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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung der die Schlichtungsstellen betreffenden Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes; keine Präjudizialität der die Errichtung der Schlichtungsstellen regelnden Bestimmungen bei Überprüfung von Bescheiden der Schlichtungsstellen; unzureichende Bezeichnung der zur Aufhebung beantragten Normen; Erfordernis der genauen Bezeichnung einer angefochtenen Gesetzesstelle in einem Gerichtsantrag trotz legistischer Praxis der in Sammelgesetzen enthaltenen GesetzesänderungenSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. a) Beim Verwaltungsgerichtshof sind Beschwerden gegen Bescheide von nach dem Arbeitsverfassungsgesetz 1974 (ArbVG) errichteten Schlichtungsstellen betreffend Abschluß bzw. Erlassung einer Betriebsvereinbarung gemäß §97 Abs1 Z4 iVm §109 Abs1 ArbVG (eines sogenannten Sozialplans) anhängig. In allen Fällen war die jeweilige belangte Schlichtungsstelle vom jeweiligen Präsidenten des Gerichtshofes gemäß §144 Abs4 ArbVG bestellt worden, der Vorsitzende jeweils aus dem Kreis der Richter des Gerichtshofes (§144 Abs2 leg.cit.), die Beisitzer aufgrund der Namhaftmachung durch die Streitteile (§144 Abs3 ArbVG).
Aus Anlaß dieser Beschwerden stellte der Verwaltungsgerichtshof mit gleichlautenden Beschlüssen vom 7. April und 2. Mai 1995 gemäß Art140 Abs1 B-VG den Antrag, §97 Abs2 und die §§144 bis 146 ArbVG idF BGBl. 563/1986, 282/1990 und 411/1990 als verfassungswidrig aufzuheben, und - in Ergänzung der eben genannten Beschlüsse - mit Beschluß vom 31. Mai 1996 den (zusätzlichen) Antrag, (auch) den dritten und vierten Satz des §109 Abs3 ArbVG idF BGBl. 460/1993 als verfassungswidrig aufzuheben.
Diese Anträge sind beim Verfassungsgerichtshof zu G66/95 und zu G67/95 protokolliert.
b) Aus Anlaß einer (nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof) sowie einer weiteren bei ihm anhängigen Beschwerde stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 29. Mai 1996 gemäß Art140 Abs1 B-VG den Antrag, §97 Abs2 und die §§144 bis 146 ArbVG idF BGBl. 563/1986, 282/1990 und 411/1990 als verfassungswidrig aufzuheben.
Zur Begründung dieses Antrages verwies der Verwaltungsgerichtshof auf seine (dem Antrag beigelegten) Beschlüsse vom 7. April und 2. Mai 1995 und erklärte, daß er die dort vorgetragenen Bedenken aufrecht erhalte. Zum (im Vergleich zu den anderen Anträgen geringeren) Anfechtungsumfang führte er aus, daß es in den gegenständlichen Beschwerdefällen um Betriebsvereinbarungen nach §97 Abs1 Z2 ArbVG gehe, sodaß §109 Abs3 ArbVG nicht präjudiziell sei.
Auch in diesen Fällen waren die belangten Schlichtungsstellen vom jeweiligen Präsidenten des Gerichtshofes gemäß §144 Abs4 ArbVG bestellt worden, der Vorsitzende jeweils aus dem Kreis der Richter des Gerichtshofes (§144 Abs2 leg.cit.), die Beisitzer aufgrund der Namhaftmachung durch die Streitteile (§144 Abs3 ArbVG).
2. Die angefochtenen (in der Wiedergabe hervorgehobenen) Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes 1974 stehen in folgendem normativen Zusammenhang und haben den in der Folge wiedergegebenen Wortlaut:
§97 Abs1 ArbVG enthält eine Aufzählung von Angelegenheiten, in denen Betriebsvereinbarungen iSd §29 ArbVG abgeschlossen werden können. Nach dessen Z2 zählt dazu eine generelle Festsetzung des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit, der Dauer und der Lage der Arbeitspausen und der Verteilung auf die einzelnen Wochentage; nach Z4 fallen darunter Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Minderung der Folgen einer Betriebsänderung im Sinne des §109 Abs1 Z1 bis 6, sofern diese wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt (sogenannte Sozialpläne).
