Norm
DSG §4 Abs4Text
GZ: DSB-D124.1183/0002-DSB/2019 vom 4.9.2019
[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des minderjährigen Karl A*** (Beschwerdeführer) vom 26. Juli 2019 gegen die Österreichische Datenschutzbehörde - DSB (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Widerspruchsrecht sowie im Recht auf Einschränkung der Verarbeitung Recht wie folgt:
? Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Rechtsgrundlagen: § 7, § 9 und § 13 Absatz 3 des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF; § 21, § 158, § 170, § 177 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr. 946/1811 idgF; Art. 6 der Verordnung (EU) 2016/679 – Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016, S.1 idgF; § 4 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. Mit Schreiben vom 26. Juli 2019 brachte der minderjährige Beschwerdeführer Karl A*** Beschwerde bei der DSB ein, in der er einerseits eine Verletzung des Widerspruchsrechtes und andererseits eine Verletzung im Recht auf Einschränkung der Verarbeitung behauptete. Der Beschwerde beigelegt war der – gegen die Beschwerdegegnerin gerichtete - Antrag auf Widerspruch vom 19. April 2019, in welchem der Beschwerdeführer gleichzeitig die Einschränkung der Verarbeitung geltend gemacht hatte. Der Antrag bezog sich auf die Verarbeitung des Geburtsdatums des minderjährigen Beschwerdeführers durch die DSB, wozu der Beschwerdeführer ausführte, dass „es (…) evident (ist), dass die DSB mein Geburtsdatum zu meinem Nachteil verarbeitet (…)“. Der Beschwerde ebenfalls angeschlossen war die mit Schreiben vom 17. Mai 2019 erteilte Antwort der DSB auf den Antrag auf Widerspruch. Im Wesentlichen führte die DSB in ihrem Antwortschreiben aus, dass sie dem vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Widerspruch nicht entsprechen werde, da der Beschwerdeführer die Gründe, die sich aus seiner besonderen Situation ergäben, nicht dargelegt habe. Das bloße Faktum, dass der Beschwerdeführer nicht volljährig sei, und damit ohne Genehmigung eines gesetzlichen Vertreters nicht ausreichend prozessfähig sei, begründe keinen in der Datenverarbeitung gelegenen spezifischen Nachteil. Aber auch im Fall eines begründeten Antrages - so die Datenschutzbehörde weiter - läge die Verarbeitung des Geburtsdatums des Beschwerdeführers im überwiegenden Interesse der DSB. So sei der DSB gesetzlich die Aufgabe der Behandlung von Beschwerden überantwortet worden, was auch erfordere, dass die DSB den „maßgeblichen Sachverhalt“ feststelle. Zum „maßgeblichen Sachverhalt“ könne auch, wie im Fall des Beschwerdeführers, das Geburtsdatum des Beschwerdeführers gehören, sofern sich daraus seine Minderjährigkeit und – daraus ableitbar – seine mangelnde Prozessfähigkeit ergebe. Des Weiteren liege die Tätigkeit der DSB und hier insbesondere die Führung von Verfahren wegen behaupteter datenschutzrechtlicher Verletzungen im „allgemeinen öffentlichen Interesse eines Mitgliedsstaates“ und seien dies zwingende schutzwürdige Gründe, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Widerspruchswerbers überwiegen würden. In ihrem Antwortschreiben vom 17. Mai 2019 führte die DSB ebenfalls aus, dass sie auch dem Antrag auf Einschränkung nicht entsprechen werde und begründete dies im Wesentlichen mit denselben Argumenten wie schon zuvor bei der Nichtentsprechung des Widerspruchrechts.
2. Die DSB erteilte dem minderjährigen Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5. August 2019 einen Mangelbehebungsauftrag. Darin führte die DSB aus, dass der Beschwerdeführer minderjährig (Geburtsdatum: 11.9.2003) sei, weshalb ihm aufgetragen werde, die Genehmigung der Beschwerdeerhebung durch einen Obsorgeberechtigten oder einen anderen gesetzmäßigen Vertreter nachzuweisen.
