bleibt.
I.2.
Diese Nutzung des Fremdgrundes wird mit einer Dauer von maximal 5 Wochen zusätzlich allfälliger Schlechtwettertage ab Baubeginn begrenzt.
I.3.
Nach Herstellung des Bauvorhabens ist die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes innerhalb des unter Punkt I.2. festgelegten Zeitraumes durchzuführen.
I.4.
Die Wiederherstellung der vorhandenen baulichen Anlagen (bestehende Einfriedung) auf der Liegenschaft des Herrn A hat in dessen Einvernehmen zu erfolgen, jedoch jedenfalls binnen 4 Wochen nach Ablauf des im Punkt I.2. festgelegten Zeitraumes.
I.5.
Die Stellungnahme (Äußerung) des Herrn A, vertreten durch RA B, ***, ***, gemäß Schreiben vom 28.12.2018, wird als unzulässig abgewiesen.
II. Die Beweissicherung wurde in Form einer Fotodokumentation vorgenommen, welche als Beilage Bestandteil des gegenständlichen Bescheides ist und hat folgenden Zustand ergeben:
(…)
III. An Verfahrenskosten sind zu entrichten:
Kommissionsgebühren € 55,20
Verwaltungsabgabe Tarifpost V-26 € 16,90
Bundesgebühren € 29,90
Gesamt: € 102,00
welcher Betrag mittels beiliegenden Zahlscheines innerhalb 14 Tagen nach Erhalt des Bescheides an die Stadtgemeinde *** zu überweisen ist.“
Dem wiedergegebenen Spruch folgt eine umfangreiche Bescheidbegründung.
1.3. Gegen diesen am 15. Jänner 2019 zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 25. Jänner 2019 durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter vollinhaltlich Berufung. Als Berufungsgründe wurden die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.
1.4. Die Berufung wurde vom Stadtrat der Stadtgemeinde *** (in der Folge: belangte Behörde) in seiner Sitzung vom 14. März 2019 behandelt. Unter Tagesordnungspunkt 2. („Behandlung einer Berufung“) ist dazu im Sitzungsprotokoll Folgendes festgehalten:
„Mit Bescheid vom 11.01.2019, Zl.: ***, wurde Herrn A, ***, ***, die Verpflichtung gemäß § 7 der NÖ BO 2014 zur Inanspruchnahme seines Grundes zur Umsetzung des Bauvorhabens der C GmbH auf dem Nachbargrundstück erteilt. Gegen diesen Bescheid hat Herr A, vertreten durch RA B, in offener Frist Berufung eingebracht. Er begründet die Berufung damit, dass aufgrund der ihm gegenüber verfügten Maßnahmen, welche unzulässig und unverhältnismäßig sind, er den landwirtschaftlichen Betrieb unmöglich weiter aufrecht erhalten kann. Er führt an, dass es dem Bauwerber (C GmbH) in jeder Weise freigestanden wäre, im oberen Bereich eine Art Gartenmauer und im unteren Bereich eine Stützmauer unter Einhaltung eines Abstandes von 3 m zu errichten.
Antrag des Vorsitzenden
Der Stadtrat möge die Berufung des Herrn A, vertreten durch RA
B, gegen den Bescheid vom 11.01.2019, Zl.: ***, als unbegründet abweisen und die Berufungsentscheidung,
Zl.: ***, beschließen.
Beschluss: Der Antrag wird angenommen.
Abstimmungsergebnis: einstimmig“
Dem Sitzungsprotokoll sind zu diesem Tagesordnungspunkt keine Beilagen angeschlossen und wird auch auf keine Beilagen verwiesen.
1.5. Aufgrund dieses Beschlusses wurde der nunmehr angefochtene Berufungsbescheid vom 13. März 2019, Zl. ***, ausgefertigt. Gemäß dem Spruch dieses Bescheides wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG „der Berufung bei den Punkten I.3 und I.4. des Spruches stattgegeben und ansonsten der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters vom 11.01.2019, Zl.: *** bestätigt, die Berufung in allen anderen Punkten als unbegründet abgewiesen“. Dieser Bescheid enthält eine Begründung im Umfang von ca. zwei Seiten, die insbesondere auch Ausführungen betreffend die teilweise Stattgabe der Berufung umfasst. Der Bescheid ist mit der Fertigungsklausel „Für den Stadtrat Der Bürgermeister D“ gezeichnet.
