TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/23 97/01/0889

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.1998
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Ilse Heimerl-Wagner, Rechtsanwältin in Wien VII, Stiftgasse 15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Mai 1997, Zl. 4.337.902/8-III/13/97, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen der in Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, der am 21. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am selben Tag den Asylantrag gestellt hat, hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Bundespolizeidirektion Linz am 27. Mai 1992 zu seinen Fluchtgründen angegeben, daß er Anfang März (1992) einen Einberufungsbefehl zur "serbischen Armee" erhalten habe. Diesem Befehl sei er nicht nachgekommen, weshalb er von den Behörden gesucht worden sei. Er hätte keinesfalls zur Armee wollen, weil er an dem Bürgerkrieg nicht teilnehmen habe wollen. Daraufhin habe er sich entschlossen, sein Land zu verlassen.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1992 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der dagegen gerichteten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß er bis Juni 1990 viereinhalb Jahre als Moslem bei der jugoslawischen Volksarmee in Kroatien als Monteur gearbeitet habe. Danach sei er in seinen Heimatort nach Bosnien zurückgekehrt und habe von der Landwirtschaft seines Vaters gelebt. Am 7. März 1992 sei er von der jugoslawischen Volksarmee einberufen worden. Er hätte sich in Bihac melden sollen. Daraufhin habe er sich ständig bei Verwandten, Freunden und Nachbarn aufgehalten und mit seinem Vater abgesprochen, daß dieser gegenüber der Militärpolizei sage, er wisse nicht, wo sich sein Sohn befinde. Aufgrund der Stationierung von UNO-Soldaten habe der Beschwerdeführer angenommen, daß sich die Lage rasch ändern werde. Die Militärpolizei sei dreimal zu seinem Vater gekommen und habe nach dem Beschwerdeführer gefragt. Dabei sei gegenüber seinem Vater geäußert worden, daß der Beschwerdeführer als Deserteur erschossen werde, falls er sich nicht in kürzester Zeit bei der Militärpolizei melde. Danach sei es höchste Zeit gewesen, das Land zu verlassen, weil das Dorf nach Deserteuren hätte untersucht werden sollen. Es sei absurd, gezwungen zu werden für eine Armee zu kämpfen, "welche der Mörder meines Volkes ist". Außerdem würden alle Rekrutierten den "Cetniksverbänden" zugeteilt werden. Bei einer Rückkehr in der derzeitigen Situation (2. Juli 1992) würde der Beschwerdeführer als Deserteur hingerichtet werden.

Der Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 1994, mit welchem diese Berufung abgewiesen worden war, wurde mit hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/01/0690, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde anstelle des anzuwendenden Asylgesetzes (1968) bereits das Asylgesetz 1991 angewendet hatte und die Abweisung des Asylantrages aus dem - im letztgenannten Gesetz nicht enthaltenen - Asylausschließungsgrund der "Verfolgungssicherheit" erfolgte.

Im fortgesetzten Verfahren wurde dem Beschwerdeführer bei der niederschriftlichen Einvernahme am 7. Mai 1997 vorgehalten, daß ihm am 10. Juni 1996 von der Vertretungsbehörde seiner Heimatlandes ein Paß ausgestellt worden sei und er dadurch den Schutz seines Heimatlandes in Anspruch genommen habe. Dazu führte er aus, daß er den Paß benötigt habe, um sich auszuweisen, und ihm der Stand seines Asylverfahrens nicht bekannt gewesen sei.

Weiters wurde dem Beschwerdeführer bei dieser Gelegenheit vorgehalten, daß die von ihm geltend gemachten Verfolgungsgründe aufgrund der Änderung der allgemeinen Lage durch das Vertragswerk von Dayton nicht mehr bestünden. Dazu brachte der Beschwerdeführer vor, daß in seiner Heimat alle wüßten, daß er für das Gebiet des Fikret Abdic im Einsatz gestanden sei und dort Versammlungen abgehalten habe. Aus diesem Grund würde er in seine Heimat vom "erstbesten Nachbarn" umgebracht werden. Egal wo er sich aufhielte, er würde ausgeforscht und umgebracht werden. Es lägen noch immer Listen auf, aus denen ersichtlich sei, daß er "Mitglied des Fikret Abdic" gewesen sei. Vor zwei Jahren habe er in Linz jemanden getroffen, der sich im Besitz einer bosnischen Wählerevidenzliste befunden habe. In dieser Liste sei sein Name mit einem Vermerk betreffend die Zugehörigkeit zu Abdic angeführt gewesen. Er sei nach wie vor Anhänger von Fikret Abdic und habe diesen noch von Österreich aus durch Geldsammlungen unterstützt. Weiters habe er mit etwa 200 weiteren Personen an "Geheimsitzungen" der Anhänger von Abdic teilgenommen.