3. Die DSB erhielt daraufhin - gleichzeitig mit einer Kopie des Führerscheins von Dr. Gerhard A*** - folgende Eingabe:
[Anmerkung Bearbeiter: Das im Original hier als grafische Daten eingefügte und wiedergegebene Dokument kann mit vertretbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden. Bezeichnet als „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“ enthält es im Wesentlichen die Erklärung des Dr. Gerhard A***, seinem Sohn Karl A*** Vollmacht zu erteilen, „sich selbst im Rahmen der Beschwerdeführung gemäß Art. 77 DSGVO und § 24 DSG vor der Datenschutzbehörde in meinem Namen zu vertreten.“ Der genaue Inhalt ist in den weiter unten stehenden Sachverhaltsfeststellungen wiedergegeben.]
B. Beschwerdegegenstand
Beschwerdegegenstand ist grundsätzlich die Frage, ob die DSB den mj. Beschwerdeführer in seinem Widerspruchsrecht wie auch in seinem Recht auf Einschränkung der Verarbeitung verletzt hat.
Als Vorfrage ist allerdings zu klären, ob mit der der Datenschutzbehörde vorgelegten „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“ des gesetzlichen Vertreters die Beschwerdeerhebung rechtswirksam genehmigt wurde.
C. Sachverhaltsfeststellungen
1. Der Beschwerdeführer ist minderjährig, er ist am 11. September 2003 geboren. Sein gesetzlicher Vertreter ist Dr. Gerhard A***.
Beweiswürdigung: Dass der Beschwerdeführer minderjährig ist, wie auch sein Geburtsdatum, ergeben sich aus der vorgelegten „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“; dies ist der DSB aber mittlerweile auch aus zahlreichen – vom mj. Beschwerdeführer – vor der DSB geführten Verfahren amtsbekannt. Auch dass es sich bei Dr. Gerhard A*** um den gesetzlichen Vertreter des mj. Karl A*** handelt, geht insbesondere aus der vorgelegten „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“ hervor, ist der DSB aber ebenfalls aus zahlreichen – vom mj. Beschwerdeführer – vor der DSB geführten Verfahren amtsbekannt.
2. Der minderjährige Beschwerdeführer hat am 26. Juli 2019 Beschwerde wegen Verletzung im Widerspruchsrecht und wegen behaupteter Verletzung im Recht auf Einschränkung der Verarbeitung gegen die DSB erhoben.
Beweiswürdigung: Diese Feststellung ergibt sich aus der eingebrachten Beschwerde vom 26. Juli 2019.
3. Die DSB erteilte dem minderjährigen Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5. August 2019 einen Mangelbehebungsauftrag. Die DSB stellte dieses Schreiben dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers, Dr. Gerhard A***, an dessen E-Mail-Adresse gerhard.a***@***isp.at per E-Mail vom 22. August 2019 zu.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem aktenmäßig dokumentierten Mangelbehebungsauftrag vom 5. August 2019 samt der - der DSB vorliegenden - elektronischen Übermittlungsbestätigung vom 22. August 2019, 15:34 Uhr.
4. Der DSB wurde eine Kopie des Führerscheins von Dr. Gerhard A*** sowie eine von Dr. Gerhard A*** signierte „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“ folgenden Inhaltes – soweit relevant, hier wiedergegeben – vorgelegt (Hervorhebungen durch DSB):
„Ich, Gerhard A***, (…) bevollmächtige hiermit als Vater und gesetzlicher Vertreter meines mj. Sohnes Karl A*** (…), meinen Sohn, Herrn Karl A***, geboren 11.9.2003, (…) sich selbst im Rahmen der Beschwerdeführung gemäß Art. 77 DSGVO und § 24 DSG vor der Datenschutzbehörde in meinem Namen zu vertreten. Ich erteile diese Zustimmung nachträglich für alle von meinem Sohn vor der Datenschutzbehörde gesetzten Eingaben, für welche mein Sohn bereits angab keine Zustimmungserklärung zu haben. Die Zustimmung gilt jedoch nicht für Verfahren, die zum heutigen Tag noch nicht anhängig waren.
Die schriftliche Korrespondenz soll weiterhin über meine Mail-Adresse gerhard.a***@***isp.at erfolgen, von welcher ich alle eingehenden Schreiben an meinen Sohn weiterleiten werde. Ich bevollmächtige meinen Sohn jedoch etwaige Eingaben und Antworten über seine Mail-Adresse karl.a***@***isp.at zu senden, solange ich in .cc gesetzt werde.