§97 Abs2 ordnet sodann für bestimmte der in Abs1 genannten Angelegenheiten eine Erzwingbarkeit einer Betriebsvereinbarung durch die Entscheidung von ad hoc einzurichtenden Schlichtungsstellen an; er lautet in der zum Zeitpunkt der Erlassung der beim Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheide maßgeblichen Fassung:
"Kommt in den in Abs1 Z1 bis 6 und 6 a bezeichneten Angelegenheiten zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat über den Abschluß, die Abänderung oder Aufhebung einer solchen Betriebsvereinbarung eine Einigung nicht zustande, so entscheidet - insoweit eine Regelung durch Kollektivvertrag oder Satzung nicht vorliegt - auf Antrag eines der Streitteile die Schlichtungsstelle."
(Diese Fassung erhielt die Bestimmung durch ArtVI litb des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes - NSchG, BGBl. 354/1981; durch diese Novelle wurde zwar der gesamte §97 Abs2 ArbVG neu erlassen; materiell bestand die Änderung gegenüber der Stammfassung des ArbVG, BGBl. 22/1974, aber nur in der Einfügung der Wortfolge "und 6 a" in den Text.)
§97 Abs3 erklärt u.a. die Bestimmung des Abs1 Z4 auf Betriebe, in denen dauernd weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt werden, für nicht anwendbar.
Der unter der Überschrift "Mitwirkung bei Betriebsänderungen" stehende §109 ArbVG verpflichtet den Betriebsinhaber, den Betriebsrat von geplanten Betriebsänderungen ehestmöglich, jedenfalls aber so rechtzeitig vor der Betriebsänderung in Kenntnis zu setzen, daß eine Beratung über deren Gestaltung noch durchgeführt werden kann (Abs1) und gibt dem Betriebsrat das Recht, Vorschläge zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung von für die Arbeitnehmer nachteiligen Folgen von Maßnahmen gemäß Abs1 zu erstatten; hiebei hat der Betriebsrat auch auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Betriebes Bedacht zu nehmen (Abs2).
§109 Abs3 bestimmt sodann in der Fassung der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl. 502/1993:
"Bringt eine Betriebsänderung im Sinne des Abs1 Z1 bis 6 wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich, so können in Betrieben, in denen dauernd mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung dieser Folgen durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Sind mit einer solchen Betriebsänderung Kündigungen von Arbeitnehmern verbunden, so soll die Betriebsvereinbarung auf die Interessen von älteren Arbeitnehmern besonders Bedacht nehmen. Kommt zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat über den Abschluß, die Abänderung oder Aufhebung einer solchen Betriebsvereinbarung eine Einigung nicht zustande, so entscheidet - insoweit eine Regelung durch Kollektivvertrag oder Satzung nicht vorliegt - auf Antrag eines der Streitteile die Schlichtungsstelle. Bei der Entscheidung der Schlichtungsstelle ist eine allfällige verspätete oder mangelhafte Information des Betriebsrates (Abs1) bei der Festsetzung der Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer in der Weise zu berücksichtigen, daß Nachteile, die die Arbeitnehmer durch die verspätete oder mangelhafte Information erleiden, zusätzlich abzugelten sind."
(Der angefochtene dritte Satz steht in der Stammfassung in Geltung; er war zunächst der zweite Satz dieses Absatzes und wurde durch die Einfügung des (nunmehrigen) zweiten Satzes durch ArtII Z2 der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl. 502/1993, (mit der 14 Bundesgesetze, darunter auch das ArbVG geändert wurden) zum dritten Satz dieses Absatzes. Der angefochtene vierte Satz wurde durch ArtI Z21 der Novelle zum ArbVG und zum Arbeitskräfteüberlassungsgesetz BGBl. 460/1993 dem Abs3 des §109 ArbVG (als damals dritter und letzter Satz dieses Absatzes) angefügt; durch die schon erwähnte Einfügung eines zweiten Satzes in Abs3 des §109 ArbVG durch ArtII Z2 der Novelle BGBl. 502/1993 wurde er zum vierten Satz dieses Absatzes.)
