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VerkehrssteuernNorm
BAO §299Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetzel und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Brauhart, über die Beschwerde der O Kommanditgesellschaft in G, vertreten durch Dr. Günther Forenbacher, Rechtsanwalt in Graz, Hans-Sachs-Gasse 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 22. Dezember 1983, Zl. B 174-7/83, betreffend Aufhebung eines Gesellschaftsteuerbescheides gemäß § 299 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19. Mai 1983, Zl. 82/15/0027, Slg. Nr. 5786/F, einen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 22. Dezember 1981, Zl. B 374-7/81, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In diesem Bescheid war die Berufung der damaligen und nunmehrigen Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz vom 30. April 1981, mit dem ihr gegenüber Gesellschaftsteuer in Höhe von S 176.954,-- (2 v.H. von S 8,847.703,-- nach Abrundung gemäß § 204 Abs. 1 BAO) festgesetzt worden war, abgewiesen worden.
Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses verwiesen. Um Mißverständnisse auszuschließen, wird jedoch bemerkt, daß der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis folgende Rechtsauffassung vertreten hat: Im vorliegenden Beschwerdefall gehe es nicht um die Neugründung einer Gesellschaft m. b.H. & Co. KG., sondern um die Umgestaltung einer OHG in eine (Gesellschaft m.b.H. & Co) KG. In solchen "Umwandlungsfällen" sei mangels Gegenleistung für die erworbenen Gesellschaftsrechte die Gesellschaftsteuer nach § 8 Z. 1 lit. c und nicht etwa nach lit. b KVG zu erheben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis auch ausdrücklich festgestellt, daß sowohl das genannte Finanzamt, das als Bemessungsgrundlage den Einheitswert des Betriebsvermögens der OHG zum 28. Februar 1977 ohne Ausscheidung der in der Eröffnungsbilanz der KG zum 1. März 1977 mit S 2,844.416,19 ausgewiesenen Verbindlichkeiten der KG an Kommanditisten herangezogen habe, als auch die belangte Behörde von der Überlegung ausgegangen seien, es habe sich um eine Sacheinlage gehandelt. Abschließend hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis insbesondere ausgeführt, die belangte Behörde hätte also bei der Bemessung der Gesellschaftsteuer nicht im Sinne des § 8 Z. 1 lit. b KVG und des Erkenntnisses Slg. Nr. 5439/F von "Sacheinlagen" ausgehen dürfen, sondern den Wert der Gesellschaftsrechte (der Kommanditanteile) bestimmen müssen. Dabei wäre hinsichtlich der angeführten Verbindlichkeiten festzustellen gewesen, ob die ihnen entsprechenden Forderungsrechte der Kommanditisten sich auf deren Gesellschaftsrechte ausgewirkt hätten und daher als "Gesellschaftsrechte" im Sinne des § 8 Abs. 1 lit. c KVG anzusehen seien.
Nachdem die Beschwerdeführerin mit dem am 15. Dezember 1983 bei dem genannten Finanzamt eingelangten Schriftsatz vom 14. Dezember 1983 ihre oben angeführte Berufung zurückgenommen hatte, hob die Finanzlandesdirektion für Steiermark mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. Dezember 1983 den zitierten Bescheid des genannten Finanzamtes vom 30. April 1981 gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und "ließ" die bisher vorgeschriebene Gesellschaftsteuer in Höhe von S 176.954,-- "auf". Dies nach einer zusammenfassenden Darstellung des Verwaltungsgeschehens mit folgender Begründung:
Im gegenständlichen Bemessungsfall liege eine Umwandlung einer OHG, in eine Gesellschaft m.b.H. & Co. KG. vor. Die Bemessungsgrundlage bestimme sich nach dem Wert der Gesellschaftsrechte an der Kommanditgesellschaft im Sinne des § 8 Z. 1 lit. c KVG, also nach dem gemeinen Wert der Kommanditanteile gemäß § 13 Abs. 2 BewG. Das genannte Finanzamt habe bei der Erlassung des Bescheides vom 30. April 1981 jedoch nicht den gemeinen Wert gemäß § 13 Abs. 2 BewG, sondern den Einheitswert des Betriebsvermögens der OHG als Bemessungsgrundlage herangezogen, sodaß dieser erstinstanzliche Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werde.
Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 22. Dezember 1983 richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die Beschwerdeführerin erstattete zur Gegenschrift unaufgefordert eine schriftliche Äußerung, in der auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Nach § 302 Abs. 1 erster Satz BAO ist u.a. eine solche Maßnahme nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides zulässig. Im vorliegenden Fall ist diese Frist gewahrt.
