TE Vwgh Erkenntnis 1985/3/19 84/14/0142

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Veröffentlicht am 19.03.1985
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Index

Abgabenverfahren

Norm

BAO §236 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller, über die Beschwerde des EW in W, vertreten durch Dr. Erasmus Schneditz-Bolfras, Rechtsanwalt in Gmunden, Marktplatz 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 20. Juli 1984, Zl. 264/2-10/Bo-1982, betreffend Nachsicht von Einkommen- und Umsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Durch eine 1981 durchgeführte Betriebsprüfung kam hervor, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1976 bis 1980 Einnahmen in der Höhe von S 747.246,-- nicht erklärt hatte, wodurch sich eine Abgabenverkürzung von ca. S 500.000,-- ergeben hat. Der Darstellung des Beschwerdeführers, er habe die nicht erklärten Einnahmenbeträge an Aushilfskräfte weitergegeben, die er wegen der Folgen eines Verkehrsunfalles, der ihn in seiner Arbeitsfähigkeit schwer beeinträchtigt habe, beschäftigen hätte müssen, wurde nicht Glauben geschenkt, da der Beschwerdeführer die Aushilfskräfte nicht zu nennen bereit war. Dem Beschwerdeführer wurden die verkürzten Abgaben mit Bescheid vorgeschrieben, außerdem wurde der Beschwerdeführer wegen Abgabenhinterziehung von der Finanzstrafbehörde zu einer Geldstrafe verurteilt.

Mit Eingabe vom 7. Mai 1981 ersuchte der Beschwerdeführer um Nachsicht der Einkommen- und Umsatzsteuer, soweit diese auf Grund von Sicherheitszuschlägen in der Höhe von S 145.000,-- festgesetzt worden waren. Nachdem der Beschwerdeführer an Raten S 368.191,-- bezahlt hatte, beantragte er mit Eingabe vom 23. Februar 1982 die Nachsicht des Restbetrages von S 387.133,--. Zur Begründung seiner Nachsichtsanträge brachte der Beschwerdeführer vor, er habe im Jahre 1976 einen Autounfall erlitten, der schwere körperliche Verletzungen und finanzielle Schäden von ca. S 100.000,-- zur Folge gehabt habe. Die Unfallverletzungen, ein in der Kindheit erlittener Schädelbasisbruch und drei Kriegsverletzungen hätten insgesamt dazu geführt, daß der Beschwerdeführer seinen Beruf als Betriebsberater nur mehr beschränkt habe ausüben können. In seiner Not habe er Einnahmen an Dritte weitergegeben, die er "nun auf Grund der Betriebsprüfung zu versteuern" habe. Noch immer leide der Beschwerdeführer an Kopf- und Rückenschmerzen. Er benötige nach wie vor zweimal in der Woche auf eigene Kosten eine Spezialmassage bzw. kurze Kuraufenthalte. Der Beschwerdeführer sei schon 56 Jahre alt, Alleinverdiener und habe für eine in Mittelschulausbildung befindliche Tochter und einen Sohn zu sorgen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei schwer krank, der Beschwerdeführer müsse für deren Behandlungskosten aufkommen, eine schwere Operation stehe bevor. Der Sohn des Beschwerdeführers sei ebenfalls sehr krank, er müsse deshalb in Wien eine Schule besuchen, was den Beschwerdeführer monatlich mit S 7.000,-- bis S 8.000,-- belaste. Eine Zahnsanierung bei dem Sohn werde ca. S 35.000,-- kosten. Alle Familienmitglieder seien Brillenträger, über ärztliches Anraten benötige die Tochter des Beschwerdeführers Haftschalen, was jedesmal über S 4.000,-- koste. Infolge der Aufregung durch die Betriebsprüfung habe sich der Beschwerdeführer zusätzlich ein Herzleiden zugezogen. Auch mit den Kosten eines 7 bis 8-jährigen Studiums der beiden Kinder müsse der Beschwerdeführer rechnen. Infolge der Konkurrenz anderer Betriebsberater seien in den nächsten Jahren Umsatzeinbußen zu erwarten. Zur Finanzierung der bisherigen Zahlungen habe der Beschwerdeführer bereits seine Bankschuld von S 200.000,-- eingehen und einen Notverkauf seiner Hälfte an einem Abbruchhaus, das seiner Altersversorgung hätte dienen sollen, vornehmen müssen.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurden von der belangten Behörde im Instanzenzug die Abgabennachsichtsgesuche abgewiesen. Die belangte Behörde verneinte die vom § 236 Abs. 1 BAO als Voraussetzung für die Nachsicht geforderte Unbilligkeit der Einhebung der Abgabenschuldigkeiten mit der Begründung, der Abgabenrückstand resultiere fast ausschließlich aus in den Jahren 1976 bis 1981 hinterzogenen Abgaben. Die Einhebung hinterzogener Abgaben sei in aller Regel nicht als unbillig zu bezeichnen. Die Schwierigkeiten bei der Entrichtung seien unter anderem darauf zurückzuführen, daß es zu einer Zusammenballung von Abgaben gekommen sei, die in den genannten Jahren vorsätzlich verkürzt worden seien und daß die Mittel, die den Beschwerdeführer ohne weiteres in die Lage versetzt hätten, die hinterzogenen Abgaben zeitgerecht zu entrichten, von diesem verbraucht worden seien. In Anbetracht der in den vergangenen Jahren erklärten Gewinne (1982 S 365.241,--, 1981 S 303.557,--) erscheine der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine schlechte wirtschaftliche und gesundheitliche Situation nicht zielführend, da der Beschwerdeführer offensichtlich trotz seiner Erkrankungen entsprechende Umsätze habe tätigen können.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Abschreibung fälliger Abgabenschuldigkeiten durch Nachsicht gemäß § 236 Abs. 1 BAO und in seinem Recht auf Beachtung der Begründungspflicht gemäß § 288 Abs. 1 lit. d BAO verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.) Die Behauptung des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe sich mit seinem Vorbringen der Bedrohung seiner Existenz durch seinen schlechten Gesundheitszustand und durch seine vielfachen familiären finanziellen Belastungen nicht ausreichend auseinandergesetzt, trifft nicht zu.

