Entscheidungsdatum
30.10.2019Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §89a Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Ziegler über die Beschwerde der Frau A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 30.04.2019, Zahl MA 48/...,
zu Recht e r k a n n t:
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
Entscheidungsgründe
Der angefochtene Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (in Folge: belangte Behörde) vom 30.04.2019, Zahl: MA 48/..., richtet sich an die Beschwerdeführerin und enthält folgenden Spruch:
„Gemäß § 89a Abs. 7, 7a und 8 der StVO 1960, BGBl. Nr. 159, in der derzeit geltenden Fassung, in Verbindung mit §§ 2 u. 3 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 15.12.2016, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 50/16 werden Ihnen die Kosten für das Entfernen und Aufbewahren eines Fahrrades, C., Rahmennummer: ... vorgeschrieben.
Das Ausmaß der Kosten ist in den Tarifen I und II der zitierten Verordnung wie folgt festgesetzt:
Tarif I P.Nr.: 1.6 € 65,00 für das Entfernen des Fahrrades
Tarif II P.Nr.: 1 € 7,00 für jeden angefangenen Kalendertag nach der
Dauer der Aufbewahrung des Fahrrades
Das Fahrzeug wurde in der Verwahrstelle der MA 48 67 Tage kostenpflichtig aufbewahrt.
Die Kosten betragen:
für das Entfernen für die Aufbewahrung für die Entsorgung daher insgesamt
€ 65,00 € 469,00 € 0,00 € 534,00
Der vorgeschriebene Kostenersatz ist binnen zwei Wochen mittels des angeschlossenen Zahlscheines an die Stadt Wien einzuzahlen.“
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das Entfernen des Fahrrades gemäß § 89a Abs. 2 StVO ohne weiteres Verfahren zu veranlassen gewesen sei, da dieses am 11.12.2018 in Wien, D.-gasse in fahrunfähigem Zustand abgestellt gewesen sei. Wie aus Fotos eindeutig ersichtlich sei, sei das das Fahrrad insofern fahrunfähig gewesen, als es Roststellen aufgewiesen und keine Luft in den Reifen gehabt habe. Zudem habe Frau B., die aufgrund eigener Angaben als letzte Eigentümerin und Inhaberin des Fahrrades anzusehen sei, auf eine am Fahrrad angebrachte Informationsschleife der Behörde nicht reagiert. Eine Rückstellung des Fahrrades an Frau B. habe nicht erfolgen können, da diese auf die, ihr nachweislich zugestellte Übernahmeaufforderung nicht reagiert habe und das Fahrrad gemäß § 89a Abs. 6 StVO in das Eigentum des Straßenerhalters übergegangen sei. Frau B. sei als diejenige Person anzusehen, an die die Vorschreibung der Kosten zu ergehen habe.
Innerhalb offener Rechtsmittelfrist hat Frau A. B. eine als „Einspruch“ bezeichnete Beschwerde eingebracht, in welcher sie zusammengefasst im Wesentlichen ausführt, dass durch ihr Fahrrad keine Verkehrsbeeinträchtigung entstanden sei, zumal dieses an einem dafür vorgesehenen Fahrradabstellplatz rechtmäßig angebracht gewesen sei. Ebenso habe sich das Fahrrad nicht in einem fahruntüchtigem Zustand befunden, sind doch Roststellen und wenig Luft in den Reifen keinesfalls Umstände, die auf eine nachhaltige Fahruntauglichkeit und eine damit verbundene Entledigungsabsicht des Inhabers schließen ließen. Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, dass sie die von der Behörde angebrachte Informationsschleife, mit welcher darauf hingewiesen werde, dass das Fahrrad für die nächste Entfernungsaktion der MA 48 vorgesehen sei, entfernt und damit die regelmäßige Verwendung des Fahrrades und die fehlende Entledigungsabsicht zum Ausdruck gebracht habe. Da die Entfernung des Fahrrades zu Unrecht erfolgt sei, beantragt die Beschwerdeführerin von der Vorschreibung der Kosten abzusehen.
Die belangte Behörde hat von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand genommen und die Beschwerde unter Anschluss des Aktes dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorgelegt.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt zur Zahl MA 48/....
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 89a Abs. 2 StVO 1960 in der zum Entfernungszeitpunkt geltenden Fassung hat die Behörde die Entfernung eines Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen, wenn durch diesen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, mag es betriebsfähig sein oder nicht, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat und dergleichen der Verkehr beeinträchtigt wird.
Gemäß § 89a Abs. 2 lit. a leg. cit. ist die Entfernung eines auf der Straße stehenden Fahrzeuges ohne weiteres zu veranlassen, wenn zu vermuten ist, dass sich dessen der Inhaber entledigen wollte, sowie bei einem ohne Kennzeichentafeln abgestellten Kraftfahrzeug oder Anhänger.
Gemäß § 89a Abs. 7 StVO 1960 erfolgt das Entfernen und Aufbewahren des Gegenstandes auf Kosten desjenigen, der im Zeitpunkt des Aufstellens oder Lagerns des Gegenstandes dessen Inhaber, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern dessen Zulassungsbesitzer war.