Diese Zustimmungserklärung gilt jedenfalls nicht für Verfahrenshandlungen, durch welche mein Sohn oder ich selbst mit etwaigen Kostenrisiken konfrontiert sind. (…)“
Beweiswürdigung: Diese Feststellung gründet sich auf der am 22. August 2019 bei der DSB eingelangten und aktenmäßig dokumentierten Vollmacht samt Kopie des Führerscheins von Dr. Gerhard A***.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Zunächst ist vorauszuschicken, dass die Datenschutzbehörde (als Nachfolgebehörde der Datenschutzkommission) die vorliegende gegen sie gerichtete Beschwerde ungeachtet einer allfälligen Befangenheit im Sinne des § 7 AVG zu behandeln hat (vgl. dazu das Erkenntnis des BVwG vom 22. Mai 2019, GZ W253 2142374-1).
Zur Prozessfähigkeit des minderjährigen Beschwerdeführers:
1. Zur Führung eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens (hier: zur Führung eines Beschwerdeverfahrens vor der Datenschutzbehörde) müssen die Verfahrensparteien prozessfähig sein.
2. Der hier aufgrund Artikel I Absatz 2 Z 1 iVm Artikel II Absatz 1 EGVG anwendbare § 9 AVG nimmt auf die Partei- und auf die Prozessfähigkeit Bezug und bezeichnet diese als „persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit“. Genau genommen enthält § 9 AVG aber keine eigenständige Definition der prozessualen Rechts- und Handlungsfähigkeit, sondern knüpft an die materiellrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit an, sodass der Grundsatz gilt, dass die Rechtsfähigkeit die Parteifähigkeit und die Handlungsfähigkeit die Prozessfähigkeit begründet (vgl. dazu im Ganzen Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 Rz 1, Stand 1.1.2014, rdb.at).
3. § 9 AVG legt fest: „Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.“
4. Die hier maßgeblichen Verwaltungsvorschriften sind das DSG und die DSGVO. Zwar legt § 4 Abs. 4 DSG fest, dass bei einem Angebot von Diensten der Informationsgesellschaft, das einem Kind direkt gemacht wird, die Einwilligung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Kindes gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO rechtmäßig ist, wenn das Kind das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat. Aus dieser Bestimmung lässt sich aber zur Prozessfähigkeit nichts gewinnen.
5. Es sind daher die Vorschriften des bürgerlichen Rechts anzuwenden: Nach diesen bestimmt sich die Geschäftsfähigkeit eines Menschen primär nach seinem Alter, da die geistige Reife typischerweise davon abhängt. Mit der Volljährigkeit (= Vollendung des 18. Lebensjahres) erreicht der geistig gesunde österreichische Staatsbürger (vgl Rz 4; Thienel/Schulev-Steindl5 90) die volle Geschäftsfähigkeit (Eigenberechtigung; Koziol/Welser I13 54) und ist daher jedenfalls auch prozessfähig.
Hingegen stehen Minderjährige, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 21 Abs. 2 ABGB), unter dem besonderen Schutz der Gesetze (§ 21 Abs. 1 ABGB) und können daher ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. Sie sind also grundsätzlich geschäfts- und damit prozessunfähig (§ 170 Abs. 1 ABGB; vgl dazu im Ganzen Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 Rz 14, Stand 1.1.2014, rdb.at).
6. Der Beschwerdeführer ist sechzehn Jahre alt. Er ist also ein sogenannter mündiger Minderjähriger, also eine Person die zwar das 14., noch nicht aber das 18. Lebensjahr, vollendet hat. Zwar haben mündige Minderjährige, wie der Beschwerdeführer, beschränkte Prozessfähigkeit, diese ist aber auf Verfahren, die sich auf ihnen zur freien Verfügung überlassene Sachen beziehen oder auf Einkommen aus eigenem Erwerb – dh auf vermögensrechtliche Angelegenheiten – beschränkt (vgl. in diesem Sinne auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 9, Rz 14 (Stand 1.1.2014, rdb.at)). Im vorliegenden Fall geht es aber weder um eine vermögensrechtliche Angelegenheit, noch um eine Sache, die dem Beschwerdeführer zur freien Verfügung überlassen wurde, sondern um eine datenschutzrechtliche Beschwerde, die auf die Feststellung einer behaupteten Verletzung im Widerspruchsrecht sowie im Recht auf Einschränkung der Verarbeitung abzielt.