Die belangte Behörde hat auf die vom Beschwerdeführer in den letzten Jahren erklärten Gewinne hingewiesen und daraus den Schluß gezogen, daß der Beschwerdeführer trotz seiner wirtschaftlichen und gesundheitlichen Situation entsprechende Umsätze getätigt habe.

Außergewöhnliche Belastungen waren in diesen letzten, aber auch in den die Nachzahlungen betreffenden Abgabenjahren bereits bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen. Im Nachsichtsverfahren ist kein Raum dafür, rechtskräftige Bescheide in Frage zu stellen. Es ist von der Richtigkeit dieser Bescheide auszugehen.

Durch die Begründung des angefochtenen Bescheides wurde von der belangten Behörde mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß bei gesetzmäßiger Abgabenerklärung für die Jahre 1976 bis 1980 von einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Hinblick auf die gesundheitliche und wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden könne.

Unzulänglichkeit dieser Begründung läßt sich dem Vorbringen in der Beschwerde ebensowenig entnehmen, wie Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes.

Die Behauptung, die belangte Behörde habe "keinerlei einwandfreie Feststellungen in die angefochtene Entscheidung einfließen lassen, sondern sich auf Vermutungen gestützt", ist unrichtig, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt (Verurteilung wegen Abgabenhinterziehung, Verursachung des hohen Abgabenrückstandes durch diese, Höhe der in den letzten Jahren erklärten Gewinne) dem angefochtenen Bescheid unmißverständlich zugrunde gelegt wurde und durch die Aktenlage gedeckt ist.