Im III., den Behörden und dem Verfahren gewidmeten Teil des ArbVG finden sich im Abschnitt 2 unter der Überschrift "Schlichtungsstelle" folgende Bestimmungen:
"Errichtung und Zusammensetzung
§144. (1) Zur Entscheidung von Streitigkeiten über den Abschluß, die Änderung oder die Aufhebung von Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, in welchen das Gesetz die Entscheidung durch Schlichtungsstellen vorsieht, ist auf Antrag eines der Streitteile eine Schlichtungsstelle zu errichten. Die Schlichtungsstelle ist am Sitz des mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befaßten Gerichtshofes, in dessen Sprengel der Betrieb liegt, zu errichten. Bei Streitigkeiten über den Abschluß, die Änderung oder Aufhebung von Betriebsvereinbarungen, deren Geltungsbereich Betriebe umfaßt, die in zwei oder mehreren Sprengel liegen, ist der Sitz des Unternehmens, dem die Betriebe angehören, maßgebend. Durch Vereinbarung der Streitteile kann die Schlichtungsstelle am Sitz eines anderen mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befaßten Gerichtshofes errichtet werden. Ein Antrag auf Entscheidung einer Streitigkeit durch die Schlichtungsstelle ist an den Präsidenten des in Betracht kommenden Gerichtshofes zu richten,
(2) Die Schlichtungsstelle besteht aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern. Der Vorsitzende ist vom Präsidenten des Gerichtshofes auf einvernehmlichen Antrag der Streitteile zu bestellen. Kommt eine Einigung der Streitteile auf die Person des Vorsitzenden innerhalb von zwei Wochen ab Antragstellung (Abs1) nicht zustande, so ist er auf Antrag eines der Streitteile vom Präsidenten des Gerichtshofes zu bestellen. Die Bestellung hat aus dem Kreise der Berufsrichter zu erfolgen, die bei dem Gerichtshof mit Arbeits- und Sozialrechtssachen befaßt sind. Sie bedarf der Zustimmung des zu Bestellenden.
(3) Jeder der Streitteile hat zwei Beisitzer namhaft zu machen, davon einen aus einer Beisitzerliste; der zweite Beisitzer soll aus dem Kreise der im Betrieb Beschäftigten namhaft gemacht werden. Hat einer der Streitteile binnen zwei Wochen ab Antragstellung (Abs1) die Nominierung der Beisitzer nicht vorgenommen, so hat der Präsident des in Betracht kommenden Gerichtshofes sie aus der Liste der Beisitzer jener Gruppe (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer), welcher der Säumige angehört, zu bestellen.
(4) Die Streitteile haben die Einigung auf die Person des Vorsitzenden und die Nominierung der Beisitzer dem Präsidenten des in Betracht kommenden Gerichtshofes mitzuteilen, der den Vorsitzenden der Schlichtungsstelle und die Beisitzer unverzüglich zu bestellen hat."
(Diese Bestimmung steht in der Fassung in Kraft, die sie durch ArtI Z41 des Arbeits- und Sozialgerichts-AnpassungsG - ASGAnpG, BGBl. 563/1986, erhalten hat; die zunächst vorgesehene Befristung (ArtIX dieses Gesetzes) wurde durch ArtI der Novelle BGBl. 617/1987 aufgehoben.)
"Beisitzerliste
§145. (1) Der Bundesminister für soziale Verwaltung hat auf Grund von Vorschlägen eine Liste der Beisitzer aus dem Kreise der Arbeitgeber und eine Liste der Beisitzer aus dem Kreise der Arbeitnehmer zu erstellen. Bei Erstattung der Vorschläge und Erstellung der Listen ist auf die fachliche Oualifikation der Beisitzer und auf regionale Gesichtspunkte entsprechend Bedacht zu nehmen.
(2) Die Vorschläge für die Liste der Beisitzer aus dem Kreise der Arbeitgeber sind von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, jene für die Liste der Beisitzer aus dem Kreise der Arbeitnehmer vom Österreichischen Arbeiterkammertag zu erstatten, wobei die Bundeskammer auf Vorschläge der Landeskammern und der Österreichische Arbeiterkammertag auf Vorschläge der Arbeiterkammern Bedacht zu nehmen haben.
