TE OGH 2019/11/18 8Ob102/19m

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Veröffentlicht am 18.11.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier & Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte & Strafverteidiger OG in Bischofshofen, gegen die beklagte Partei Mag. H*****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen 9.279,38 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 10. Juli 2019, GZ 53 R 76/19m-22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 21. Jänner 2019, GZ 2 C 356/18y-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin – ein Gebäudesanierungsunter-nehmen – begehrte vom Beklagten die Zahlung eines Werklohns von 9.279,38 EUR sA für in dessen Auftrag durchgeführte, nur teilweise fertiggestellte Sanierungsarbeiten.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht für zulässig erklärt, weil die Rechtsfrage, inwiefern im Fall eines Anbots nach Stückzahlen bei einer Abrechnung nach § 1168 Abs 1 ABGB für die erbrachten Teilleistungen die Abrechnung nach geleisteten Arbeitsstunden zulässig sei, seiner Ansicht nach die Qualität des § 502 Abs 1 ZPO erfülle.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin beantwortete Revision des Beklagten ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Gemäß § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB gebührt dem Unternehmer, wenn die Ausführung des Werks unterbleibt, gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des Bestellers liegen, daran verhindert worden ist. Er muss sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Die Regelung des § 1168 Abs 1 ABGB bezweckt die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts für den Unternehmer zu erhalten. Er soll durch die Stornierung des Werkauftrags keine Schlechterstellung, allerdings auch keine Besserstellung auf Kosten des Vertragspartners erfahren (RIS-Justiz RS0021779).

2.1 Der Revisionswerber meint, den Feststellungen des Erstgerichts sei die endgültige Vereitelung des Werks nicht zu entnehmen; vielmehr sei der Beklagte für die Klägerin lediglich in einem bestimmten Zeitraum nicht erreichbar gewesen. Allenfalls sei für die Klägerin damit nicht absehbar gewesen, ob es bei einer bloßen Verzögerung bleiben oder zu einer Vereitelung kommen werde. Sie hätte daher in diesem Fall nur unter Setzung einer Nachfrist vom Vertrag zurücktreten können.

Entgegen der Meinung des Beklagten ist die Setzung einer Nachfrist durch den Werkunternehmer an sich nicht erforderlich (RS0025694; Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1168 Rz 19). Ob ein Werkunternehmer in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls davon ausgehen konnte, dass der Werkbesteller an der Erfüllung kein Interesse mehr hat, begründet keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (8 Ob 91/08b).

2.2 Nach den Feststellungen beauftragte der Beklagte die Klägerin am 29. 9. 2017 zu einem Gesamtpreis von 17.338,19 EUR netto mit den Sanierungsarbeiten. Nachdem die Klägerin im Oktober 2017 mit den Arbeiten begonnen hatte, hielt sie damit Ende des Jahres 2017 auf ausdrücklichen Wunsch des Beklagten inne. Da sie in der Folge keine Rückmeldung mehr vom Beklagten erhielt, was mit den wunschgemäß abgebrochenen Arbeiten geschehen sollte, und der Beklagte weder auf ein E-Mail des Geschäftsführers der Klägerin reagierte noch für diesen im Frühjahr 2018 telefonisch erreichbar war oder auch nur zurückrief, verrechnete die Klägerin dem Beklagten mit Schlussrechnung am 23. 4. 2018 9.279,36 EUR inklusive 20 % Umsatzsteuer für die erbrachten Leistungen.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei diesem Sachverhalt die Vollendung des Werks aus Gründen auf Seiten des Beklagten endgültig gescheitert ist, zumal der Beklagte selbst im erstinstanzlichen Verfahren nie behauptet hat, Interesse an der Fertigstellung des Werks zu haben, ist nicht zu beanstanden. Davon ausgehend ist auch die Fälligkeit des Anspruchs zu bejahen (vgl RS0021826).

3.1 Der Beklagte steht weiters auf dem Standpunkt, selbst wenn ein „Unterbleiben“ im Sinn des § 1168 ABGB vorliege, sei keine korrekte (vertragsgemäße) Abrechnung erfolgt, weil für das Gewerk ein Gesamtpreis auf Basis von Stückzahlen und kein Regiepreis vereinbart worden sei. Auch damit zeigt der Beklagte im Ergebnis keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht auf, weil der zugesprochene Betrag im Anspruch der Klägerin jedenfalls Deckung findet.

3.2 Grundlage des Anspruchs nach § 1168 ABGB ist das vereinbarte Entgelt in seiner Gesamtheit (8 Ob 133/16s). Der Unternehmer muss nicht von sich aus eine Anrechnung vornehmen, sondern der Besteller hat zu behaupten und zu beweisen, was sich der Unternehmer anrechnen lassen muss (RS0112187; RS0021768; RS0021841).

3.3 Der Beklagte hat im Verfahren keine konkreten Behauptungen darüber aufgestellt, was sich die Klägerin durch das (teilweise) Unterbleiben der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Der Umstand, dass die Klägerin den Einwand des Beklagten vorweggenommen und nur einen Teil des vereinbarten Werklohns eingeklagt hat, enthob den Beklagten nicht von seiner Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sich die Klägerin durch das Unterbleiben der Ausführung des Werks noch mehr erspart hat (so auch 8 Ob 133/16s). Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es damit nicht an.

4.1 Der Beklagte argumentiert in der Revision erneut damit, dass die Ö-Norm 6400-1 hier anwendbar sei, obwohl ihre Anwendung zwischen den Vertragsparteien nicht vereinbart wurde. Seine Ausführungen gehen von der Annahme aus, dass die Klägerin für Wärmedämmverbundsysteme ungeeignete Platten verbaut habe. Damit setzt sich der Beklagte aber über die Feststellungen hinweg, dass eine Ö-Norm-gerechte Herstellung der Sockeldämmung aus technischer Sicht nicht erforderlich und die Haftung der angebrachten XPS-Dämmplatten sehr gut ist sowie dass es nicht zu einem Ablösen der Deckschicht kommen wird. Auch den Erwägungen des Beklagten, wonach die Klägerin ihrer Warnpflicht in Bezug auf die Dämmplatten nicht nachgekommen sei, liegt die feststellungswidrige Prämisse zugrunde, dass die verbauten XPS-Platten nicht geeignet seien.

4.2 Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der im Rechtsmittel geltend gemacht wurde, vom Gericht zweiter Instanz aber verneint wurde, im Revisionsverfahren nicht mehr gerügt werden (RS0042963). Der Beklagte kann daher die Abweisung seines kurz vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung gestellten Beweisantrags auf „Durchführung einer Haftungsprüfung der XPS-Platten durch die bautechnische Versuchs- und Forschungsanstalt“, die von den Vorinstanzen insbesondere damit begründet wurde, dass er kein konkretes Vorbringen zu einem entsprechenden Fehler erstattet habe, nicht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend machen.

5. Die Revision war daher zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Textnummer

E126832

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00102.19M.1118.000

Im RIS seit

13.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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