2.) In rechtlicher Hinsicht ist der belangten Behörde darin beizupflichten, daß die Abgabenhinterziehung, welche die Ursache für die Anhäufung von Abgabenschuldigkeiten aus fünf Jahren darstellt, bei der Beurteilung der Frage der Unbilligkeit zu deren Verneinung führt. Es kann nämlich nicht als unbillig angesehen werden, wenn der Beschwerdeführer zur Nachzahlung dieser Beträge verhalten wird, mag ihm diese auch schwerer fallen, als die laufende Zahlung im Falle wahrheitsgemäßer Abgabenerklärung. Eine andere Auslegung des § 236 Abs. 1 BAO würde den einer Abgabenhinterziehung für schuldig Befundenen vor redlichen Abgabenschuldnern in unbilliger Weise bevorzugen.

3.) Der Beschwerdeführer meint, Unbilligkeit müsse angenommen werden, da "die Einbringung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu den Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung ergeben würden".

Damit verkennt der Beschwerdeführer die Zweistufigkeit der durch § 236 Abs. 1 BAO gebotenen Beurteilung.

Die Abwägung der Nachteile des Abgabengläubigers aus der Abschreibung gegenüber den Nachteilen der Einbringung der Abgabenschuldigkeit für den Abgabenschuldner gehört in die zweite, nämlich die Ermessensstufe des Entscheidungsvorganges und steht mit der rechtlich gebundenen Beurteilung der Frage der Unbilligkeit in keinem Zusammenhang.

Zur Ermessensentscheidung in dieser zweiten Stufe konnte die belangte Behörde jedoch nicht mehr gelangen, da von ihr die Frage der Unbilligkeit bereits zutreffend verneint worden war.

4.) Da die Ursache der Schwierigkeiten bei der Abgabenentrichtung für den Beschwerdeführer darin liegt, daß sich die Abgabenschuldigkeiten infolge unrichter Abgabenerklärungen über fünf Jahre hin angehäuft hatten, verstößt die Ansicht der belangten Behörde nicht gegen das Gesetz, daß eine Unbilligkeit auch darin nicht erblickt werden könnte, daß der Beschwerdeführer, um seine Schulden zu begleichen, genötigt sein könnte, Vermögensteile zu veräußern, deren Erwerbung ihm allenfalls bei wahrheitsgemäßer Offenlegung seiner Umsätze gar nicht möglich gewesen wäre.

Die Vermögenseinbußen bzw. die Vermögensverluste, die den Beschwerdeführer zu treffen drohen, liegen daher keineswegs außerhalb des Rahmens des Wagnisses eines Unternehmers, der Abgaben hinterzieht. Es kann dem Beschwerdeführer daher auch nicht in der Behauptung gefolgt werden, es ergäben sich "völlig anormale Belastungen", welche zu einem Vermögenseingriff führten, der mit Abgabenbelastungen üblicherweise nicht verbunden ist.

5.) Da es nicht Aufgabe des Nachsichtsverfahrens ist, die Entscheidung in der Finanzstrafsache auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, kann auch die Behauptung des Beschwerdeführers, sein Verhalten wäre bei richtiger Anwendung der §§ 10, 29 FinStrG nicht strafbar gewesen, der vorliegenden Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

6.) Auch im Finanzstrafverfahren berücksichtigte Milderungsgründe lassen die Einbringung von Abgabenschuldigkeiten, die sich infolge von Finanzvergehen angehäuft haben, nicht unbillig erscheinen.

7.) Dafür, daß dem Beschwerdeführer der wirtschaftliche Ruin für den Fall wahrheitsgemäßer Abgabenerklärungen betreffend die Jahre 1976 bis 1980 gedroht hätte, bietet sein Vorbringen keinen ausreichenden Anhaltspunkt. Dabei ist im Hinblick auf die rechtskräftigen Abgabenbescheide seine Behauptung, er habe mit Hilfe der von ihm nicht erklärten Erlöse Ersatzarbeitskräfte beschäftigt, außer Betracht zu lassen.

8.) Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten demnach nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 19. März 1985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1985:1984140142.X00

Im RIS seit

16.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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