Zur Führung eines datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahrens kommt dem mündigen minderjährigen Beschwerdeführer daher nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts keine Prozessfähigkeit zu (vgl. dazu einerseits den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 06. März1987, Zl. 86/11/0121, wo die Prozessfähigkeit einer Person mit Handlungsfähigkeit eines mündigen Minderjährigen mangels besonderer Verwaltungsvorschriften für die Beantragung der Wiederausfolgung eines Führerscheins verneint worden ist; vgl. dazu auch den - denselben Beschwerdeführer betreffenden - Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Dezember 2018, W258 2210629-1/3E, mit dem dieses ausgesprochen hat, dass dem mündigen minderjährigen Beschwerdeführer die Prozessfähigkeit zur Führung eines datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahrens vor den Verwaltungsgerichten sowie zur Stellung eines darauf abzielenden Verfahrenshilfeantrags fehlt).
Zum Erfordernis, Verfahrenshandlungen minderjähriger Beschwerdeführer durch den gesetzlichen Vertreter genehmigen zu lassen:
7. Personen, die nicht prozessfähig sind, nehmen durch ihren gesetzlichen Vertreter am Verwaltungsverfahren teil. Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich gemäß § 9 AVG primär nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Minderjährige werden grundsätzlich durch ihre Eltern oder den Obsorgebetrauten vertreten (VwGH vom 18.10.2018, Ra 2016/19/0351).
8. Im Gegensatz zur fehlenden Rechts- und damit Parteifähigkeit (VwGH 25.5.1993, 90/04/0223; 26.5.2011, 2008/07/0156) kann nach Ansicht des VwGH die mangelnde Genehmigung des von einem Prozessunfähigen eingebrachten Antrags durch den gesetzlichen Vertreter (zB Sachwalter, Eltern) im Wege eines Mängelbehebungsverfahrens iSd § 13 Abs 3 AVG beseitigt werden (VwGH 6.5.1996, 95/10/0195; 17.9.2003, 2001/20/0188; zur VwGH-Beschwerde siehe hingegen VwGH 4.9.1986, 86/16/0100; 4.4.2001, 2000/01/0121; vgl dazu im Ganzen Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 Rz 6, Stand 1.1.2014, rdb.at).
9. Die Datenschutzbehörde verweist in diesem Zusammenhang zunächst auf ihren rechtskräftigen - denselben Beschwerdeführer betreffenden - Bescheid vom 25. Februar 2019, GZ D123.360/000-DSB/2019, dem eine „Einverständniserklärung des Obsorgeberechtigten“ vom 22. September 2018 zugrunde lag, mit welcher die „Beschwerdeerhebung und die Führung derselben gemäß Art. 77 DSGVO und § 24 DSG, sowie alle weiteren damit in Zusammenhang stehenden Verfahrenshandlungen“ genehmigt werden sollte.
Die Datenschutzbehörde führte in diesem - mittlerweile rechtskräftigen - Bescheid vom 25. Februar 2019 wie folgt aus:
„Die „Einverständniserklärung des Obsorgeberechtigten“ vom 22. September 2018 bezieht sich auf die „Beschwerdeerhebung und die Führung derselben gemäß Art. 77 DSGVO und § 24 DSG, sowie alle weiteren damit in Zusammenhang stehenden Verfahrenshandlungen“, worauf auch der minderjährige Beschwerdeführer in seinem E-Mail vom 15. Februar 2018 verweist. Der darin vertretenen Rechtsmeinung, dass nicht der gesetzliche Vertreter, sondern der minderjährige Beschwerdeführer - durch eine alle Verfahrenshandlungen abdeckenden Einverständniserklärung - das Verfahren führen kann, schließt sich die Datenschutzbehörde nicht an:
(…) So ist in diesem Zusammenhang auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine Verfahrenshandlung gegenüber dem Adressaten dann keinerlei Rechtswirkungen entfaltet, wenn es dem Adressaten der Verfahrenshandlung an der Prozessfähigkeit mangelt. Die Behörde kann diesfalls Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter setzen (VwGH 25.2.2016, Ra 2016/19/0007, Punkt 3.4.).
