TE Vwgh Erkenntnis 1986/12/18 85/08/0044

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Veröffentlicht am 18.12.1986
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Index

Verwaltungsverfahren - AVG

Norm

AVG §66 Abs2
AVG §66 Abs4
VwGG §42 Abs2 lita
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. Otto Kiessling, Rechtsanwalt in Graz, Andreas-Hofer-Platz 9/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 9. Jänner 1985, Zl. 5-226 Pa 99/1-1984, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Dr. HP, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Beschwerdeführerin vom 24. Oktober 1984 wurde gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 in Verbindung mit §§ 33 Abs. 1, 49 Abs. 1 und Abs. 2, 54 Abs. 1 und 56 Abs. 1 ASVG sowie gemäß § 61 Abs. 1 und Abs. 2 und § 62 AlVG 1977 festgestellt: 1. Die mitbeteiligte Partei ist verpflichtet, für die von ihr in der Zeit vom 1. Jänner 1983 bis 31. Dezember 1983 als Hausgehilfin beschäftigte Dienstnehmerin HZ Sonderbeiträge und Umlagen nach einer Beitragsgrundlage von S 11.980,-- im Betrag von S 4.181,02 zu entrichten. 2. Die mitbeteiligte Partei hat zufolge verspäteter Abmeldung der HZ allgemeine Beiträge und Umlagen für die Zeit vom 1. Jänner 1984 bis 31. Jänner 1984 im Betrage von S 660,56 weiter zu entrichten. Abschließend heißt es im Spruch dieses erstinstanzlichen Bescheides, daß die Beitragsnachverrechnungen vom 17. Februar 1984 und 13. September 1984 wesentliche Bestandteile dieses Bescheides seien. Nach dessen Begründung sei HZ vom 1. Jänner 1983 bis 31. Dezember 1983 bei der mitbeteiligten Partei als Hausgehilfin beschäftigt gewesen. Das aufgrund dieser Tätigkeit von der Genannten erzielte Entgelt habe laut Anmeldung per 1. Jänner 1983 vom Jänner bis November 1983 bei einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden S 4.136,-- monatlich und im Dezember 1983 laut Änderungsmeldung vom 7. Dezember 1983 bei einer Wochenarbeitszeit von 14 Stunden S 2.424,80 betragen. Die mitbeteiligte Partei habe für HZ keine Sonderzahlungen gemeldet. Tatsächlich hätten der Genannten nach § 3 Z. 2 des Mindestlohntarifes für den Sprengel des Einigungsamtes Me 1/82-8, eine Weihnachtsremuneration in der Höhe des letzten vollen Bruttomonatsbarbezuges und gemäß § 3 Z. 3 des Mindestlohntarifes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 HGHAG ein Urlaubszuschuß im Ausmaß des zweifachen Betrages der monatlichen Geldbezüge gebührt. Unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 3 Z. 2 zweiter Satz des Mindestlohntarifes seien die oben angeführten Sonderzahlungen nach einem monatlichen Durchschnittsbruttolohn errechnet worden. Die Beitragsgrundlage für die Sonderbeiträge betrage daher S 11.980,-- und es seien hievon Beiträge und Umlagen aufgrund der geltenden Beitragssätze in Höhe von S 4.181,02 zu entrichten. Da die mitbeteiligte Partei HZ nicht innerhalb von drei Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung, sondern erst am 23. Jänner 1984 abgemeldet habe, habe die mitbeteiligte Partei die allgemeinen Beiträge und Umlagen für 23 Tage weiter zu entrichten. Das Gesamtausmaß dieser Beiträge betrage S 660,56.

Gegen diesen Bescheid zur Gänze richtet sich der Einspruch der mitbeteiligten Partei.

