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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Z L in F, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 15. Mai 2018, Zlen. LVwG-680028/16/ZO/KA und LVwG-680030/13/ZO/KA, betreffend Maßnahmenbeschwerden nach dem KFG 1967 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Maßnahmenbeschwerden des Revisionswerbers vom 2. Oktober 2017 (betreffend die Abnahme der Kennzeichentafeln eines Kraftfahrzeuges) und vom 2. November 2017 (betreffend die Abnahme des Zulassungsscheines) ab. Gleichzeitig verpflichtete es den Revisionswerber zum Aufwandersatz gegenüber der belangten Behörde und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Begründend wurde, hier auf das Wesentliche zusammengefasst, ausgeführt, der Revisionswerber habe am Nachmittag des 23. September 2017 in V. ein näher bezeichnetes, auf eine dritte Person zugelassenes Kraftfahrzeug gelenkt und sei im Zuge einer Fahrzeugkontrolle von einem Polizeibeamten aufgefordert worden, sich zu einem nahe gelegenen Parkplatz des ÖAMTC zu begeben. Dort sei mit einem geeichten Messgerät die Lärmentwicklung des vom Revisionswerber gelenkten Kraftfahrzeuges gemessen worden, die bei einem der beiden Auspuffendrohre einen Nahfeldpegel von 91 dB(A) bei 3.300 Umdrehungen pro Minute ergeben habe, obwohl nach dem Zulassungsschein das Standgeräusch des gegenständlichen Kraftfahrzeuges einen Nahfeldpegel von 76 dB(A) nicht überschreiten dürfe.
Zwar seien durch die Typengenehmigung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 22. Juni 2017 mehrere Änderungen des gegenständlichen Kraftfahrzeuges - darunter ein sog. "Soundgenerator" - genehmigt worden, doch beinhalte diese Genehmigung keine Änderung des Stand- oder Fahrgeräusches dieses Kraftfahrzeuges.
Wegen der gegebenen Überschreitung um 15 dB(A) habe der Polizeibeamte dem Revisionswerber den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln des Kraftfahrzeuges abgenommen.
Nach den Angaben des Sachverständigen in der Verhandlung diene der im gegenständlichen Kraftfahrzeug eingebaute Soundgenerator entsprechend den Herstellerangaben dazu, einen "verblüffend vollvolumigen Auspuffsound zu generieren" bzw. auf Knopfdruck einen "realistischen und kernigen Sportauspuffsound" zu erzeugen, wobei nach der Produktbeschreibung die Geräuschemission auf Basis der Fahrzeugdaten eingehalten werde. Der Revisionswerber habe nachvollziehbar ausgeführt, dass er den Soundgenerator "auf drei Stufen schalten" habe können.
3 Rechtlich erachtete das Verwaltungsgericht die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers (selbst wenn man dessen Beschwerdelegitimation trotz des Umstandes, dass er bloß Lenker, nicht aber Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges gewesen sei, bejahe) im Grunde des § 58 Abs. 1 und Abs. 2 KFG 1967 als unbegründet:
4 Gemäß § 58 Abs. 1 KFG 1967 (iVm § 57 Abs. 8 leg. cit.) seien Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Abnahme des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln verpflichtet, wenn die Verkehrssicherheit durch die weitere Verwendung des Fahrzeuges gefährdet werde und Gefahr im Verzug gegeben sei.
5 Dasselbe gelte gemäß § 58 Abs. 2 KFG 1967 dann, wenn mit dem Fahrzeug aufgrund unzulässiger, nicht genehmigter Änderungen (u.a.) unzulässig starker Lärm verursacht werde und Gefahr im Verzug gegeben sei.
6 Fallbezogen bejahte das Verwaltungsgericht die Erfüllung beider Tatbestände:
Eine Gefährdung der Verkehrssicherheit (§ 58 Abs. 1 leg. cit.) ergebe sich bei einer starken Lärmentwicklung wie der gegenständlichen deshalb, weil (einerseits) andere Verkehrsteilnehmer stark abgelenkt würden und (andererseits) sonstige für die Verkehrssicherheit ebenfalls relevante Geräusche nicht oder nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden könnten.
Durch die festgestellte Überschreitung des Grenzwertes um 15 dB(A) werde aber auch starker Lärm durch unzulässige, nicht genehmigte Änderungen iSd § 58 Abs. 2 KFG 1967 verursacht, weil die gegenständliche Genehmigung des Soundgenerators nicht eine gleichzeitige Erhöhung des Stand- und Fahrgeräusches beinhalte, sondern vielmehr auf den Herstellerangaben beruhe, nach denen die Geräuschemissionen "auf Basis der Fahrzeugdaten eingehalten" würden.
7 Die sowohl für § 58 Abs. 1 als auch Abs. 2 KFG 1967 erforderliche Gefahr im Verzug begründete das Verwaltungsgericht mit § 10 Abs. 2 Z 4 Prüf- und Begutachtungsstellen-Verordnung, BGBl. II Nr. 78/1998 in der Fassung BGBl. II Nr. 200/2015 (PBStV), iVm. Anlage 6 Punkt 8.1 dieser Verordnung. Danach liege ein Mangel mit Gefahr im Verzug vor, wenn das Stand- und/oder Fahrgeräusch den genehmigten Wert um mehr als 12 dB(A) übersteige. 8 Zu prüfen bleibe, ob die Abnahme des Zulassungsscheins und der Kennzeichentafeln dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprächen oder der Zweck der Maßnahme durch gelindere Mittel hätte erreicht werden können. Letzteres sei zu verneinen: Der im Zuge der Amtshandlung vom Revisionswerber gemachte Vorschlag, den Soundgenerator auszuschalten, sei nicht effektiv, weil er den Soundgenerator jederzeit wieder hätte aktivieren können. Der weitere Vorschlag des Revisionswerbers, die Kabel des Soundgenerators "abzuzwicken" und diesen damit außer Betrieb zu setzen, sei wegen der Gefahr, dabei auch andere - für die Betriebssicherheit erforderliche - Leitungen des Kraftfahrzeuges zu durchtrennen, als Alternativmaßnahme vom Polizeibeamten zu Recht nicht akzeptiert worden.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN). 13 Das Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2017 (KFG 1967), lautet auszugsweise:
"§ 57. Verfahren bei der Überprüfung
...