Ganz abgesehen davon, daß der gegenständliche Sachverhalt jedenfalls bis zur Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides gleich blieb und der Verwaltungsgerichtshof, wenn eine Bindung an eine bestimmte Rechtsanschauung durch ein aufhebendes Erkenntnis aufgrund des § 63 Abs. 1 VwGG bereits eingetreten ist, in dem betreffenden Fall auch nicht durch einen verstärkten Senat von seiner Rechtsanschauung abgehen kann (siehe z. B. die von Klecatsky-Öhlinger, Die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, Wien 1984, auf S. 339 unter E 24 zitierte Rechtsprechung), übersieht die Beschwerdeführerin bei ihrer Behauptung, der Inhalt des oben angeführten Bescheides des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz vom 30. April 1981 sei nicht rechtswidrig gewesen, folgendes:
Dieser Bescheid hatte in dem hier wesentlichen Zusammenhang ausdrücklich von Sacheinlagen gesprochen und hinsichtlich der Bemessungsgrundlage auf die Niederschrift vom 14. April 1981 verwiesen. Der Beschwerdeführerin ist zwar insofern beizupflichten, daß in dieser Niederschrift die oben angeführte Bemessungsgrundlage von S 8,847.703,-- mit "Betriebsvermögen = Wert der Gesellschaftsrechte" bezeichnet ist. Abgesehen davon, daß das genannte Finanzamt schon bei der Erlassung des vorläufigen Bescheides gemäß § 200 Abs. 1 erster Satz BAO vom 6. April 1981 vom Einheitswert des Betriebsvermögens der O OHG zum 1. Jänner 1977 in Höhe von S 8,766.000,-- ausgegangen war und davon S 2,965.408,-- in Abzug gebracht hatte, ergibt sich aber aus derselben Niederschrift, daß auch bei der Erlassung des endgültigen Bescheides gemäß § 200 Abs. 1 zweiter Satz BAO vom 30. April 1981 der Einheitswert des Betriebsvermögens zugrunde gelegt worden war, zumal in der in dieser Niederschrift enthaltenen Aufstellung des in die "KG eingebrachten Vermögens" das Betriebsgrundstück ausdrücklich mit den zum 1. Jänner 1977 festgestellten Einheitswert in Höhe von S 104.889,-- aufscheint.
Sowohl die belangte Behörde als auch die Beschwerdeführerin beachteten jedoch offensichtlich den vom Verwaltungsgerichtshof in dem eingangs zitierten Erkenntnis vom 19. Mai 1983 (S. 6 Abs. 2 der Erkenntnisausfertigung) gemachten Hinweis auf Höld, Die GesmbH & Co. Kommanditgesellschaft, ÖStZ 1968, S. 75 f, nicht vollständig. Dort wird nämlich zutreffend u.a., und zwar auf S. 75 rechts Abs. 4, ausdrücklich folgendes ausgeführt:
"Die Ermittlung des Wertes der Gesellschaftsrechte erfolgt nach den Vorschriften des 1. Teiles des Bewertungsgesetzes d. h. daß das Gesellschaftsvermögen zu Teilwerten anzusetzen ist. Der der Beteiligung der Kommanditisten am Vermögen der Gesellschaft entsprechende Anteil dieses Wertes unterliegt dann der Gesellschaftsteuer."
Schon an dieser Stelle ist unter Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen festzuhalten, daß die in der Begründung des nunmehr angefochtenen Bescheides geäußerte Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach sich die Bemessungsgrundlage nach dem Wert der Gesellschaftsrechte an der KG im Sinne des § 8 Z. 1 lit. c KVG, also nach dem gemeinen Wert der Kommanditanteile gemäß § 13 Abs. 2 BewG bestimme, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird. Die belangte Behörde ging offensichtlich zu Unrecht davon aus, daß die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 4 KVG, wonach als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften Anteile der Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft gelten, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört, nicht nur für die Entstehung der Abgabenschuld maßgebend, sondern auch eine spezielle Bewertungsvorschrift im Sinne des § 1 Abs. 1 BewG sei.
