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Verwaltungsverfahren - VStGNorm
AVG §18 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schemel, über die Beschwerde des MS in W, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 25, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 25. November 1983, Zl. MA 70 IX/S 107/82/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund einer Anzeige (nicht bezahlte Organstrafverfügung) und einer erteilten Lenkerauskunft wurde von einem Organ der Bundespolizeidirektion Wien am 12. Februar 1982 eine Strafverfügung des Inhalts unterfertigt, der Beschwerdeführer habe am 3. Dezember 1981 um 10.10 Uhr in Wien 1, Petersplatz 11 - Goldschmiedgasse ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug im Bereich von weniger als 5 m vom nächsten Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder abgestellt; er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 24 Abs. 1 lit. d der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; es wurde eine Geld- und eine Ersatzarreststrafe verhängt. Die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung dieser Strafverfügung war weder von einem Behördenorgan unterfertigt noch im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG 1950 beglaubigt. Der Beschwerdeführer erhob innerhalb der gesetzlichen Frist Einspruch. Am 29. März 1982 wurde von der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers eine Niederschrift aufgenommen (Formular 33, Niederschrift über die Vernehmung eines Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren). Nach dem Vordruck "Gegenstand der Verhandlung (deutliche Bezeichnung der dem - der - den - Beschuldigten zur Last gelegten Tat)" heißt es in Maschinschrift:
"Nach gewährter Akteneinsichtnahme wird mir zur Stellungnahme eine Frist von 14 Tg. Bei sonstigen Kontumazfolgen gewährt. Außerdem werde ich gem. § 33 VStG die alls. Verh. bekanntgeben."
Der Beschwerdeführer verantwortete sich in der Folge unter anderem dahin, sein Fahrzeug sei gar nicht "im Bereich Petersplatz 11" abgestellt gewesen, sondern "weiter vorne", worunter er, wie sich aus dem Verfahren ergab, meinte, von der Straßenecke weiter weg.
Der Meldungsleger verfaßte am 28. Juni 1982 einen Bericht und fertigte eine Skizze an. In dem Bericht hielt er seine Angaben in der Anzeige (Organstrafverfügung) aufrecht, nach der Skizze wäre die Ordnungsnummer 11 ein Haus Ecke Petersplatz - Goldschmiedgasse. Am 23. August 1982 wurde dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers abermals der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht.
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. September 1982 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 3. Dezember 1981 um 10.10 Uhr in Wien 1, Petersplatz 11 - Goldschmiedgasse als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges dieses im Bereich von weniger als 5 m vom nächsten Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder abgestellt. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 24 Abs. 1 lit. d StVO begangen; nach der erstgenannten Gesetzesstelle wurde eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzarreststrafe 18 Stunden) verhängt. Nach der Begründung sei die Verwaltungsübertretung auf Grund der Anzeige und des Berichtes des Meldungslegers erwiesen. Sofern der Beschwerdeführer bestreite, im Bereich des Halteverbots gestanden zu sein, so sei ihm die Anzeige und der Bericht entgegenzuhalten.
In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung beharrte der Beschwerdeführer darauf, das Kraftfahrzeug sei gar nicht dort gestanden, wo die Behörde angenommen habe, sondern "weiter vorne", was auch daraus erhelle, daß als Tatort Petersplatz 11 - Goldschmiedgasse angegeben sei. Nun liege aber die Ordnungsnummer Petersplatz 11 derart weit von der Kreuzung entfernt, daß die 5 m-Grenze durchaus eingehalten worden sei. Im übrigen sei der Beschwerdeführer im Geltungsbereich eines durch Tafeln gekennzeichneten Halteverbotes gestanden, wobei Ausnahmeregelungen angeordnet gewesen seien.
Die Berufungsbehörde ließ den Meldungsleger als Zeugen vernehmen. Dieser sagte am 1. April 1983, er könne sich an den gegenständlichen Vorfall noch erinnern und verweise grundsätzlich auf seine bisher gemachten Angaben. Das Kraftfahrzeug sei zur Tatzeit in Wien 1, Petersplatz 11, gestanden, so wie dies aus der Skizze ersichtlich sei, und zwar an der Einmündung der Goldschmiedgasse. Sodann heißt es wörtlich:
"Ob das KFZ somit vor dem Petersplatz 11 stand kann ich heute mit Sicherheit nicht mehr angeben, da ich die betreffende Örtlichkeit auf Grund meiner Dienstzuteilung Koat Liesing nicht mehr so genau kenne. Das angezeigte KFZ stand eindeutig im Bereich von weniger 5 m vom Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder abgestellt."
Dem Beschwerdeführer wurde Parteiengehör gewährt, in dessen Verlauf brachte er erstmals vor, daß "die Strafverfügung" nicht unterschrieben gewesen sei, es liege daher Nichtigkeit des Verfahrens vor, im übrigen sei gegen ihn keine rechtzeitige Verfolgungshandlung gesetzt worden.
Hierauf wurde der Erstbehörde die Ausfertigung der erwähnten Strafverfügung vorgelegt, wobei die Behörde in einem Aktenvermerk vom 25. August 1983 festhielt, daß diese Ausfertigung nicht unterschrieben sei.