(8) Wird die Verkehrssicherheit durch die weitere Verwendung des Fahrzeuges gefährdet, so sind bei Gefahr im Verzug, unbeschadet der Bestimmungen des § 44 Abs. 1 lit. a über die Aufhebung der Zulassung, der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln unverzüglich abzunehmen. In die Genehmigungsdatenbank ist eine Zulassungssperre für das Fahrzeug einzutragen.
...
§ 58. Prüfung an Ort und Stelle
(1) Die Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, oder die ihr zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes können jederzeit an Ort und Stelle den technischen Zustand und die Vorschriftsmäßigkeit eines Fahrzeuges oder seiner Teile und Ausrüstungsgegenstände überprüfen. Wird die Verkehrssicherheit durch die weitere Verwendung des Fahrzeuges gefährdet, so sind die Bestimmungen des § 57 Abs. 8 anzuwenden.
(2) Die Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich ein Fahrzeug befindet, oder die ihr zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes können jederzeit an Ort und Stelle prüfen, ob mit dem Fahrzeug mehr Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden, als bei ordnungsgemäßem Zustand und sachgemäßem Betrieb unvermeidbar ist. Wird dabei festgestellt, dass mit dem Fahrzeug auf Grund unzulässiger, nicht genehmigter Änderungen oder auf Grund von schadhaften Teilen oder Ausrüstungsgegenständen unzulässig starker Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden, so sind bei Gefahr im Verzug, unbeschadet der Bestimmungen des § 44 Abs. 1 lit. a über die Aufhebung der Zulassung, der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln unverzüglich abzunehmen. Durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie können nähere Kriterien, wann Gefahr in Verzug anzunehmen ist und der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln abzunehmen sind, festgelegt werden.
..."
14 Wenn die Revision zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorbringt, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob auch der (bloße) Lenker eines Kraftfahrzeuges durch die Abnahme von Zulassungsschein und Kennzeichentafeln in subjektiven Rechten (näherer Hinweis auf Bestimmungen des KFG 1967) verletzt und daher in einem Fall wie dem vorliegenden beschwerdelegitimiert ist, so ist ihr zu erwidern, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde abgewiesen und somit die Beschwerdelegitimation ohnedies bejaht wurde. Das Schicksal der Revision hängt daher von der genannten Rechtsfrage nicht iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG ab.
15 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit weiters damit, dass das Verwaltungsgericht von der zu § 57 Abs. 8 KFG 1967 ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 30.5.2001, 2001/11/0037, und die daran anknüpfenden Erkenntnisse VwGH 20.9.2001, 2000/11/0048 und VwGH 29.9.2005, 2005/11/0125) abgegangen sei, nach der die Abnahme des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln gemäß § 58 Abs. 1 KFG 1967 einen so schweren Mangel voraussetze, dass unter Zugrundelegung von kraftfahrtechnischem Erfahrungswissen befürchtet werden muss, es werde sich "bei (bestimmungsgemäßer) weiterer Verwendung des Fahrzeuges im Straßenverkehr eine Unfallsituation ergeben".
16 Im vorliegenden Fall hätte sich, so die Revision, bereits durch das Abschalten des Soundgenerators ein "bestimmungsmäßiger weiterer Gebrauch" des gelenkten Kraftfahrzeuges ergeben und hätte so die angenommene Unfallgefahr und Gefahr im Verzug beseitigt. 17 Entgegen diesem Vorbringen ist das Verwaltungsgericht von der genannten Rechtsprechung nicht abgewichen, weil es - richtiger Weise unter Zugrundelegung der Weiterverwendung des Soundgenerators (dessen Bestimmung laut Sachverständigem im Erzeugen eines "kernigen Sportauspuffsounds" liegt) - eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit bzw. eine Unfallgefahr vertretbar angenommen hat.
18 Mit dem Vorbringen, die Revision sei auch deshalb zulässig, weil es "keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 58 Abs. 2 KFG 1967 und § 10 PBStV" gibt, wird die Zulässigkeit schon mangels Präzisierung einer konkreten Rechtsfrage nicht gesetzmäßig begründet (vgl. VwGH 28.6.2016, Ra 2016/06/0071; 10.5.2017, Ra 2017/11/0035, 0036, je mwN).
19 Schließlich wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe unter Hinweis auf § 29 Abs. 3 Z 2 VwGVG, ohne dies aber weiter zu begründen, von der Verkündung des Erkenntnisses abgesehen und es fehle Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer solchen Abstandnahme von der Verkündung. Mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht, ohne aber gleichzeitig dessen Relevanz aufzuzeigen (vgl. zu erforderlichen Relevanzdarlegung in der Zulässigkeitsbegründung VwGH 26.8.2019, Ra 2019/11/0129, mwN).
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. November 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018110132.L00Im RIS seit
29.04.2020Zuletzt aktualisiert am
29.04.2020