(…) In diesem Sinn argumentieren auch Hengstschläger/Leeb, wonach (beschränkt) Prozessunfähige (im Rahmen der Beschränkung) nur durch ihren gesetzlichen Vertreter rechtswirksam handeln können (Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 (Stand 1.1.2014, rdb.at)). Thienel vertritt in diesem Zusammenhang, dass Prozesshandlungen prozessunfähiger Personen keine Rechtswirkungen haben (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht4, S.86).
(…) Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Datenschutzbehörde das Verfahren mit dem gesetzlichen Vertreter zu führen hat: Einerseits hat die Behörde jede einzelne Verfahrenshandlung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter – und nicht gegenüber dem minderjährigen Beschwerdeführer selbst – zu setzen. Andererseits muss der gesetzliche Vertreter – und nicht der von ihm vertretene minderjährige Beschwerdeführer – selbst jede einzelne Verfahrenshandlung für den minderjährigen Beschwerdeführer setzen. Andernfalls würde die Behörde - durch rechtsunwirksame Verfahrenshandlungen gegenüber dem minderjährigen Beschwerdeführer - ihr Verfahren mit Verfahrensfehlern behaften.
(…) Der Rechtsmeinung, dass der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Beschwerdeführers diesem die „Beschwerdeerhebung (…) sowie alle weiteren damit in Zusammenhang stehenden Verfahrenshandlungen gestatte(n)“ kann, ist auch deshalb nicht zu folgen, weil damit der gesetzliche Vertreter seine Vertretungsbefugnis gleichsam an den Minderjährigen delegieren würde. Diese Absicht kann dem Gesetzgeber der § 21 ABGB („Personenrechte der Minderjährigen und sonstiger schutzberechtigter Personen“) und § 170 ABGB („Handlungsfähigkeit des Kindes“) jedoch nicht unterstellt werden, würde doch damit der diesen Bestimmungen innewohnende Zweck des Schutzes minderjähriger Personen umgangen. Abgesehen davon erscheint eine „Pauschalermächtigung“ schon deshalb nicht statthalb, weil die zu setzenden Verfahrenshandlungen ex ante noch nicht feststehen und je nach Stand des Verfahrens variieren können.“
10. Nichts Anderes kann im vorliegenden Fall gelten:
Die nunmehr vorgelegte „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“ vom 19. August 2019, die ebenso wie die „Einverständniserklärung des Obsorgeberechtigten“ vom 22. September 2018, vom gesetzlichen Vertreters des minderjährigen Beschwerdeführers, Dr. Gerhard A***, unterschrieben ist, entfaltet keinerlei rechtliche Wirkungen:
Der Wortlaut der „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“ vom 19. August 2019 ist - soweit relevant, hier wiedergegeben - wie folgt: „Ich, Gerhard A*** (…), bevollmächtige hiermit als (…) gesetzlicher Vertreter meines mj. Sohnes Karl A***, (…) meinen Sohn (…) sich selbst (…) in meinem Namen zu vertreten (…)“)
Dazu ist zunächst anzumerken, dass die gesetzliche Vertretung gemäß § 158 ABGB – neben der Pflege, der Erziehung sowie der Vermögensverwaltung – Teil der Obsorge ist. Weiters sind gemäß § 177 Absatz 1 ABGB „beide Elternteile mit der Obsorge betraut.“
Zur „Obsorge“ führt Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB: Praxiskommentar5, Rz 5 und 6, Folgendes aus:
„Zur Obsorge zählen (auch) weitere Angelegenheiten, die schwerlich unter Pflege und Erziehung oder Vermögensverwaltung subsumiert werden können, nämlich etwa die Angelegenheiten des § 167 Abs 2 wie die Namensgebung oder -änderung (vgl bei §§ 155 ff) oder ein Staatsangehörigkeitswechsel, weiters eine Anerkennung der Vaterschaft (vgl bei § 145), aber auch Fragen des Datenschutzes oder des Rechtes des Kindes am eigenen Bild, urheberpersönlichkeitsrechtliche Dispositionen (Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten des Kindes), Eheschließung und -auflösung und der Abschluss von Dienst- und Lehrverträgen oder von Bestandverträgen. (…)
Die Obsorge ordnet der mit der Obsorge betrauten Person nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte zu. Weder auf die Pflichten noch auf die Rechte kann (jedenfalls nicht einseitig) verzichtet werden.“
Eindringlicher formuliert dies etwa der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2015, 7 Ob 189/15t:
„Ein (vertraglicher) Verzicht auf die elterlichen Rechte – wie hier die Obsorge – ist nicht möglich. Das Gesetz kennt keinen einseitigen Verzicht auf die Elternrechte und die damit verbundenen Pflichten.“
Im Sinne der zitierten Kommentarliteratur und Judikatur ist Herr Dr. Gerhard A*** also gemäß § 177 Absatz 1 ABGB nicht nur mit der gesetzlichen Vertretung - als Teil der Obsorge - betraut, sondern auch dazu „verpflichtet“. Das bedeutet aber auch, dass Dr. Gerhard A*** die gesetzliche Vertretung des minderjährigen Karl A*** nicht „umkehren“ kann, indem er den gesetzlich Vertretenen (hier: mj Karl A***) zum Vertreter - durch rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis - macht. Dies würde nämlich auf eine Umgehung der im ABGB normierten Regelungen - insbesondere zur gesetzlichen Vertretung und Obsorge - hinauslaufen. Eine solche Absicht kann aber dem Gesetzgeber, wie im bereits zitierten Bescheid der Datenschutzbehörde vom 25. Februar 2019 ausgeführt, nicht unterstellt werden.