(2 a) Die Aufnahme von Personen in eine der im Abs1 genannten Listen erfolgt für eine Amtsdauer von fünf Jahren. Das Amt von Beisitzern, die innerhalb der allgemeinen fünfjährigen Amtsdauer in die Liste aufgenommen werden, endet mit deren Ablauf. Die infolge des Ablaufs der Amtsdauer ausscheidenden Beisitzer haben ihr Amt bis zur Nachbesetzung auszuüben. Eine neuerliche Aufnahme von ausgeschiedenen Beisitzern ist zulässig.
(3) Hinsichtlich der Erfordernisse zur Aufnahme von Personen in eine der in Abs1 genannten Listen ist §24 ASGG sinngemäß anzuwenden. Der Bundesminister für soziale Verwaltung kann die Aufnahme einer vorgeschlagenen Person in eine Liste nur verweigern, wenn ein gesetzliches Hindernis vorliegt.
(4) Die Aufnahme von Personen in eine der im Abs1 genannten Listen, die Ablehnung der Aufnahme einer vorgeschlagenen Person sowie die Streichung einer Person aus einer Liste vor Ablauf der Amtsdauer hat mit Bescheid zu erfolgen. §141 Abs6 ist sinngemäß anzuwenden.
(5) Ausfertigungen der Beisitzerlisten sind den mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befaßten Gerichtshöfen (§144 Abs1), der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und dem Österreichischen Arbeiterkammertag sowie binnen zwei Wochen ab Stellung eines Antrages auf Entscheidung der Schlichtungsstelle den Streitteilen zu übermitteln; dies gilt sinngemäß auch für Änderungen derselben.
(6) Die in Abs1 genannten Listen können bei den mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befaßten Gerichtshöfen (§144 Abs1) während der Amtsstunden von jedermann eingesehen werden."
(Die Abs2a und 4 dieser Bestimmung stehen in der Fassung der ArbVG-Novelle BGBl. 411/1990, der erste Satz des Abs3 sowie die Abs5 und 6 in der Fassung des ASGAnpG, BGBl. 563/1986 (die Befristung dieser Änderung wurde mit ArtI der Novelle BGBl. 617/1987 aufgehoben), die übrigen Bestimmungen stehen in der Stammfassung in Geltung.)
"Verhandlung und Beschlußfassung
§146. (1) Die Schlichtungsstelle ist - soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird - verhandlungs- und beschlußfähig, wenn sowohl der Vorsitzende als auch von jedem der Streitteile zwei Beisitzer anwesend sind. Wurde eine Verhandlung der Schlichtungsstelle bereits einmal vertagt, weil ein Beisitzer ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund nicht erschienen ist, und ist in der fortgesetzten Verhandlung abermals derselbe oder ein anderer von der gleichen Partei namhaft gemachter Beisitzer unentschuldigt nicht erschienen, so wird die Verhandlung und Entscheidung nicht gehindert, sofern der Vorsitzende und mindestens ein Beisitzer anwesend sind. Bei der Beschlußfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlußfassung teil. Er gibt seine Stimme als letzter ab. Stimmenthaltung ist unzulässig.
(2) Die Schlichtungsstelle hat die Entscheidung möglichst rasch innerhalb der durch die Anträge der Parteien bestimmten Grenzen und unter Abwägung der Interessen des Betriebes einerseits und der Belegschaft andererseits zu fällen. Sie ist dabei an das übereinstimmende Vorbringen und die übereinstimmenden Anträge der Streitteile gebunden. Die Entscheidung gilt als Betriebsvereinbarung. Gegen die Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.
(3) Auf das Verfahren vor der Schlichtungsstelle sind im übrigen die für das Verfahren vor dem Bundeseinigungsamt geltenden Vorschriften anzuwenden. §7 Abs1 AVG ist nur auf die aus einer Beisitzerliste namhaft gemachten Beisitzer anzuwenden. §40 Abs1 AVG ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß auf einvernehmlichen Antrag der Streitteile die Verhandlungen im Betrieb stattzufinden haben."
(Die Abs1 und 3 dieser Bestimmung stehen in der Fassung BGBl. 563/1986 (iVm ArtI BGBl. 617/1987), Abs2 steht in der Stammfassung in Geltung.)