Gegenstand der Überprüfung und etwaigen Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof ist aber nur der Spruch des Bescheides. Wenn dieser rechtmäßig ist, kann der Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufgehoben werden, mag er auch auf "unrichtigen rechtlichen Erwägungen" beruhen, also von der Behörde unrichtig begründet worden sein (siehe z. B. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, Linz 1983, S. 147 vorletzter Absatz und die dort zitierte Rechtsprechung). Für das Bescheidbeschwerdeverfahren ist davon auszugehen, daß der Verwaltungsgerichtshof verpflichtet ist, den angefochtenen Verwaltungsakt auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen (siehe z. B. Oberndorfer, a.a.O., S. 142 Mitte). Der nunmehr angefochtene Bescheid hat die Behebung des endgültigen Bescheides des genannten Finanzamtes vom 30. April 1981 wegen dessen Rechtswidrigkeit zum Gegenstand. Entscheidend ist daher im vorliegenden Fall, ob diesem erstinstanzlichen Bescheid ein Mangel angehaftet hatte, der seine Aufhebung rechtfertigte (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juni 1986, Zl. 86/14/0002).
Wie bereits dem eingangs zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1983 zu entnehmen ist, liegt ein solcher Mangel jedenfalls vor. Einerseits war nämlich (auch schon) bei der Erlassung dieses erstinstanzlichen Bescheides - offensichtlich zum rechtswidrigen Vorteil der Beschwerdeführerin -
vom Einheitswert des Betriebsvermögens statt richtig aufgrund des § 12 BewG von der Summe der Teilwerte des Betriebsvermögens (bei dem Betriebsgrundstück daher richtig nicht von dessen Einheits-, sondern von dessen Verkehrswert) ausgegangen worden. Andererseits waren wegen der rechtsirrigen Annahme von "Sacheinlagen" - aufgrund des für das vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren allerdings nicht wesentlichen, das Verwaltungsverfahren nach Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides betreffenden Inhaltes der vorgelegten Verwaltungsakten nach Auffassung der Abgabenbehörden erster und zweiter Instanz zum Nachteil der Beschwerdeführerin - Feststellungen darüber unterblieben, ob sich die oben erwähnten Forderungsrechte der Kommanditisten in Höhe von S 2,844.416,19 als "Gesellschaftsrechte" im Sinne des § 8 Z. 1 lit. c KVG auf deren Gesellschafterstellung ausgewirkt hatten oder nicht.
Der Beschwerdeführerin ist zwar einzuräumen, daß der angefochtene Bescheid nicht auch ausdrücklich die Gründe für die positive Ermessensübung anführt, weshalb er mangelhaft ist. Die Beschwerdeführerin übersieht jedoch, daß dieser Mangel im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt, wenn die belangte Behörde, wäre sie ihrer Begründungspflicht nachgekommen, zu einem anderen Spruch des Bescheides hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG) - siehe insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1981, Zlen. 747, 749/79, Slg. Nr. 5567/F. Die belangte Behörde mußte aber bei ihrer Ermessensübung, also bei der Frage, ob sie eine Bescheidaufhebung vornimmt, in erster Linie vom Gesetzessinn des § 299 BAO ausgehen. Dieser ist darin zu erblicken, daß im Abgabenverfahren dem Prinzip der Rechtmäßigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zukommt. Das eingeräumte Ermessen wird auch unter Bedachtnahme auf die subsidiären Richtlinien des § 20 BAO ("Billigkeit" und "Zweckmäßigkeit") regelmäßig dann im Sinne des Gesetzes gehandhabt, wenn die Oberbehörde bei Wahrnehmung einer nicht bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit mit Aufhebung des bereits rechtskräftigen Bescheides - mag er unangefochten geblieben sein oder mag die Berufung wie im vorliegenden Fall nach Aufhebung der Berufungsentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof in berechtigter oder unberechtigter Erwartung einer "Verböserung" zurückgezogen worden sein - vorgeht, gleichgültig ob zum Vorteil oder zum Nachteil des Abgabepflichtigen (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1986, Zl. 84/13/0024). Die Beschwerdeführerin übersieht auch, daß der Grundsatz von Treu und Glauben allein dadurch, daß die Abgabenbehörde von einer bisher (in Vorjahren) vertretenen Rechtsmeinung abrückt, nicht verletzt wird (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1985, Zl. 85/14/0030). Im übrigen ist das im Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsprinzip stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere als jener von Treu und Glauben (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 14. April 1986, Zl. 84/15/0221, und die darin zitierte Rechtsprechung).
Aus allen angeführten Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen ist.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Wien, am 30. Juni 1986
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel"zu einem anderen Bescheid"European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1986:1984150047.X00Im RIS seit
18.12.2019Zuletzt aktualisiert am
18.12.2019