Diesem wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 413 Abs. 1 Z. 1 und § 414 ASVG Folge gegeben und der Bescheid der Beschwerdeführerin vom 24. Oktober 1984 hinsichtlich der Z. 1 behoben. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides verweise die mitbeteiligte Partei in ihrem Einspruch im wesentlichen darauf, daß die von ihr beschäftigte Dienstnehmerin tatsächlich weniger als 20 Stunden gearbeitet habe und ihr die Sonderzahlungen durch ein erhöhtes Entgelt, für das keine Gegenleistung erbracht worden sei, abgegolten worden seien. Nach den rechtlichen Erwägungen der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Bescheid unter der Z. 1 lediglich eine Gesamtsumme von S 4.181,02 als Sonderbeiträge und Umlagen der mitbeteiligten Partei vorgeschrieben, ohne jedoch rechnerisch genauestens anzuführen, wie sie auf diesen Betrag komme und wie sich dieser im einzelnen zusammensetze bzw. welche einzelnen Beträge sich aufgrund der in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides angeführten gesetzlichen Bestimmungen ergäben. Dadurch sei es der belangten Behörde unmöglich gemacht, den erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich seiner Gesetzmäßigkeit und ziffernmäßigen Richtigkeit zu überprüfen. Dazu komme noch, daß die als Beitragsnachverrechnung vom 17. Februar 1984 angeführte Beitragsvorschreibung für den Beitragszeitraum Jänner 1984 einen Endbetrag von S 4.393,82 aufweise, ohne daß auch hier eine ziffernmäßige Aufschlüsselung der einzelnen Beträge erfolgt sei. Die Beitragsnachverrechnung vom 13. September 1984 weise schließlich einen Endbetrag von S 447,76 für eine Sonderzahlung im Dezember 1983 auf, ohne daß ersichtlich wäre, woraus dieser Betrag resultiere und inwieweit er bei der Berechnung des Gesamtbetrages von S 4.181,02 Berücksichtigung gefunden habe. Der erstinstanzliche Bescheid enthalte auch keine getrennte Aufschlüsselung der Sonderbeträge und Umlagen, wobei insbesondere auch die Art der Umlagen nicht angeführt worden sei. Da demgemäß eine genaue Überprüfung nicht möglich sei, habe der erstinstanzliche Bescheid in Stattgebung des Einspruches behoben werden müssen.

Dagegen wende sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Nach den Beschwerdeausführungen habe die Rechtsmittelbehörde mit Ausnahme des Falles einer kassatorischen Erledigung gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 meritorisch, allenfalls reformatorisch vorzugehen (vgl. § 66 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 AVG 1950). Die belangte Behörde hätte daher entweder in der Sache selbst entscheiden oder die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Beschwerdeführerin verweisen müssen. Die rein kassatorische Behebung des erstinstanzlichen Bescheides begründe daher die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Der erstinstanzliche Bescheid sei von der mitbeteiligten Partei dem Grunde nach mit der Begründung bekämpft worden, der Dienstnehmerin hätten keine Sonderzahlungen gebührt. Weiters habe die mitbeteiligte Partei dargestellt, die Dienstnehmerin habe weniger als das gemeldete Entgelt erzielt und es seien die von der Beschwerdeführerin errechneten Beitragsgrundlagen unrichtig. Die Richtigkeit der Beitragserrechnung sei von der mitbeteiligten Partei zu keiner Zeit bestritten worden. Da die belangte Behörde die fehlende Aufgliederung der Beitragsnachverrechnung nach den einzelnen Bestandteilen zum Anlaß genommen habe, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben, habe sie über etwas entschieden, was gar nicht im Streit verfangen gewesen sei. Der angefochtene Bescheid sei daher auch aus diesen Gründen rechtswidrig. Davon abgesehen sei die belangte Behörde selbst verpflichtet, die Berechnung der einzelnen Beiträge vorzunehmen bzw. die Richtigkeit der von der Beschwerdeführerin errechneten Beitragsvorschreibungen zu überprüfen. Es sei nicht die Aufgabe der Beschwerdeführerin, ohne Verlangen der Partei eine genaue Aufgliederung der errechneten Beiträge vorzunehmen. Diese Verpflichtung treffe umso weniger zu, wenn diese Aufgliederung, wie im vorliegenden Fall, vom Dienstgeber in keiner Phase des Verfahrens begehrt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 kann die Rechtsmittelbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, dem mit Rechtsmittel angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.

Außer diesem Fall hat die Rechtsmittelbehörde, sofern das Rechtsmittel nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den mit Rechtsmittel angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Aus dem Wortlaut weder des Spruches des angefochtenen Bescheides noch dessen Begründung ergibt sich eine Erledigung nach § 66 Abs. 2 AVG 1950. Daher liegt eindeutig eine ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides der Beschwerdeführerin vom 24. Oktober 1984 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 vor. Das aber hat zur Folge, daß damit die Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zur Entrichtung von Sonderbeiträgen und Umlagen auch dem Grunde nach beseitigt wird und die Beschwerdeführerin daran gebunden ist, d. h. nicht mehr neuerlich darüber entscheiden darf. Für eine solche ersatzlose Behebung nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 bestand aber kein rechtlicher Grund, was auch in der Gegenschrift der belangten Behörde gebracht wird.

Aus den aufgezeigten Erwägungen ist der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet und deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 auf das gegenständliche Verfahren anzuwenden ist.

Wien, am 18. Dezember 1986

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1986:1985080044.X00

Im RIS seit

18.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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