Der mit "Zuständigkeit der Schlichtungsstelle" überschriebene - vom Verwaltungsgerichtshof nicht angefochtene - §159 ArbVG hat folgenden (noch aus der Stammfassung herrührenden) Wortlaut:
"§159. In allen Angelegenheiten, in denen das Gesetz bei Nichtzustandekommen einer Einigung über den Abschluß, die Aufhebung oder die Abänderung einer Betriebsvereinbarung die Anrufung der Schlichtungsstelle zuläßt, hat diese zwischen den Streitteilen zu vermitteln, Vorschläge zur Beilegung der Streitfragen zu erstatten und auf eine Vereinbarung der Streitteile hinzuwirken; falls erforderlich, hat sie eine Entscheidung zu fällen."
3. a) Der Verwaltungsgerichtshof geht in der Begründung seiner Anträge davon aus, daß es sich bei den in Beschwerde gezogenen Erledigungen um Bescheide von Verwaltungsbehörden handle und er daher darüber zu entscheiden habe. Dies deshalb, weil die Schlichtungsstellen bei den Arbeits- und Sozialgerichten nach den §§144 ff. ArbVG weder als Gerichte im Sinne des B-VG noch als Kollegialbehörden nach dem Muster der Art20 Abs2 und Art133 Z4 B-VG eingerichtet sind:
"... Sie haben kraft ihrer Nennung im ArtII Abs2 EGVG (Z. 10) die Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden. Für sie gilt in keiner Weise das Prinzip der festen Geschäftsverteilung (Art87 Abs3 B-VG); insbesondere nicht für die im Falle der Nichteinigung der Streitteile über die Person des Vorsitzenden vom Gerichtshofpräsidenten - mit ihrer Zustimmung - zu bestellenden Richter. Die Rechtsqualität der Schlichtungsstellen als Verwaltungsbehörden wird im übrigen von Rechtsprechung (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1978, Zl. 769, 770/78 = Slg. Nr. 9606/A, und vom 16. Oktober 1979, Zl. 3396/78 = Slg. Nr. 9945/A) und Schrifttum (Tomandl, Arbeitsrecht1, 1984, S. 25; Mayer, ZAS 1979, 154, B. Binder, RdA 1979, 309) bejaht.
... Es handelt sich um Bundesbehörden der sogenannten unmittelbaren Bundesverwaltung (Art102 Abs2 B-VG - 'Arbeitsrecht'). Zwar unterliegen ihre Entscheidungen keinem Rechtsmittelzug (§146 Abs2 letzter Satz ArbVG). Es fehlt aber der Ausschluß der Ausübung des Aufsichtsrechtes durch eine Oberbehörde, sodaß jedenfalls der Bundesminister für Arbeit und Soziales derartige Befugnisse (§68 Abs2 und 4 sowie §73 Abs2 AVG) ausüben kann (vgl. dazu Mayer a.a.0.)."
b) In der Sache äußert der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken, daß die angefochtenen Bestimmungen dem Art6 Abs1 EMRK widersprechen:
"Die Schlichtungsstellen sind auch keine Tribunale im Sinne des Art6 MRK. Da sie nicht nach dem Muster des Art20 Abs2 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörden sind, sind sie weisungsgebunden und nicht unabhängig. Die ihre Organisation regelnden Bestimmungen sehen auch keinerlei Unabsetzbarkeit ihrer Organwalter vor.
Die Entscheidungen der Schlichtungsstellen bestehen darin, innerhalb der durch die Anträge der Streitteile bestimmten Grenzen auf Grund einer Interessenabwägung eine nicht zustandegekommene Betriebsvereinbarung zu substituieren (§146 Abs2 ArbVG). Betriebsvereinbarungen sind privatrechtliche Verträge, die einerseits als solche die Vertragspartner binden, andererseits kraft ihrer normativen Wirkung Inhalt der einzelnen betroffenen Arbeitsverträge werden (§31 Abs1 ArbVG - vgl. auch Strasser, Arbeitsrecht II, Kollektives Arbeitsrecht3, 386). Die Tätigkeit der Schlichtungsstellen bewegt sich somit nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im sogenannten Kernbereich der 'civil rights', in dem die bloß nachprüfende Kontrolle der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts dem Standard des Art6 MRK nicht genügt (vgl. die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den verschiedenen Schiedskommissionen nach dem ASVG, Slg. Nr. 10800/1986, 11729/1988 und 12083/1989)."