1.6. Gegen diesen am 27. März 2019 zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Eingabe vom
23. April 2019 in jenem Umfang Beschwerde, in welchem seiner Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben wurde. Als Beschwerdegründe wurden neuerlich die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.
1.7. Diese Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Schreiben vom 30. April 2019 unter Anschluss der verwaltungsbehördlichen Verfahrensakten zur Zl. *** (Inanspruchnahme fremden Gutes) und zur Zl. *** (Bauansuchen betreffend Geländeanpassung und Errichtung einer Stützmauer) zur Entscheidung vorgelegt.
1.8. Mit Schreiben vom 12. November 2019 ersuchte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Stadtgemeinde *** um Übermittlung der Einladungskurrende zu der am 14. März 2019 stattgefundenen Sitzung der belangten Behörde sowie um Übermittlung eines vollständigen Auszugs aus dem zuvor nur unvollständig übermittelten Sitzungsprotokoll.
1.9. Mit Eingabe vom 19. November 2019, eingelangt am 22. November 2019, übermittelte die Stadtgemeinde *** die Einladungskurrende zur
„31. Stadtratsitzung am Donnerstag, 14.03.2019, 09:00 Uhr“ samt Tagesordnung, welche an die Mitglieder der belangten Behörde am 08. März 2019 per E-Mail übermittelt wurden, sowie die Verhandlungsschrift betreffend Punkt 2. dieser Tagesordnung („Behandlung einer Berufung“).
1.10. Am 22. November 2019 teilte die zuständige Ansprechperson bei der Stadtgemeinde ***, E, über telefonische Nachfrage dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit, dass dem Sitzungsprotokoll zu Tagesordnungspunkt 2. („Behandlung einer Berufung“) keine Beilagen angeschlossen wurden und die Unterlagen zu diesem Tagesordnungspunkt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bereits vollständig vorliegen.
1.11. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten unbedenklichen verwaltungsbehördlichen Verfahrensakten zu den Zlen. *** und ***, durch Einsichtnahme in den Auszug aus dem Protokoll der am 14. März 2019 stattgefundenen Sitzung der belangten Behörde betreffend
Punkt 2. der Tagesordnung („Behandlung einer Berufung“) sowie durch Einsichtnahme in den angefochtenen Bescheid und in das offene Grundbuch Beweis erhoben.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses wiedergegebene Verfahrensverlauf samt den maßgeblichen Feststellungen ergibt sich im Wesentlichen aus den vorgelegten verwaltungsbehördlichen Verfahrensakten sowie aus dem Akt des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich und ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig.
2.2. Dass dem Sitzungsprotokoll der belangten Behörde vom 14. März 2019 zu Tagesordnungspunkt 2. („Behandlung einer Berufung“) keine Beilagen angeschlossen wurden, ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut der Verhandlungsschrift selbst, in welcher sich keinerlei Verweis auf allfällige Beilagen findet, sowie insbesondere auch aus dem am 22. November 2019 geführten Telefonat mit der zuständigen Ansprechperson bei der Stadtgemeinde ***, E, welcher ausdrücklich bestätigte, dass dem Sitzungsprotokoll zu Tagesordnungspunkt 2. keine Beilagen angeschlossen wurden.
3. Rechtslage:
3.1. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG:
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
(…)
§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(…)
3.2. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.
(…)
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3.3. Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG:
Art. 133. (…)
(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.
(…)
4. Erwägungen:
4.1. Die Beschwerde ist begründet.
4.2. Mit der angefochtenen Berufungsentscheidung wurde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Duldungsbescheid vom
11. Jänner 2019, Zl. ***, inhaltlich abgesprochen. Die gegenständliche Beschwerde erweist sich als zulässig und fristgerecht eingebracht.
4.3. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet.
