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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §18 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der X Y in Z, vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 28, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juli 2019, L521 2204701-1/5E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die aus dem Irak stammende Revisionswerberin stellte am 4. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag, soweit damit von der Revisionswerberin die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten begehrt wurde, mit Bescheid vom 30. Juli 2018 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Jedoch erkannte ihr die Behörde mit demselben Bescheid gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 30. Juli 2019 (Spruchpunkt III.).
3 Die Revisionswerberin erhob allein gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. 4 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) als unzulässig zurück. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die von der Behörde mit einem Textverarbeitungsprogramm erstellte Urschrift "der schriftlichen Erledigung" trage keine Unterschrift des Genehmigenden. Sie sei auch nicht mittels eines elektronischen Verfahrens zum Nachweis der Identität des Organwalters genehmigt worden.
6 Nach Abdruck des graphischen Erscheinungsbildes der Unterfertigung durch den Organwalter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl führte das Bundesverwaltungsgericht weiter aus, das abgebildete Zeichen könne nicht als Unterschrift im Sinn des § 18 Abs. 3 AVG angesehen werden. Eine solche müsse zwar nicht lesbar sein. Im vorliegenden Fall bestehe der Schriftzug aber nur aus mehreren Strichen und Schlaufen, der den in der Rechtsprechung für eine Unterschrift aufgestellten Erfordernissen nicht entspreche. Der Schriftzug könne nicht einmal als Paraphe, die ohnedies keine Unterschrift im Sinn des Gesetzes darstellen würde, angesehen werden. In Ermangelung einer gültigen Genehmigung der Urschrift fehle der in Beschwerde gezogenen Erledigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl die Bescheidqualität. Die Beschwerde richte sich somit gegen einen "Nichtbescheid". Daher dürfe das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde nicht inhaltlich absprechen, sondern es habe sie als unzulässig zurückzuweisen.
7 Den Ausspruch betreffend die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht - unter Hinweis auf zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes - bloß mit der Verneinung der in Art. 133 Abs. 4 B-VG genannten Voraussetzungen. 8 Gegen diesen Beschluss wurde sowohl von der Revisionswerberin als auch vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Revision erhoben. Über die von der Behörde erhobene Revision (protokolliert zu Ra 2019/19/0333) wird vom nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes zuständigen Senat gesondert entschieden werden.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die hier gegenständliche Revision nach Vorlage derselben samt der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
10 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien, unter welchen Voraussetzungen ein Schriftzug als Unterschrift zu werten sei, in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht. Der an der Urschrift des in Beschwerde gezogenen Bescheides angebrachte Schriftzug stelle keine bloße Paraphe dar. Er könne auch eine ausreichende Eigentümlichkeit sowie Individualität für sich in Anspruch nehmen. Es lasse sich aus dem Schriftzug auch ohne Weiteres auf den Namen des Organwalters schließen.
11 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schloss sich diesen Ausführungen in seiner im Rahmen des Vorverfahrens erstatteten Äußerung - unter Hinweis auf die von ihm erhobene Revision - an. 12 Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn von § 18 Abs. 3 AVG ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen. Eine Paraphe ist keine Unterschrift (vgl. VwGH 19.2.2018, Ra 2017/12/0051; 20.4.2017, Ra 2017/20/0095, mwN).
14 Im Licht dieser Rechtsprechung vermag sich der Verwaltungsgerichthof der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, der in Rede stehende - im Verwaltungsakt ersichtliche und auch im angefochtenen Beschluss abgedruckte - Schriftzug sei nicht als Unterschrift im Sinn des § 18 Abs. 3 AVG anzusehen, nicht anzuschließen.
15 Der Name jenes Sachbearbeiters, der die Unterfertigung zwecks Genehmigung des Bescheides vorgenommen hat, besteht aus fünf Buchstaben. Der hier zu beurteilende Schriftzug weist hinreichend jene Merkmale auf, die ihn in charakteristischer Weise dem Träger der Unterschrift zuweisen lassen. Aus dem Gesamtbild des Schriftzuges ergibt sich, dass es für jemanden, der den Namen des Genehmigenden kennt, möglich ist, daraus dessen Namen herauszulesen.
16 Demnach liegt eine Unterschrift im Sinn des § 18 Abs. 3 AVG vor. Sohin ist die Genehmigung des Bescheides vom 30. Juli 2018 in einer dem Gesetz entsprechenden Weise erfolgt. Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, dieser Bescheid sei mangels ordnungsgemäßer Genehmigung nicht rechtswirksam erlassen worden, erweist sich als unzutreffend.
17 Sohin war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 7. November 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140389.L00Im RIS seit
05.02.2020Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020