Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schrott als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Wolfgang K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, AZ 39 Hv 144/19z des Landesgerichts Wels, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 23. Oktober 2019, AZ 7 Bs 179/19a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Wolfgang K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Wels führte zu AZ 3 St 190/19x ein Ermittlungsverfahren gegen Wolfgang K***** wegen des Verdachts des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB. Über den Genannten wurde vom Landesgericht Wels jeweils aus den Haftgründen der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und d StPO am 25. September 2019 die Untersuchungshaft verhängt (ON 13) und am 9. Oktober 2019 fortgesetzt (ON 18). Der gegen den zuletzt genannten Beschluss erhobenen Beschwerde des Wolfgang K***** gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 23. Oktober 2019 nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Haft aus den genannten Haftgründen an (ON 22a). Am 28. Oktober 2019 wandelte das Landesgericht Wels die Untersuchungshaft in eine vorläufige Anhaltung nach § 429 Abs 4 iVm § 173 Abs 2 Z 3 lit a und d StPO um (ON 25) und am 14. November 2019 brachte die Staatsanwaltschaft Wels beim Landesgericht Wels den Antrag auf Unterbringung des Wolfgang K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ein.
Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 23. Oktober 2019 richtet sich die (fristgerecht erhobene) Grundrechtsbeschwerde des Genannten, der keine Berechtigung zukommt.
Nach den Annahmen des Oberlandesgerichts stand Wolfgang K***** im dringenden Verdacht, er habe in G*****
I./ am 26. August 2019 Daniel G*****, Margit S***** und Rosemarie L***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ankündigte, er werde sich einen Hammer holen und ihnen den Schädel einschlagen;
II./ am 13. September 2019 Daniel G***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Ausfolgung eines höheren Geldbetrags von seinem Bankkonto zu nötigen versucht, indem er äußerte, er werde ihn sonst erschlagen.
Rechtliche Beurteilung
In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Oberlandesgericht das als hafttragend erachtete Verhalten dem Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (I./) und dem Verbrechen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (II./).
Die Grundrechtsbeschwerde kritisiert zunächst die Annahme nach § 107 Abs 2 erster Fall und § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB qualifizierter Drohungen. Dabei stellt sie einerseits der Sache nach das Vorliegen von Drohungen mit dem Tod in Abrede und spricht andererseits den gegenständlichen Äußerungen unter Hinweis, dass sie „ohne Verwendung einer mörderischen Waffe“ erfolgten, die Eignung zur Einflößung begründeter Besorgnis in Bezug auf die angekündigte Tötung ab.
Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Entscheidung des Oberlandesgerichts über eine Haftbeschwerde – nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (RIS-Justiz RS0121605 [T3]). Dabei kann die Begründung des dringenden Tatverdachts in sinngemäßer Anwendung des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO bekämpft werden (RIS-Justiz RS0110146, RS0114488). Die rechtliche Beurteilung wiederum, welche strafbaren Handlungen durch die als sehr wahrscheinlich angenommenen Tatsachen begründet werden, unterliegt der Prüfung nach den Kriterien der Z 9 und 10 des § 281 Abs 1 StPO (Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 26, 32 f; Kirchbacher/Rami, WK-StPO Vor §§ 170–189 Rz 23/2).
Indem die Beschwerde den vom Oberlandesgericht angenommenen Bedeutungsinhalt der Äußerungen (vgl zu dieser Tatfrage RIS-Justiz RS0092437, RS0092588; siehe auch RS0092088) unter Verweis auf RIS-Justiz RS0092778 sowie eine Kommentarstelle (Schwaighofer in WK2 StGB § 106 Rz 3) kritisiert, releviert sie weder – unter Beachtung sämtlicher Erwägungen des Beschwerdegerichts (RIS-Justiz RS0119370) – Begründungsmängel noch unternimmt sie den Versuch, nach Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter Aktenteile beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Verdachtsannahmen zu wecken. Diese gründete das Oberlandesgericht im Übrigen nicht bloß auf den Wortlaut der Drohungen, sondern auch darauf, dass der unter Erwachsenenvertretung stehende Betroffene im Zusammenhang mit seinen Bankgeschäften schon in der Vergangenheit durch aggressives Verhalten aufgefallen war und die „in gesteigerter Aggressivität binnen kurzer Zeit“ geäußerten Drohungen mit wuchtigen Schlägen auf das Kassenpult und Drohgebärden mit den Fäusten verbunden hatte (ON 22a S 2 f).