c) Was den Umfang der Anfechtung betrifft, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, daß mit den angefochtenen Bestimmungen (d.s. §97 Abs2, §109 Abs3 Satz 3 und 4 und die §§144 bis 146 ArbVG) die Schlichtungsstellen in ihrer - im Hinblick auf ihre Kompetenz verfassungswidrigen - Existenz begründet werden, sodaß deren Aufhebung genügen müßte, um die allfällige Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Jene Bestimmungen, in denen die Schlichtungsstellen weiters Erwähnung finden (etwa §§147, 148 Abs2, 150, 151 und 159 ArbVG sowie ArtII Abs2 Z10 EGVG), gingen nämlich im Fall der Aufhebung des ArbVG im beantragten Umfang - weil ohne normative Auswirkungen - ins Leere.
4. Die Bundesregierung hat in den Verfahren G66/95 und G67/95 - soweit sie §97 Abs2 und die §§144 bis 146 ArbVG betreffen - eine gemeinsame Äußerung erstattet, auf die sie im Verfahren G150/96 verwies und in der sie den Antrag stellt, diese Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Zu der Erweiterung der Prüfungsanträge in den Verfahren G66/95 und G67/95 hat sie in einer gesonderten Äußerung Stellung genommen und den Antrag gestellt, diese Anträge zurückzuweisen, in eventu §109 Abs3 dritter und vierter Satz ArbVG nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
5. Von der Möglichkeit, eine Äußerung zu erstatten, haben mehrere Parteien der verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Gebrauch gemacht. Einige von ihnen begehrten für die Erstattung der Äußerung den Zuspruch von Kosten.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der gemäß §404 ZPO iVm §35 VerfGG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den bei ihm anhängigen Verfahren Bescheide von Schlichtungsstellen zu überprüfen, die ihrerseits nach §144 und §145 ArbVG errichtet wurden. Diese die Einrichtung der Schlichtungsstellen betreffenden Bestimmungen regeln aber nicht das Verhalten der Schlichtungsstellen selbst, sondern deren Bestellung; sie sind daher vom Präsidenten des in §144 ArbVG näher bestimmten Gerichtshofes bei der - im Rahmen der Justizverwaltung (vgl. Mayer, ZAS 1979, 154 f.; Tomandl, Arbeitsrecht I2, 24) bescheidmäßig (VfSlg. 13092/1992) vorzunehmenden - Errichtung der Schlichtungsstellen, nicht jedoch von diesen selbst im Verfahren zur Entscheidung über Streitigkeiten über den Abschluß, die Abänderung oder Aufhebung einer Betriebsvereinbarung anzuwenden und wurden in den dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren auch nicht angewendet. Angesichts dessen ist es offenkundig ausgeschlossen, daß der Verwaltungsgerichtshof diese Bestimmungen bei der Entscheidung über die bei ihm anhängigen Beschwerden anzuwenden hat, weshalb seine Anträge, soweit sie sich auf die §§144 und 145 ArbVG beziehen, zurückzuweisen sind (vgl. zum Maßstab der vom Verfassungsgerichtshof anzustellenden Prüfung der Präjudizialitätsannahmen antragstellender Gerichte etwa VfSlg. 9811/1983, 11565/1987 ua.).
2. a) Aber auch die Anfechtung der die Zuständigkeit der Schlichtungsstellen zur Entscheidung über Betriebsvereinbarungen und deren Wirkung regelnden Bestimmungen der §§97 Abs2, 109 Abs3 dritter Satz (und im Zusammenhang damit auch des vierten Satzes dieses Absatzes) sowie der mit diesen Regelungen ebenfalls in notwendigem Zusammenhang stehenden beiden letzten Sätze des §146 Abs2 ArbVG ist unzulässig. Zwar tritt der Verfassungsgerichtshof dem antragstellenden Verwaltungsgerichtshof angesichts seiner zur Prüfung der Präjudizialitätsannahmen antragstellender Gerichte entwickelten Judikatur nicht entgegen, wenn dieser bei der Antragstellung davon ausgeht, daß er diese Bestimmungen bei Beurteilung der bei ihm angefochtenen Bescheide der Schlichtungsstellen anzuwenden hätte. Die Anträge sind aber unzulässig, weil sie die angefochtenen Normen - wie sich aus folgenden Überlegungen ergibt - nicht in einer den Anforderungen des §62 Abs1 VerfGG entsprechenden Weise bezeichnen:
b) Der Verwaltungsgerichtshof begehrt die Aufhebung des §97 Abs2 (sowie des §146) des ArbVG "in der Fassung Nr. BGBl. 563/1986, 282/1990 und 411/1990".