Die Kosten sind vom Inhaber, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern vom Zulassungsbesitzer oder deren Erfüllungsgehilfen (Beauftragten) bei der Übernahme des Gegenstandes zu bezahlen. Wird der Gegenstand innerhalb der gemäß § 89a Abs. 5 StVO festgesetzten Frist nicht übernommen oder die Bezahlung der Kosten verweigert, so sind die Kosten dem Inhaber des entfernten Gegenstandes, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen dem Zulassungsbesitzer, mit Bescheid vorzuschreiben.
§ 309 ABGB lautet:
„Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, heißt ihr Inhaber. Hat der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu behalten, so ist er ihr Besitzer.“
§ 386 ABGB lautet:
„Bewegliche Sachen, welche der Eigenthümer nicht mehr als die seinigen behalten will, und daher verläßt, kann sich jedes Mitglied des Staates eigen machen. Im Zweifel ist nicht zu vermuten, dass jemand sein Eigentum aufgeben wolle; daher darf kein Finder eine gefundene Sache für verlassen ansehen und sich diese zueignen.“
Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass die Beschwerdeführerin als letzte Inhaberin des in Rede stehenden Fahrrades anzusehen ist.
Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt ergibt sich, dass das verfahrensgegenständliche Fahrrad am 13.11.2018 bis zu seiner Entfernung am 11.12.2018 in fahruntüchtigem Zustand in Wien, D.-gasse abgestellt war.
Diese erwiesenen Feststellungen gründen sich auf den unbedenklichen Wahrnehmungsbericht der belangten Behörde vom 13.11.2018 und dem aktenkundigen Lichtbild. Zudem stellt die Beschwerdeführerin nicht in Abrede, dass ihr Fahrrad zur verfahrensgegenständlichen Zeit, an der angegebenen Örtlichkeit in fahruntüchtigem Zustand abgestellt war.
Dass das Fahrrad der Beschwerdeführerin den Verkehr beeinträchtigt hat, ist aus dem behördlichen Akt der belangten Behörde nicht zu entnehmen.
Auf der Internetseite der Abschleppgruppe der Magistratsabteilung 48 www.wien.gv.at/umwelt/ma48/fuhrpark/abschleppgruppe.html ist unter der Rubrik „Entsorgung von Wracks“ folgende Information zu entnehmen:
„Fahrräder, die über lange Zeit in einem desolaten, nicht fahrfähigen Zustand am selben Ort abgestellt sind, werden mit einer Infoschleife der MA 48 versehen. Darin wird die Besitzerin oder der Besitzer zur Entfernung aufgefordert. Andernfalls wird das Fahrrad durch die MA 48 entfernt (vermutete Entledigungsabsicht).“
Es ist daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde die Entfernung des verfahrensgegenständliches Fahrrades gemäß § 89a Abs. 2 lit.a StVO 1960, wonach die Entfernung eines Gegenstandes auf der Straße ohne weiteres Verfahren zu veranlassen ist, bei dem zu vermuten ist, dass sich dessen Inhaber entledigen wollte, sowie bei einem ohne Kennzeichentafeln abgestellten Kraftfahrzeug oder Anhänger, veranlasst hat.
Entsprechend der geltenden höchstgerichtlichen Judikatur kommt es für die Entfernung gemäß § 89a StVO auf die Umstände zum Entfernungszeitpunkt an (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1990, Slg. Nr. 13.275/A). Ein späteres Verhalten des Inhabers hat daher außer Betracht zu bleiben.
Laut der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 386 ABGB das subjektive Recht jedes Eigentümers, dass seine Sachen im Zweifel niemand als verlassen vermuten darf; dies gilt auch für das Verständnis der Entledigungsvermutung im § 89a StVO (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 19. Jänner 1979, Slg. Nr. 9745/A sowie vom 22.02.2002, 2001/02/0110).
Allein aufgrund der von der belangten Behörde gewählten Vorgangsweise kann der nunmehrigen Beschwerdeführerin nicht unterstellt werden, dass sie sich ihres Fahrrades entledigen wollte. Vielmehr ergibt sowohl aus der mit der belangten Behörde durchgeführten Korrespondenz als auch aus dem Beschwerdevorbringen, dass die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt, weder beim Abstellen des Fahrrades noch bis zu seiner erfolgten Entfernung eine Derelinquierungsabsicht hatte oder das Fahrrad nicht mehr behalten wollte (§ 386 ABGB).
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen im Zusammenhalt mit den gesetzlichen Bestimmungen und der geltenden höchstgerichtlichen Judikatur kommt das Verwaltungsgericht Wien zu dem Schluss, dass die belangte Behörde zu Unrecht von einer Entledigungsabsicht ausgegangen ist und die Entfernung des Fahrrades rechtswidrig erfolgt ist.
Da die Rechtmäßigkeit einer Entfernung aber eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Kostenvorschreibung nach § 89a Abs. 7 StVO darstellt, war der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Das Verwaltungsgericht Wien hat von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 3 VwGVG abgesehen.
Schlagworte
Verkehrsbeeinträchtigung; Kostenvorschreibung; Inhaber; Entledigungsvermutung; Entledigung; DerelinquierungsabsichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.251.078.RP10.7738.2019Zuletzt aktualisiert am
17.12.2019