Warum die Äußerungen mit Blick auf den vom Oberlandesgericht angenommenen beeinträchtigten psychischen Zustand des Betroffenen (ON 22a S 3) nicht geeignet sein sollen, den Bedrohten begründete Besorgnis in Bezug auf die angekündigten Tötungen einzuflößen (vgl zu dieser Rechtsfrage RIS-Justiz RS0092160, RS0092448), macht die Beschwerde nicht (den Kriterien des § 281 Abs 1 Z 10 StPO entsprechend) klar. Vielmehr erschöpft sie sich in einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung der (in der Beschwerde nicht bestrittenen) Verdachtsannahmen des Oberlandesgerichts.
Die rechtliche Annahme einer der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren prüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens (nur) dahin, ob sie aus den vom Oberlandesgericht in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich (mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet) angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806). Vergleichsbasis des Willkürverbots sind – mit Blick auf § 173 Abs 2 StPO, der nur verlangt, dass die angenommenen Haftgründe auf bestimmten Tatsachen beruhen – nur die der Prognoseentscheidung tatsächlich zugrunde gelegten Tatsachen.
Indem die Beschwerde behauptet, bei den gegenständlichen Drohungen lägen keine Taten mit schweren Folgen vor, weil das „rechtsrichtig“ anzunehmende Grunddelikt der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB nicht eo ipso als eine solche Tat anzusehen sei, vernachlässigt sie die (erfolglos bekämpften) Tatsachenannahmen des Oberlandesgerichts (vgl zur Drohung mit dem Tod als Tat mit schweren Folgen RIS-Justiz RS0116500).
Wenngleich bereits der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt und sich damit die Prüfung weiterer Haftgründe erübrigt (RIS-Justiz RS0061196), bleibt anzumerken, dass die Beschwerde zum ebenfalls herangezogenen Haftgrund nach § 173 Abs 2 Z 3 lit d StPO eine willkürlich begründete Prognoseentscheidung nicht aufzeigt. Mit der Behauptung, das aggressive Verhalten des Betroffenen habe sich bisher auf rein verbale Attacken beschränkt, weshalb eine Ausführung des Angekündigten nicht zu erwarten sei, stellt sie nämlich bloß die Annahme des Oberlandesgerichts in Abrede, das in der wiederholten Tatbegehung zum Ausdruck kommende hohe Aggressionspotenzial des Betroffenen, sein psychischer Zustand und der Umstand, dass auch künftig Geldbehebungen durch ihn bei der Sparkasse G***** zu erwarten sind, ließen nicht nur die Begehung gleichartiger massiver Aggressionsdelikte, sondern auch die Umsetzung der angedrohten Taten konkret befürchten.
Die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel verneinte das Oberlandesgericht – der Grundrechtsbeschwerde zuwider – nicht bloß gestützt auf den Umstand, dass die in der Beschwerde vorgeschlagene Wohnsitznahme in einer voll betreuten Wohneinrichtung nicht gesichert sei, sondern auch deshalb, weil Bargeldbehebungen durch den Erwachsenenvertreter des Betroffenen nicht verhindern könnten, dass Letzterer bei Geldbedarf selbst die Sparkasse aufsucht, sich jedoch angesichts des tatindizierten Persönlichkeitsbildes des Betroffenen vor Einlangen eines psychiatrischen Gutachtens keine geeigneten gelinderen Mittel anbieten würden, durch welche die Haftzwecke erreicht werden könnten. Warum diese Begründung nicht „entsprechend logisch nachvollziehbar“ sein soll, erklärt die Beschwerde nicht und zeigt somit auch keine Willkür in den Annahmen des Oberlandesgerichts auf.
Wolfgang K***** wurde daher durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
Textnummer
E126838European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00135.19W.1204.000Im RIS seit
13.12.2019Zuletzt aktualisiert am
13.12.2019