Mit Bescheid vom 25. November 1983 bestätigte die Wiener Landesregierung das erstinstanzliche Straferkenntnis. In der Begründung wurde nach Darstellung des Ganges des Verwaltungsstrafverfahrens ausgeführt, der Rüge des Beschwerdeführers, weder habe er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen noch sei der Tatort richtig bezeichnet, sei entgegenzuhalten, daß nach der Anzeige das Fahrzeug des Beschwerdeführers zur Tatzeit am Tatort (Wien 1, Petersplatz 11 - Goldschmiedgasse) im Bereich von weniger als 5 m vom Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder abgestellt gewesen sei. Dies habe der Meldungsleger in seinem Bericht, dem eine Handskizze beigefügt worden sei, bestätigt. Gerade aus dieser sei der Standort des Fahrzeuges einwandfrei ersichtlich. Im übrigen habe der Meldungsleger als Zeuge ausgesagt; die Berufungsbehörde folge seinen Angaben und nicht der Verantwortung des Beschwerdeführers. Auch die Skizze sei ein taugliches Beweismittel.
Zur Rüge, die Strafverfügung sei ein Nichtakt, werde bemerkt, Nichtakte lägen nur vor, wenn weder die Urschrift noch die Ausfertigungen unterschrieben seien. In solchen Fällen bewirke die Übergabe von Geschäftsstücken an die Post nicht die Unterbrechung der Verjährung. Im vorliegenden Fall sei aber die im Akt erliegende Urschrift unterschrieben worden, wenn auch nicht das dem Beschwerdeführer zugestellte Exemplar. Die Urschrift stelle eine geeignete Verfolgungshandlung dar, weshalb Verfolgungsverjährung nicht eingetreten sei. Der Beweisantrag auf Beischaffung eines Straßenplanes mit eingezeichneten Ordnungsnummern der Häuser sowie auf Vernehmung des Meldungslegers unter Zuhilfenahme dieses Straßenplanes sei abzuweisen gewesen, weil der Sachverhalt auf Grund der eindeutigen Angaben und der Handskizze des Meldungslegers bereits klargestellt sei. Der Tatort sei übersichtlich, der Vorgang der Verwaltungsübertretung nicht kompliziert. Im übrigen sei die damalige Situation nicht mehr in allen wesentlichen Einzelheiten wieder herstellbar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Rüge, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, weil bis einschließlich 3. Juni 1982 keine Verfolgungshandlung gesetzt worden sei, ist folgendes zu sagen:
Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die Ansicht der belangten Behörde, die bloße Existenz der unterschriebenen Urschrift der Strafverfügung im Akt stelle an sich eine Verfolgungshandlung dar. Vielmehr entspricht es der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine in schriftlicher Form erfolgte Verfolgungshandlung (z.B. Beschuldigten-Ladungsbescheid, aber auch Strafverfügung oder Straferkenntnis) ihre die Verfolgungsverjährung ausschließende Wirkung erst dann äußert, sobald sie die Sphäre der Behörde verlassen hat, z. B. durch Übergabe an die Post (siehe Erkenntnis vom 22. September 1980, Slg. N.F. Nr. 10.232/A). Wies das der Post übergebene Geschäftsstück nicht die wesentlichen Eigenschaften einer amtlichen Ausfertigung auf (nämlich u.a. Unterfertigung oder Beglaubigung im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG 1950, vgl. dazu das Erkenntnis vom 27. Februar 1979, Slg. N.F. Nr. 9777/A) so trat eben die Wirkung nach außen als Verfolgungshandlung nicht ein. Die belangte Behörde irrt, wenn sie sich in ihrer Gegenschrift auf das letztzitierte Erkenntnis berufen will, aus dem Umstand, daß im dortigen Fall weder die Urschrift noch die Ausfertigung unterfertigt war, kann nicht der Schluß gezogen werden, die bloße Unterfertigung der Urschrift, nicht aber der Ausfertigung, genüge.
Somit wäre, wäre die Strafverfügung die einzige Verfolgungshandlung gewesen, tatsächlich mit Ablauf des 3. Juni 1982 Verfolgungsverjährung eingetreten.
Es findet sich jedoch vor Ablauf dieser Frist eine andere Verfolgungshandlung, nämlich die Vernehmung des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Vertreter des Beschuldigten vom 29. März 1982, wobei dem Rechtsanwalt Akteneinsicht gewährt wurde. Gegenstand des Verwaltungsstrafaktes war einzig und allein die vorliegende Tat. Bei einem so eindeutigen Akteninhalt, ohne die Möglichkeit der Verwechslung mit anderen Taten, genügt aber die Gewährung der Akteneinsicht an den Beschuldigten oder seinen Vertreter als Verfolgungshandlung. (Siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Zl. 82/03/0112.)
Somit erweist sich die diesbezüglich erhobene Rechtsrüge nicht als begründet.
Dasselbe gilt von der Rüge, der Tatort sei nicht genau genug bezeichnet worden.
Es ist amtsbekannt, daß jenes Haus am Petersplatz, das zwischen der Goldschmiedgasse und der Freisingergasse liegt, einzig und allein die Ordnungsnummer 11 trägt. Daß es sich bei der mehrfach erwähnten "Ecke", nämlich beim "nächsten Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder" um jene nahe der Goldschmiedgasse handelt, ergibt sich schon daraus, daß letztere Gasse mehrmals, die Freisingergasse (und damit die andere der beiden Hausecken) hingegen nie erwähnt wurde.
Somit wurde dem Beschwerdeführer der richtige Tatort, dies auch im Lichte des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265, betrachtet, vorgehalten und er wegen einer Tat am richtigen Tatort bestraft.
Die Feststellung der belangten Behörde, das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers sei innerhalb der Verbotszone des § 24 Abs. 1 lit. d StVO, und zwar in Wien 1, Petersplatz 11 - Goldschmiedgasse, gestanden, ist somit schlüssig und eindeutig.
Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. b, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 12. Oktober 1984
Schlagworte
Beglaubigung der KanzleiRechtmäßigkeit behördlicher ErledigungenUnterschrift des GenehmigendenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1984:1984020042.X02Im RIS seit
18.12.2019Zuletzt aktualisiert am
18.12.2019