TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/23 98/01/0331

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Veröffentlicht am 23.09.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §32 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs1;
B-VG Art140 Abs5;
B-VG Art140 Abs6;
B-VG Art140 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. Juni 1998, Zl. 203.412/0-IV/29/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 8. Juni 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, der am 22. April 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist und am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Mai 1998, mit welchem der Asylantrag gemäß § 4 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 - AsylG, als unzulässig zurückgewiesen worden war, als verspätet zurückgewiesen.

Der Bescheid des Bundesasylamtes sei dem Beschwerdeführer am 12. Mai 1998 durch Hinterlegung zugestellt worden. Gemäß § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG betrage die Berufungsfrist zwei Tage. Die erst am 26. Mai 1998 eingebrachte Berufung sei daher verspätet.

Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, daß § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG verfassungswidrig sei und mittlerweile vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden sei. Die Behörde habe ihren Bescheid somit auf eine Bestimmung gestützt, "welche im Nachhinein nicht den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten entsprochen hat".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 32 Abs. 1 erster Satz AsylG hatte folgenden Wortlaut:

"Gegen Bescheide, mit denen Aslyanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen der §§ 4 und 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden sind, kann nur binnen zwei Tagen nach Zustellung Berufung erhoben werden."

Mit Erkenntnis vom 24. Juni 1998, G 31/98 u.a. Zlen., hat der Verfassungsgerichtshof die Wendung "§ 4 und" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Die Kundmachung der Aufhebung erfolgte am 12. August 1998 (vgl. BGBl. I Nr. 110/1998).

Betreffend die Rechtsfolgen der Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof normieren Art. 140 Abs. 5, 6 und 7 B-VG folgendes:

"(5) Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben wird, verpflichtet den Bundeskanzler oder den zuständigen Landeshauptmann zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung. Dies gilt sinngemäß für den Fall eines Ausspruches gemäß Abs. 4. Die Aufhebung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt. Diese Frist darf 18 Monate nicht überschreiten.

(6) Wird durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben, so treten mit dem Tag des Inkrafttretens der Aufhebung, falls das Erkenntnis nicht anderes ausspricht, die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Wirksamkeit, die durch das vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannte Gesetz aufgehoben worden waren. In der Kundmachung über die Aufhebung des Gesetzes ist auch zu verlautbaren, ob und welche gesetzlichen Bestimmungen wieder in Kraft treten.

(7) Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles anzuwenden."

Der angefochtene Bescheid wurde nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers am 9. Juni 1998 zugestellt, somit vor Kundmachung des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes erlassen. Daß es sich vorliegend um einen der Anlaßfälle handelt, die diesem Erkenntnis zugrunde lagen, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Vom Verwaltungsgerichtshof, der den angefochtenen Bescheid jedenfalls in Fällen, in denen Rechtsvorschriften nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden, auf Grundlage der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestehenden Rechtslage zu prüfen hat (vgl. etwa Oberndorfer, die Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 142; Walter/Mayer, Grundriß des Österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 1020), dürfte die inzwischen aufgehobene Wortfolge im vorliegenden Fall nur dann nicht angewendet werden, wenn der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen hätte, daß die verfassungswidrige Bestimmung auch auf vor Kundmachung des Erkenntnisses verwirklichte Fälle nicht mehr anzuwenden sei (Oberndorfer, a.a.O.). Einen derartigen Ausspruch enthält das mehrfach erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes jedoch nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat somit gemäß Art. 140 Abs. 5 dritter Satz iVm Abs. 6 erster Satz B-VG die Rechtslage vor Aufhebung der Wendung "§ 4 und" in § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG anzuwenden.

Es sei hinzugefügt, daß einem (neuerlichen) Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlich dieser Wendung das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache (§ 19 Abs. 3 Z. 2 lit. d VfGG) entgegenstünde.

Nach der für den Verwaltungsgerichtshof maßgeblichen Rechtslage begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer auf Grundlage des unbestrittenen Sachverhaltes die Berufungsfrist versäumt habe, keinen Bedenken.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 23. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998010331.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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