4.4. Wie unter Punkt 1 dieses Erkenntnisses („Feststellungen und Verfahrensgang“) ausgeführt, hat die belangte Behörde anlässlich der Behandlung des Berufungsantrags des Beschwerdeführers in ihrer Sitzung am 14. März 2019 beschlossen, die Berufung „als unbegründet abzuweisen und die Berufungsentscheidung, Zl. ***, zu beschließen“.
Der Spruch des nach diesem Sitzungsbeschluss ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheides vom 13. März 2019, Zl. ***, mit welchem der Berufung hinsichtlich der Spruchpunkte I.3. und I.4. des erstinstanzlichen Bescheides stattgegeben und die Berufung nur im darüberhinausgehenden Umfang abgewiesen wurde, entspricht nicht der Beschlussfassung der belangten Behörde vom 14. März 2019 (Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers zur Gänze). Der Spruch des nunmehr angefochtenen Bescheides deckt sich demnach wörtlich und inhaltlich nicht mit dem im maßgeblichen Sitzungsprotokoll wiedergegebenen Beschluss der belangten Behörde (vgl. zur diesfalls mangelnden Beschlussdeckung etwa VwGH 30.05.2018, Ra 2018/09/0045, mit Verweis auf VwGH 30.04.1985, 81/05/0090). Diesem Spruch liegt daher kein Beschluss der belangten Behörde als Kollegialorgan zugrunde.
4.5. Darüber hinaus wurden dem Beschluss der belangten Behörde dem Sitzungsprotokoll zufolge weder tragende Gründe noch ein ausformulierter Bescheidentwurf zugrunde gelegt.
Insofern ist auch die Bescheidbegründung (insbesondere die rechtliche Beurteilung, beinhaltend auch die Ausführungen, weshalb der Berufung betreffend die Spruchpunkte I.3. und I.4. des erstinstanzlichen Bescheides Folge zu geben war) nicht Gegenstand der Beschlussfassung, geht doch aus dem Sitzungsprotokoll der belangten Behörde vom 14. März 2019 hervor, dass nur der dort wiedergegebene Spruch, nicht aber die Bescheidbegründung eines kollegialen Beschlusses unterzogen wurde. Die in der angefochtenen Erledigung enthaltene Bescheidbegründung ist sohin nicht durch einen Beschluss der belangten Behörde als Kollegialorgan gedeckt.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass gemäß dem Sitzungsprotokoll der „Stadtrat (…) die Berufungsentscheidung, Zl. ***, beschließen“ möge, weil das (vollständig vorliegende) Sitzungsprotokoll keinerlei Hinweis darauf enthält, dass ein Entwurf des nunmehr angefochtenen Bescheides tatsächlich im Rahmen der Sitzung der belangten Behörde vom 14. März 2019 vorlag und dieser der Beschlussfassung zugrunde gelegt wurde. Auch findet sich im Sitzungsprotokoll kein Verweis auf allfällige Beilagen und fehlen auch sonstige Anhaltspunkte, dass die belangte Behörde (auch) die Begründung der Bescheidausfertigung beschlossen hat (siehe hierzu die oben getroffenen Feststellungen und den Verfahrensgang sowie die Beweiswürdigung).
4.6. Eine Kollegialbehörde, wie es der Stadtrat der Stadtgemeinde *** ist, kann ihren Willen nur durch Beschluss bilden, der durch Abgabe der Stimmen der Mitglieder zustande kommt (vgl. VfSlg. 12.951/1991). Im Allgemeinen erfolgt die Willensbildung einer Kollegialbehörde durch den Gesamtakt einer sich an die gemeinsame Erörterung der zu entscheidenden Angelegenheiten anschließenden Abstimmung (VfSlg. 3086/1956).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a.
VwSlg. 11.366 A/1984; VwGH 30.04.1985, 81/05/0090; VwGH 19.03.1991, 86/05/0139; VwGH 27.08.1996, 95/05/0186; VwGH 17.05.2004, 2003/06/0149; VwGH 21.06.2005, 2004/06/0203; VwGH 13.12.2016, Ra 2016/05/0076) hat Gegenstand der Beschlussfassung eines Kollegialorganes sowohl der Spruch der Entscheidung als auch die Grundzüge der Begründung zu sein.