11. Darüber hinaus ist auf Folgendes hinzuweisen: Das Wesen der (direkten) Stellvertretung ist das rechtsgeschäftliche Handeln (des Vertreters bzw Bevollmächtigten) für einen anderen (den Vertretenen bzw. Vollmachtgeber) in dessen Namen (im Namen des Vertretenen bzw Vollmachtgebers). Durch das Handeln des Stellvertreters soll direkt ein Rechtsverhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und einem Dritten begründet werden. Das rechtsgeschäftliche Handeln des Stellvertreters wirkt so, als hätte der Vertretene selbst gehandelt. Für eine gültige Stellvertretung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl dazu Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliche Recht5 (2016), S 123 ff):
? Es muss Vertretungsmacht vorliegen,
? der Vertreter muss gegenüber dem Dritten offenlegen, dass er „im fremden Namen“, nämlich für den Vollmachtgeber handelt und
? der Vertreter muss zumindest beschränkt geschäftsfähig sein.
Nach dem Wortlaut der vorliegenden „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“ vom 19. August 2019 bevollmächtigt Dr. Gerhard A*** seinen Sohn, sich selbst „in meinem Namen“ – nämlich im Namen des Dr. Gerhard A*** – zu vertreten. Das würde bedeuten, dass Karl A*** als Bevollmächtigter „im Namen des Dr. Gerhard A***“, das heißt für den Vollmachtgeber Dr. Gerhard A*** rechtswirksam Willenserklärungen abgeben könnte. Dr. Gerhard A*** ist aber weder Verfahrenspartei des vorliegenden, noch eines anderen vor der DSB anhängigen Verfahrens. Verfahrenshandlungen müssen daher nicht für Dr. Gerhard A***, sondern für den minderjährigen Karl A***, der Verfahrenspartei des vorliegenden Verfahrens und anderer vor der DSB anhängig gemachter Verfahren ist, gesetzt werden. Auch aus diesem Grund würde die vorliegende „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“ vom 19. August 2019 ins Leere laufen.
12. Im Ergebnis ist die vorliegende „Vollmachtserklärung (Zustimmung)“ vom 19. August 2019 als unzulässige „Pauschalermächtigung“ (vgl. dazu den bereits zitierten Bescheid der Datenschutzbehörde vom 25. Februar 2019) zu qualifizieren. Somit wurde die mit Mangelbehebungsauftrag vom 5. August 2019 geforderte Genehmigung zur Beschwerdeerhebung nicht nachgewiesen. Vielmehr lag im Entscheidungszeitpunkt eine nicht-verbesserte Beschwerde vor, die gemäß § 13 Abs. 3 AVG spruchgemäß zurückzuweisen war.
Schlagworte
Widerspruch, Einschränkung der Verarbeitung, Geburtsdatum, Beschwerde gegen die DSB, verfahrensrechtlicher Bescheid, minderjähriger Beschwerdeführer, mündiger Minderjähriger, Prozessfähigkeit, Obsorge, gesetzlicher Vertreter, Vollmacht des gesetzlichen Vertreters für minderjährigen VertretenenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2019:DSB.D124.1183.0002.DSB.2019Zuletzt aktualisiert am
17.12.2019