Mit Bescheid vom 23. Mai 1997 hat die belangte Behörde die Berufung neuerlich abgewiesen und festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinn des Asylgesetzes (1968) sei.

Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und in der Berufung lediglich geltend gemacht, am 7. März 1992 einen Einberufungsbefehl zur jugoslawischen Volksarmee erhalten und diesem nicht Folge geleistet zu haben, weshalb er gesucht werde.

Die belangte Behörde ist diesbezüglich zu Recht davon ausgegangen, daß die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes und die deswegen drohende Bestrafung grundsätzlich nicht die Anerkennung als Flüchtling rechtfertigen. Der Verwaltungsgerichtshof geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müßte, daß er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde oder in denen davon auszugehen ist, daß dem Asylwerber im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Ein derartiges Vorbringen hat der Beschwerdeführer - der auf die Wehrdienstverweigerung in der Beschwerde nicht mehr eingeht - im Verwaltungsverfahren nicht erstattet. Die Ansicht der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer aufgrund der vorgebrachten Wehrdienstverweigerung nicht die Flüchtlingseigenschaft zukomme, begegnet daher keinen Bedenken. Es sei noch hinzugefügt, daß der Beschwerdeführer als Staatsbürger des nunmehr selbständigen Staates Bosnien-Herzegowina keinesfalls mehr die Einberufung zur jugoslawischen Armee zu befürchten hat.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei "Mitglied des Fikret Abdic" gewesen und habe General Abdic auch noch von Österreich aus unterstützt, hat die belangte Behörde hingegen keinen Glauben geschenkt. Dazu hat sie beweiswürdigend ausgeführt, daß der Beschwerdeführer solch schwerwiegende Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes sicherlich bereits bei seiner niederschriftlichen Befragung, welche unter Beiziehung eines Dolmetschers erfolgt sei, vorgebracht hätte. Erfahrungsgemäß machten nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Damals habe der Beschwerdeführer jedoch eine Unterstützung von General Abdic mit keinem Wort erwähnt. Auch in seiner Berufung befänden sich keine diesbezüglichen Anhaltspunkte, obwohl der Beschwerdeführer dort die wesentlichen Stationen seines Lebens seit dem Jahr 1986 dargelegt habe. Da der Beschwerdeführer dieses Vorbringen erstmals bei der ergänzenden Vernehmung am 7. Mai 1997 erstattet habe, dränge sich der Schluß auf, daß es nicht der Wirklichkeit entspreche, sondern bloß der Asylerlangung diene. Diese in der Beschwerde nicht bekämpfte Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Die belangte Behörde hat somit dem Beschwerdeführer auch aufgrund seines Vorbringens betreffend seine Unterstützung für Fikret Abdic zu Recht nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkennt.

Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob die belangte Behörde die Abweisung des Asylantrages auch zu Recht darauf gestützt hat, daß sich der Beschwerdeführer durch die Beantragung eines Reisepasses unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt habe.

Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte auch Neuerungen zu berücksichtigen gehabt, geht ins Leere, weil das ergänzende Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren ohnehin berücksichtigt und in der dargestellten Weise gewürdigt wurde. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf § 20 Asylgesetz 1991 verweist, ist ihr zu entgegnen, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid - zu Recht - auf das Asylgesetz (1968) gestützt hat. Dem gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, daß im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur der angefochtene Bescheid zu überprüfen ist.

Zur geltend gemachten Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes führt der Beschwerdeführer nicht aus, durch welche Erhebungen und in welche Richtung der Sachverhalt zu ergänzen gewesen wäre, und tut daher die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.

Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997010889.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten