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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 2019, Zl. W136 2198148-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 22. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er auf das Wesentliche zusammengefasst vor, sein Vater sei von den Taliban umgebracht und sein Bruder von diesen bedroht worden.
2 Mit Bescheid vom 14. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine vierzehntägige Frist beginnend mit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Dabei traf es - mit ausführlicher Beweiswürdigung - zur drohenden Verfolgung des Beschwerdeführers u. a. durch die Taliban eine Negativfeststellung.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das BVwG habe seiner Entscheidung nicht die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellsten Länderberichte zugrunde gelegt, weil es in seiner Entscheidung die zwischen den USA und den Taliban geführten Friedensverhandlungen mit keinem Wort erwähnt habe. Diese Friedensverhandlungen würden zu einem Rückzug der ausländischen Truppen und zu einer Machtbeteiligung der Taliban an der Regierung führen. Damit stelle sich die Lage für Rückkehrer anders dar, insbesondere wenn deren Angehörige in das Visier der Taliban geraten seien. Die Rechtsvertreterin des Revisionswerbers habe in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass Angehörige von Personen, die von den Taliban verfolgt worden seien, bei ihrer Rückkehr ebenfalls einer Gefahr und Bedrohung ausgesetzt seien. Weiters bringt die Revision vor, der Revisionswerber könne nach Ansicht des BVwG bis zu zwei Wochen in einem näher bezeichneten Hotel in Kabul untergebracht werden. Tatsächlich sei diese Information obsolet, weil IOM (International Organization for Migration) seit April 2019 keine Unterkunft mehr für "zwangsrückgeführte" Afghanen anbiete. Dies sei deshalb von Belang, weil der Revisionswerber schon jahrelang nicht mehr in Afghanistan gewesen sei und sich nach seiner Ankunft irgendwie zurechtfinden müsse. Der Revisionswerber werde in Kabul Zwischenstation machen, bevor er in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif fliege.
8 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 27.8.2019, Ra 2019/14/0351, mwN). Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/14/0178, mwN). 9 Ausgehend von diesen Grundsätzen gelingt es der Revision nicht darzulegen, inwiefern das BVwG - bezogen auf den konkreten Fall des Revisionswerbers - bei Berücksichtigung der stattgefundenen Friedensverhandlungen zu einem für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Insbesondere bekämpft die Revision nicht die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen des BVwG, wonach nicht davon auszugehen sei, dass der Revisionswerber und seine Familienangehörigen tatsächlich in den Fokus der Taliban oder ihrer Anhänger geraten seien.
10 Damit geht auch das Vorbringen, die Rechtsvertreterin des Revisionswerbers habe in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass Angehörige von Personen, die von den Taliban verfolgt worden seien, bei ihrer Rückkehr ebenfalls einer Gefahr und Bedrohung ausgesetzt sein würden, ins Leere.
11 Insoweit die Revision behauptet, der Revisionswerber werde in Kabul Zwischenstation machen und von dort nach Herat oder Mazare Sharif fliegen, ist dem zu entgegnen, dass derartige Erwägungen dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen sind. Es findet sich zwar in den im Erkenntnis auszugsweise wiedergegeben Passsagen des Länderinformationsblattes die Aussage, dass IOM das in der Revision näher bezeichnete Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit für Rückkehrer nutze (nämlich für solche, die - anders als für den Beschwerdeführer angenommen - nicht direkt zu ihren Familien oder Gemeinschaften zurückkehren können). Der vom Revisionswerber gezogene Schluss, das BVwG gehe von einer Zwischenstation in Kabul aus, findet aber keine Deckung in den im Erkenntnis enthaltenen Erwägungen. Im Hinblick auf die Erreichbarkeit der Städte Herat und Mazar-e Sharif verwies das BVwG vielmehr darauf, dass diese jeweils über einen mehrere Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen internationalen Flughafen verfügen würden, der unter Tags sicher erreichbar sei. Die Notwendigkeit der vorübergehenden Unterkunftnahme - selbst im Fall der Reise über Kabul - ergibt sich daraus gerade nicht. Es wird folglich auch diesbezüglich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 30. Oktober 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140451.L00Im RIS seit
16.12.2019Zuletzt aktualisiert am
16.12.2019