Entsprechen der Spruch und die Begründung eines Bescheides des Kollegialorganes nicht der vorangegangenen Beschlussfassung des Kollegialorganes, stellt dies eine der Unzuständigkeit gleichkommende Rechtswidrigkeit dar, weil diesem Bescheid, welcher nach seinem Erscheinungsbild intendiert, dem Kollegialorgan zugerechnet zu werden, kein entsprechender Beschluss dieses Organs zugrunde liegt; ein solcher Bescheid ist in diesem Fall demnach so zu betrachten, als ob er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre (vgl. u.a. VwGH 12.06.1991, 90/13/0028; VwGH 17.09.1991, 91/05/0068; VwGH 20.10.1992, 92/04/0188;
VwGH 08.03.1994, 93/08/0273; VwGH 16.03.1995, 94/06/0083; VwGH 29.05.1996, 93/13/0008; VwGH 25.10.2017, Ra 2017/12/0097, mwN).
4.7. Da im gegenständlichen Fall die Ausführung des konkreten Spruches und die nähere Begründung des angefochtenen Bescheides offenbar lediglich dem Ausfertiger überlassen worden sind und jedenfalls im Hinblick auf den Spruch des angefochtenen Bescheides eine offensichtliche, grobe Divergenz zu dem im bezughabenden Sitzungsprotokoll als beschlossen festgehaltenen Spruch vorliegt, ist der angefochtene Bescheid mangels Beschlussdeckung durch die belangte Behörde als Kollegialorgan wegen Unzuständigkeit als rechtswidrig aufzuheben (vgl. u.a. VwGH 30.05.2018, Ra 2018/09/0045, mit Verweis auf
VwGH 30.04.1985, 81/05/0090; VwGH 23.11.1976, 2086/76, 2087/76;
VwGH 15.02.1977, 2266/76; VwGH 30.04.1985, 81/05/0090, BauSlg. Nr. 433). Diese Unzuständigkeit hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gemäß § 27 VwGVG auch dann wahrzunehmen, wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wurde.
4.8. Es war daher der angefochtene Bescheid infolge Unzuständigkeit aufzuheben, ohne, dass auf das Beschwerdevorbringen inhaltlich einzugehen war.
5. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Diese Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Aus dem vorgelegten verwaltungsbehördlichen Verfahrensakten ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und steht bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
6. Zur Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat im vorliegenden Fall eine einzelfallbezogene Beurteilung (siehe insbesondere die Punkte 4.4. und 4.5. dieses Erkenntnisses) unter Bezugnahme auf die Erwägungen der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere die Punkte 4.6. und 4.7. dieses Erkenntnisses) vorgenommen.
Dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erscheint allerdings die Rechtsfrage, ob die im vorliegenden Fall angefochtene Erledigung mangels Beschlussdeckung als ein von einer unzuständigen Behörde ergangener Bescheid zu qualifizieren ist, im Hinblick auf die zur Kollegialbehörde „Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds“ nach dem Ärztegesetz 1998 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Qualifikation einer nicht beschlussgedeckten Erledigung als Nichtbescheid und der daraus folgenden Zurückweisung einer dagegen erhobenen Beschwerde mangels Vorliegens eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes nicht einheitlich bzw. nicht abschließend geklärt (siehe etwa VwGH 27.04.2015, 2012/11/0082; VwGH 19.08.2015, 2012/11/0232; VwGH 01.12.2015, Ra 2015/11/0096; VwGH 03.11.2017, Ra 2017/11/0246). Die gegebene Rechtslage erscheint diesbezüglich auch nicht derart eindeutig, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung von vorneherein ausscheiden würde (vgl. zur diesfalls gegebenen Unzulässigkeit etwa VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095).
Schlagworte
Bau- und Raumordnungsrecht; Verfahrensrecht; Kollegialorgan; Beschlussdeckung; Unzuständigkeit; Nichtbescheid;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.517.001.2019Zuletzt aktualisiert am
19.12.2019