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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Franz Matheuschitz in St. Veit an der Glan, vertreten durch Dr. Heimo Verdino und Dr. Gottfried Kassin, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, Waagstraße 9, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. Mai 1998, Zl. 8 B -BRM-33/1/1998, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde St. Veit an der Glan, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 25. November 1996 wurde dem Beschwerdeführer die Beseitigung der auf seinem näher bezeichneten Grundstück aufgestellten Maistrocknungsanlage aufgetragen. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers hat der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 5. Februar 1997 abgewiesen. Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 29. April 1997 den Bescheid des Stadtrates aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat die Berufungsbehörde eine mündliche Verhandlung für den 11. August 1997 anberaumt, schon am 8. August 1997 hat der Beschwerdeführer die Bevollmächtigung seiner nunmehrigen Rechtsvertreter bekanntgegeben und beantragt, die anberaumte Berufungsverhandlung zu verlegen. Anläßlich dieser Verhandlung wurde niederschriftlich festgehalten, daß der Beschwerdeführer die genannten Rechtsanwälte als seine Rechtsvertreter namhaft gemacht habe, der Vertretungsantrag sei am 8. August 1997 bei der Stadtgemeinde eingelangt. Dem Antrag habe aufgrund der kurzen Zeit nicht mehr entsprochen werden können. In der Folge wurde das Ermittlungsergebnis den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers nachweislich zur Kenntnis gebracht. Nach einer Stellungnahme der Rechtsvertreter zum Beweisergebnis hat der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters mit Bescheid vom 1. Dezember 1997 neuerlich abgewiesen. Dieser Bescheid wurde (nur) dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt, der auch dagegen selbst Vorstellung erhob, ohne eine Erklärung hinsichtlich des Bestehens bzw. Endes des Vollmachtsverhältnisses abzugeben.
Mit Bescheid vom 26. Mai 1998 hat die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid erging an den Vorstellungswerber (persönlich) sowie an die mitbeteiligte Stadtgemeinde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, weder der zweitinstanzliche Bescheid noch der angefochtene Bescheid der belangten Behörde sei den ausgewiesenen Rechtsvertretern zugestellt worden, diese hätten vom Inhalt des angefochtenen Bescheides ebenso wie vom Berufungsbescheid erst durch Akteneinsicht anläßlich der Verfassung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Kenntnis erlangt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Da der Beschwerdeführer die Tatsache der unterlassenen Zustellung des Bescheides des Stadtrates an die Rechtsvertreter in der von ihm selbst eingebrachten Vorstellung nicht gerügt habe, sei die belangte Behörde von einem nicht mehr bestehenden Vollmachtsverhältnis ausgegangen; darüber hinaus trete aber eine Heilung eines solchen Zustellmangels trotz falscher Bezeichnung des Empfängers dann ein, wenn die Sendung dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, schließt eine allgemeine Vertretungsvollmacht im allgemeinen, das heißt, wenn nicht der Empfang von Schriftstücken ausdrücklich ausgeschlossen ist, die Zustellungsbevollmächtigung ein (siehe die reichhaltige hg. Judikatur bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I. Band, Seite 306, E 98). Im Beschwerdefall sind die einschreitenden Anwälte mit der allgemeinen Vertretung bevollmächtigt worden, ein Ausschluß für den Empfang von Schriftstücken ist nicht aktenkundig. Dementsprechend hat auch der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde im Berufungsverfahren den Rechtsvertretern das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht. Ein Grund dafür, weshalb der Berufungsbescheid dem Beschwerdeführer persönlich und nicht seinen ausgewiesenen Vertretern zugestellt wurde, kann dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht entnommen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die Kündigung einer (Zustell-)Vollmacht der Behörde gegenüber nur dann wirksam, wenn sie ihr mitgeteilt wird (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O., Seite 314, E 145 zitierte hg. Judikatur). Mangels aktenkundiger Mitteilung an die Berufungsbehörde, daß die Vollmacht gekündigt worden sei, wäre daher schon die Berufungsbehörde gehalten gewesen, den Berufungsbescheid den ausgewiesenen Vertretern zuzustellen. Die an den Beschwerdeführer persönlich erfolgte Zustellung des Berufungsbescheides entfaltete keine Rechtswirkung, da dem Akt kein Nachweis dafür entnommen werden kann, daß den Beschwerdevertretern der Berufungsbescheid tatsächlich zugekommen sei. Vielmehr ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen, daß die Beschwerdevertreter vom Inhalt des Berufungsbescheides erst durch Akteneinsicht anläßlich der Beschwerdeerhebung Kenntnis erlangt haben.
Die bloße Kenntnisnahme eines Bescheides im Wege der Akteneinsicht ist aber nicht dem tatsächlichen Zukommen im Sinne des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz gleichzuhalten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 1230, E 19 zitierte hg. Judikatur). Die Frage, ob und wann dem Zustellungsbevollmächtigten im Falle einer im Sinne des ersten Satzes des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz unzulässigen Zustellung an den Vertretenen das betreffende Schriftstück tatsächlich zugekommen ist, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1993, Zl. 93/09/0041). Daß ein Rechtsmittel vom Vollmachtgeber selbst eingebracht wurde, berechtigt die Behörde noch nicht zur Annahme, daß die Vollmacht gekündigt worden sei (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O, Seite 315, E 148 zitierte hg. Judikatur).
Da somit keine Hinweise dafür vorlagen, daß der Berufungsbescheid vom 1. Dezember 1997 durch eine rechtskonforme Zustellung tatsächlich erlassen wurde, hätte die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den - nicht erlassenen - Bescheid vom 1. Dezember 1997 zurückweisen müssen, weil ein schriftlicher Bescheid, der nicht rechtswirksam zugestellt und damit nicht erlassen wurde, rechtlich nicht existent geworden ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 314, zitierte hg. Judikatur). Dadurch, daß die belangte Behörde verkannte, daß der Bescheid des Stadtrates nicht wirksam zugestellt worden war, und sie auch keinerlei Ermittlungen dahingehend durchgeführt hat, ob tatsächlich die Vollmacht gekündigt wurde, hat sie durch die inhaltliche Erledigung der Vorstellung ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Da auch der angefochtene Bescheid an den Beschwerdeführer persönlich zugestellt worden ist, muß auf die Frage eingegangen werden, ob die Beschwerde mangels rechtswirksamer Zustellung und daher wegen mangelnder Bescheidqualität des angefochtenen Verwaltungsaktes zurückzuweisen sei.
Anders als der Berufungsbescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde, der nur an den Beschwerdeführer (persönlich) zugestellt wurde, war der angefochtene Bescheid der Vorstellungsbehörde sowohl dem Beschwerdeführer als auch der mitbeteiligten Stadtgemeinde zugestellt worden. Im aufsichtsbehördlichen Verfahren kam der mitbeteiligten Stadtgemeinde Parteistellung zu, die ihr gegenüber erfolgte Zustellung war rechtswirksam, demnach ist der angefochtene Bescheid in bezug auf die mitbeteiligte Partei rechtswirksam erlassen worden, weshalb ihm Bescheidcharakter zukommt. Da im Mehrparteienverfahren die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof auch dann zulässig ist, wenn der angefochtene Bescheid nicht dem Beschwerdeführer, aber anderen Parteien zugestellt worden ist, erwies sich die Beschwerde als zulässig.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Wien, am 22. September 1998
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungEnde VertretungsbefugnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998050123.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
17.05.2009