Wie unter Pkt. I.2. der Begründung dargestellt wurde, erhielt aber §97 Abs2 ArbVG seine (zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und auch heute noch geltende) Fassung durch keine der genannten Novellen, sondern durch ArtVI litb NSchG, BGBl. 354/1981. Den Antrag so zu deuten, daß mit Nennung der letzten Novelle die mit dieser erreichte Fassung des Gesetzes insgesamt gemeint ist, verbietet sich schon deshalb, weil die vom Verwaltungsgerichtshof als letzte genannte Novelle BGBl. 411/1990 nicht die letzte vor Erlassung der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheide ist.
c) Auch die angefochtenen Sätze 3 und 4 des §109 Abs3 ArbVG sind im Antrag nicht in einer §67 Abs1 VerfGG entsprechenden Weise bezeichnet: Der Verwaltungsgerichtshof beantragt, "auch den dritten und vierten Satz des §109 Abs3" ArbVG "in der Fassung BGBl. Nr. 460/1993" aufzuheben. In der Fassung dieser Novelle hatte der genannte Absatz aber überhaupt nur drei Sätze. Ein Satz, der in diesen Absatz nach dem ersten Satz eingefügt wurde und die (damaligen) Sätze 2 und 3 zum dritten und vierten Satz werden ließ, wurde erst durch ArtII Z2 der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl. 502/1993, eingefügt.
Es ist zwar angesichts der oben geschilderten legistischen Praxis der häufigen und oft in Sammelgesetzen enthaltenen Gesetzesänderungen zweifellos schwierig herauszufinden, welche Fassung eines Gesetzes zu einem bestimmten Stichtag gegolten hat; dieser Umstand vermag aber nicht davon zu dispensieren, daß die angefochtene Gesetzesstelle in einem Gerichtsantrag genau zu bezeichnen ist (vgl. zB VfSlg. 11888/1988, VfGH 2.3.1995, G279/94). Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist angesichts seines Aufhebungsbegehrens einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich: Es wäre dem Verfassungsgerichtshof nämlich bei einer meritorischen Erledigung im Sinne der vorgebrachten Bedenken nicht möglich, die Gesetzesbestimmungen in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung aufzuheben bzw. festzustellen, daß sie verfassungswidrig waren. Denn in der Fassung, die der Verwaltungsgerichtshof in seinen Anträgen nennt, haben sie zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht gegolten, andererseits ist es aber dem Verfassungsgerichtshof infolge seiner Bindung an einen Aufhebungsantrag verwehrt, eine Gesetzesvorschrift in einer Fassung aufzuheben, für die die Aufhebung nicht beantragt ist.
Da die ungenaue Bezeichnung der Gesetzesvorschriften, deren Aufhebung beantragt wird, nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes keinen verbesserungsfähigen Mangel darstellt, muß sie zur Zurückweisung der diesbezüglichen Anträge des Verwaltungsgerichtshofes führen (vgl. zB VfSlg. 9880/1983, 11888/1988 uva.). Dabei konnte ungeprüft bleiben, ob überhaupt in allen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren die Rechtslage nach der Novelle BGBl. 502/1993 (die am 1.8.1993 in Kraft getreten ist) maßgeblich ist.
3. Da eine isolierte Aufhebung des §146 ArbVG (der in der vom Verwaltungsgerichtshof genannten Fassung des BGBl. 563/1986 in Geltung steht), nicht in Frage kommt - die Bestimmung wurde vom Verwaltungsgerichtshof offenkundig nur ihres Zusammenhangs mit den anderen angefochtenen Bestimmungen willen angefochten, da eigene, gegen §146 leg.cit. gerichtete Bedenken nicht vorgebracht wurden -, waren die Anträge insgesamt zurückzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Arbeitsverfassung, Schlichtungsstelle, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Formerfordernisse, Novellierung, GesetzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G66.1995Dokumentnummer
JFT_10038992_95G00066_00